Am 5. September 2020 jährt sich der Todestag Jochen Rindts zum 50. Mal. Aus diesem
Anlass hat McKlein Publishing in Köln eine gewaltige Biografie über den legendären
Rennfahrer herausgebracht. Es gibt über Rindt bereits einige Bücher, aber dieser Band
stellt die bisherige Literatur zu dem Thema weit in den Schatten.
Der gewichtige und im quadratischen Großformat gehaltene Band ist bestens verarbeitet
und durch einen attraktiven Schuber geschützt. Das Layout ist durchgehend brillant und
verleiht der Biografie einen besonderen optischen Reiz. Mit über 400 teilweise
ganzseitigen Fotos bester Auswahl und hervorragender Reproduktion ist das Buch in jeder
Hinsicht erstklassig illustriert.
Die Ablichtungen zeigen nicht nur den faszinierenden Rennsport der 1960er Jahre,
sondern auch - dem Thema angemessen - Jochen Rindt in allen Lebenslagen sowohl bei
den Rennen als auch im Privaten. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf den Formel 1-
Rennen bis zum Jahr 1970, aber auch Rindts Einsätze in der Formel 2, bei den
Tourenwagen und besonders auch bei den Sportwagen und Prototypen sind dokumentiert.
Die Aufnahmen stammen zum überwiegenden Teil aus dem fast unerschöpflichen Archiv
von McKlein und aus der internationalen Archiv-Sammlung motorsport images“. Die
zweifellos bemerkenswertesten und ungewöhnlichsten Fotografien stellte aber der
Halbbruder Jochen Rindts, Dr. Uwe Eisleben, aus dem Familienarchiv zur Verfügung. Auf
diese Weise wird ein tiefer Einblick in die Familiengeschichte Rindts sowie die Kindheit
und Jugend des Rennfahrers gewährt, wie man ihn in dieser Weise bisher noch nie haben
konnte. Hervorgehoben werden muss in diesem Zusammenhang die Wiedergabequalität
auch alter Schnappschüsse aus dem Elternhaus von Jochen Rindt und aus der Schulzeit
des noch ganz jungen aus Mainz stammenden Jochen.
Auch die großen Aufnahmen von den Autorennen der 1960er Jahre finden wir hier in einer
Qualität, wie sie zur damaligen Zeit nicht üblich war, so dass es allein schon ein Genuss
ist, die begeisternde Illustration dieses Bandes zu genießen.
Aber mindestens genauso überdurchschnittlich wie die Illustration erscheint auch der in
deutscher und englischer Sprache verfasste Text dieser Biografie. Wer ist nun dieser Dr.
Erich Glavitza, der hier ein Rennfahrerleben auf sehr ungewöhnliche Weise
nachgezeichnet hat? Glavitza war in den 1960er Jahren in der internationalen
Motorsportszene kein Unbekannter: Rennfahrer, Stuntman, Reporter, Journalist – und
dazu hat er noch einen Doktorhut! Er war bei Steve McQueens Film-Epos „Le Mans“ dabei
und als Stuntman aktiv, er pflegte Kontakte zu zahlreichen Rennfahrern, die er auch bei
ihren unterschiedlichen Abenteuern begleitete. So war er insbesondere im Lager der
Österreicher ganz nah dran, ja sogar mittendrin. Und er sog all das Gesehene und
Gehörte auf, merkte es sich, schrieb es nieder. Vor ein paar Jahren entstanden so die
sehenswerte DVD „Remebering Le Mans“ und ein Buch über seine Erinnerungen mit dem
Titel „Vollgas oder Nix!“ Glavitza spricht Klartext, nimmt kein Blatt vor den Mund, trägt
durchaus auch mal dick auf. Durch seinen sehr guten Kontakt zu Uwe Eisleben konnte er
zahlreiche Geschichten aus der Familie Rindt zusammentragen und seine eigenen
Erfahrungen aus den 1960er Jahren erlaubten ihm einen tiefen Blick hinter die Kulissen
des Renngeschehens jener Epoche. So erschöpfen sich seine Darstellungen nicht in
chronologischen Rennberichten, sondern schildern auch sehr detailliert die
Rennmannschaften, für die Rindt fuhr, die Umstände von Erfolgen und Misserfolgen, die
Verantwortlichkeiten in den Rennställen und sogar die Hintergründe der nicht immer
einfachen Finanzierung des Rennsports. Glavitza versteht es auch, sich durchaus kritisch
mit dem österreichischen Motorsport-Journalismus zu Jochen Rindt auseinanderzusetzen,
und eröffnet so bisweilen neue Perspektiven auf die Berichterstattung dieser Zeit. Glavitza,
selbst Österreicher, ist der Auffassung, dass der in Deutschland geborene Rindt nicht der
erste österreichische, sondern der erste deutsche Formel 1-Weltmeister war. Nun, allein
wenn man die Sprachfärbung des Weltmeisters von 1970 hört, kann man da auch zu
einem anderen Ergebnis kommen. Aber wahrscheinlich ist das heute auch nicht mehr so
wichtig. Es ändert nichts an dem Umstand, dass Rindt einer der größten Rennfahrer war.
Der Autor bringt seinen Respekt und seine Bewunderung für Rindt zum Ausdruck,
porträtiert aber zugleich eine überaus vielschichtige Persönlichkeit von schwierigem
Charakter.
Viele Rennfahrer-Biografien verfallen in die Unsitte, den porträtierten Piloten geradezu
einen Heiligenschein aufzusetzen, und liegen damit zuweilen neben der Realität. So etwas
gibt es bei Glavitza nicht. Er beschreibt all die Kanten und Ecken, die Ausfälle und
Ruppigkeiten von Jochen Rindt recht schonungslos und vermittelt so ein wirklich
authentisches Bild von dem Rennfahrer. Er räumt sehr deutlich mit der Vorstellung auf,
Rennfahrer seien „gute Menschen“. Er belegt, dass es sich gerade bei den erfolgreichen
Piloten um durchaus liebenswerte aber eben doch rücksichtslose Egomanen handelt, die
dem eigenen Erfolg alles andere unterordnen.
Hier schreibt einer, der sich wirklich mit der Psyche des Rennfahrers und den
Hintergründen des Motorsports auseinandergesetzt hat. Und er schreibt es so, dass es
sich spannend und nachvollziehbar liest. Natürlich kommt dabei die Darstellung der
Fakten nicht zu kurz. Die insgesamt 26 Kapitel sind chronologisch geordnet und enthalten
sechs reine Bildstrecken zu den jeweiligen Jahren. Das letzte Kapitel stellt eine
ausführliche Rennstatistik dar, die den Band perfekt abschließt.
Neben dieser Chronologie geht Glavitza insbesondere auch auf Rindts Einsätze in den
USA und seinen Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans 1965 sowie sein Verhältnis zu
seiner späteren Ehefrau Nina ein. Immerhin war Nina Rindt Mitinitiatorin der als JochenRindt-Show gestarteten Essen Motor Show, und Jochens Le-Mans-Sieg war zugleich der
bis heute letzte Ferrari-Gesamtsieg bei dem französischen Langstrecken-Klassiker.
Selbstverständlich analysiert Glavitza auch den tödlichen Unfall Rindts in Monza am 5.
September 1970 – ein Geschehen, das in all seinen Facetten heute unvorstellbar wäre,
aber in manchen Bereichen sind wir zum Glück eben doch 50 Jahre weiter. Sehr pointiert
und ausgewogen beleuchtet Glavitza nicht nur die damals allgegenwärtige Gefahr bei den
Rennen, sondern auch – an sich im Gegensatz dazu stehend – die allgemeine Lockerheit
und Ungezwungenheit im Umgang miteinander, mit den Journalisten und den Fans. Diese
unangepasste Hemdsärmeligkeit der 1960er und 1970er Jahre ist dem Motorsport nach
und nach abhanden gekommen.
Wer sich für Jochen Rindt und die damalige Formel 1 interessiert, kommt – ganz
unabhängig von allen anderen Rindt-Biografien – an diesem Buch nicht vorbei: vom
Layout und der Illustration im wahrsten Sinne des Wortes einfach schön, von der
Durchdringung des Themas und der inhaltlichen Dichte des Textes mehr als beachtlich!
Thomas Nehlert
Verlag: McKlein Publishing
Autor: Dr.Erich Glavitza
Format: 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber
Seiten: 400
Fotos: über 400 Fotos
Sprachen: Deutsch und Englisch
Preis: € 99,90
Vertrieb: RacingWebShop.com
ISBN: 978-3-947156-26-9
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen