Rezension Thomas Nehlert: Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er Horst H. Baumann, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020



Aus nur vier Jahren von 1961 bis 1964 stammen die 166 Fotografien des begnadeten Fotokünstlers Horst H. Bauman in diesem gewaltigen Bildband aus dem Delius Klasing Verlag. Das Wirken des 1934 in Aachen geborenen Fotografen reicht weit über den Automobilsport hinaus. Seine Ablichtungen in großen Magazinen und auf FotoAusstellungen fanden ebenso internationale Anerkennung wie seine Lichtinstallationen in der Stadt der Documenta, Kassel, 1974. So ist er, 2019 verstorben, nicht nur als Fotograf, sondern noch viel mehr als Künstler in die Geschichte eingegangen. 

Bereits im Jahr 1965 war der heute als Sammlerstück gehandelte Band „Die neuen Matadore“ mit den Motorsport-Abbildungen Baumanns und dem Text von Ken Purdy erschienen. Ein Großteil der Fotos aus diesem Buch und weitere zuvor nicht veröffentlichte Aufnahmen finden sich nun in dem Werk "Lichtjahre" wieder. 

An vier Rennstrecken hatte Baumann die Fotografien aufgenommen: Le Mans mit dem 24-Stunden-Rennen, Nürburgring mit dem 1000-km-Rennen und dem Grand Prix von Deutschland, Spa mit dem belgischen und Zandvoort mit dem niederländischen Grand Prix. Die erste Hälfte der 1960er Jahre war die Epoche der 1,5-Liter-Formel-1 und der Vorherrschaft von Ferrari bei den großen Sportwagen-Rennen. Zunächst einmal beeindruckt das wirklich ungewöhnlich große Format, das eine Reproduktion der Fotos bis zu einer doppelseitigen Dimension von fast 60 x 35 cm erlaubt. Die Motivauswahl ist sehr abwechslungsreich – von packenden Startszenen und faszinierenden Rennsequenzen über technische Details bis zu Porträts aus den Cockpits und den Boxen. 

Die großartigen Aufnahmen stammen aus einer Zeit, als an vollautomatisch perfektionierte Digitalbilder noch nicht zu denken war. Deshalb ist es dem Herausgeber sehr zu danken, dass er der Versuchung widerstanden hat, die Fotos mittels einer Nachbearbeitung den heute verbreiteten Sehgewohnheiten anzupassen. Es werden die geradezu künstlerisch komponierten Bildwerke Baumanns genauso wiedergegeben, wie er sie in den 1960er Jahren aufgenommen hatte. Das heißt, die teilweise bewusst eingesetzte Unschärfe zur Verdeutlichung der Dynamik des Geschehens bleibt genauso erkennbar wie die gezielte Unterscheidung von Bildvordergrund und Bildhintergrund durch Spielen mit der Schärfentiefe. Und in Zeiten extrem auflösender Digitalfotos mag manchen Betrachter auch die deutliche Körnung in den Nachtaufnahmen in Le Mans oder den Ablichtungen bei schlechten Lichtverhältnissen am Nürburgring überraschen. Wer jedoch früher selbst einmal gerade wegen geringen Lichteinfalls auch mit hochempfindlichem Filmmaterial gearbeitet hat, kennt diese unvermeidbare Wirkung, die die Authentizität damaliger Aufnahmetechniken und Wiedergabemöglichkeiten unterstreicht. 

Baumann hatte es durch seine Bildgestaltung geschafft, dass der abgebildete Vorgang überaus realistisch transportiert wird. Zum Beispiel hat man bei einem Foto vom vollkommen verregneten 1000-km-Rennen am Nürburgring fast das Gefühl, die Feuchtigkeit und den Eifeldunst zu spüren.Und durch häufige Einbeziehung der Zuschauer, Fotografen oder Techniker am Rand der Strecke oder in den Boxen in den jeweiligen Bildausschnitt werden die Atmosphäre an der Strecke und manchmal sogar die Stimmungslage der beteiligten Personen vermittelt wie es besser nicht möglich ist. Andere Bilder wiederum transportieren die Lichtdurchflutung eines bei strahlendem Sonnenschein ausgetragenen Rennens ins Auge des Betrachters und verleihen dem Titel des Buchs "Lichtjahre" neben der Charakterisierung dieser Epoche des Motorsports eine doppelte Bedeutung. 

Drei knappe Textteile verbinden die herrlichen vier Bildstrecken miteinander. Hans-Michael Koetzle beschreibt unter der Überschrift „Verhaltener Lyriker der Kamera“ den Lebensweg Horst H. Baumanns, Etienne Bourguignon blickt auf die Autorennen der 1960er Jahre zurück und verdeutlicht deren für heutige Verhältnisse schwer nachvollziehbare Gefährlichkeit und Uli Hack – selbst renommierter bildnerischer Künstler – erinnert sich voller Empathie an Horst H. Baumann, dessen Motorsportfotografie nur für einen kurzen Abschnitt seines Werkes steht.

Der sehr gut verarbeitete und schwergewichtige Band ist auf hochwertigem und haptisch angenehmen Papier gedruckt, das Layout ist modern und attraktiv. Das ist ein prachtvolles Buch, das nicht nur den Autosport-Enthusiasten, sondern auch den Freund anspruchsvoller Fotokunst begeistern wird.

Thomas Nehlert 

Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er 
Autor: Horst H. Baumann (Fotos) 
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 29,5 x 34,5 cm, 256 Seiten, 166 Fotos 
Text: Englisch/ Deutsch Preis: € 98,00 
ISBN: 978-3-667-11847-9 
Überall im Buchhandel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert "Weekend Heroes II" - Autoren: Tony Adriaensens, Joel Driskill, Corsa Research, Antwerpen, 2019

1560 Seiten, 3 Bände, über 900 Fotos, 11,5 kg – das sind die Eckdaten eines wirklich außergewöhnlichen Buch-Sets.  2007 hatte Tony Adriaesens erstmals den Band "Weekend Heroes" präsentiert. Zwölf Jahre später entschloss er sich, in seinem in Antwerpen ansässigen Verlag eine Neuauflage herauszugeben. Diese ist nun im Umfang gewaltig erweitert und auf drei Bände verteilt worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es auch in den USA nicht einfach, wieder Automobilsport zu betreiben. Die Menschen hatten verständlicherweise andere Dinge im Kopf und so war an ganze Meisterschaftsprogramme zunächst nicht zu denken. Dies konnte allerdings einen überschaubaren Kreis begeisterter Sportwagen-Fahrer nicht davon abhalten, sich mit ihren Fahrzeugen auf teilweise abenteuerlichen Rennstrecken zu messen. Insbesondere im klimatisch begünstigten Kalifornien gab es schon ab 1947 wieder die ersten Wettbewerbe, die ab 1950 im wahrsten Sinne des Wortes richtig Fahrt aufnahmen. An fast jedem Wochenende fand irgendwo im Südwesten der USA so eine MotorsportVeranstaltung statt, und so ist es keine Übertreibung, die einsatzfreudigen Rennfahrer als "Weekend Heroes" zu bezeichnen.

Zwischen Sacramento und San Diego gab es Dutzende kleiner Kurse, die als Betätigungsfeld dienten. Das waren sowohl Straßen-Rundstrecken als vereinzelt auch Bergrennen. Als Austragungsorte hatten die umtriebigen Aktiven kleinerer kalifornischer Automobil-Clubs und des Sports Car Club of America (SCCA) zusätzlich Parkanlagen als auch stillgelegte oder zeitweise nicht genutzte Flughäfen ausfindig gemacht. Die Veranstaltungen fanden schnell großen Zuspruch und die Zuschauer standen ohne große Sicherheitsvorkehrungen nahe am Renngeschehen. Dies alles wirkte sehr improvisiert, spiegelte aber eine grenzenlose Begeisterung für den Motorsport wider, wie sie gerade für Zeiten nach einer Epoche der Entbehrungen typisch sein dürfte.

Tony Adriaesens, 1966 in Antwerpen geboren, hatte diese Zeit natürlich nicht miterlebt. Er hat aber in mühevoller Recherche unzählige Fotos und auch Texte dieser Ära zusammengetragen, gesichtet, ausgewertet und zu diesem gigantischen Buchwerk zusammengefügt. Das Bildmaterial stammt aus professionellen Archiven und auch aus kleineren Privatsammlungen. Überwiegend handelt es sich um großformatige Farbfotografien, die zum Teil doppelseitige Dimensionen erreichen. Allein die Wiedergabequalität ist schon überraschend – nur selten findet man bei Aufnahmen aus dieser Zeit eine derartig brillante Reproduktion. Es ist deshalb auch nur angemessen, dass beispielhaft acht Fotografen am Anfang des Werkes recht ausführlich vorgestellt werden.

Schlicht atemberaubendSchlicht atemberaubend erscheint die Auswahl der Motive und ihre fotografische Umsetzung. Die über 900 Aufnahmen wurden bei nicht weniger als 104 Veranstaltungen auf 41 Rennstrecken gemacht. 37 dieser Örtlichkeiten liegen in Kalifornien, die restlichen vier verteilen sich auf Nevada, Mexiko, Hawaii und die Bahamas. Das sind viel mehr als reine Rennbilder, das sind fotografische Kunstwerke, die den Motorsport in einzigartiger Form festhalten, und zwar nicht nur das faszinierende Geschehen auf den Pisten, sondern vielmehr noch die Menschen in den Fahrzeugen, bei der technischen Vorbereitung und am Rande der Rennen. Man muss sich für jedes der Fotos Zeit nehmen und kann dann eine eingehende Bildbetrachtung durchführen, bei der man unzählige Details feststellen wird, die in der gewöhnlichen Dokumentation eines Autorennens unbeachtet bleiben. Auch das spezielle Ambiente bestimmter Rennstrecken wird grandios eingefangen, sei es auf den Straßenkursen von Palm Springs oder Pebble Beach, den Strecken von Willow Springs, Riverside, Santa Barbara oder Torrey Pikes und auf den vielen kleinen Flughäfen mit ihren Betonpisten.

Neben den vielen eher weniger bekannten Privatfahrern findet der Betrachter aber auch Ablichtungen großer Piloten, die anfangs der 1950er Jahre ihre Karriere noch vor sich hatten – Masten Gregory, Phil Hill, Ken Miles, Richie Ginther und Carroll Shelby, um nur einige zu nennen. Insgesamt werden am Ende des dreibändigen Werks 37 Persönlichkeiten vorgestellt, die im amerikanischen Motorsport der 1950er Jahre eine bedeutende Rolle spielten, darunter neben den bereits genannten Rennfahrern auch Elliott Forbes-Robinson, Ruth Levy und John von Neumann.

Es würde "Weekend Heroes II" aber nicht gerecht werden, wenn man es ausschließlich als drei Bildbände betrachten würde. Denn Tony Adriaesens und sein Mitherausgeber Joel Driskill haben zu jeder der 104 Veranstaltungen zwischen 1950 und 1957 auch ausführliche Texte zusammengetragen, die die Rennen und ihre Protagonisten sowie teilweise auch die Örtlichkeiten im Detail dokumentieren. Dabei handelt es sich überwiegend um Berichte aus den namhaften amerikanischen Automobil- und MotorsportMagazinen "Road&Track", "Sports Cars Illustrated", "Speed Age" und „Car Life“. Wer sich die drei Bände wirklich eingehend zu Gemüte führen möchte, dürfte dafür Monate brauchen – lohnend ist das allemal! Zu jeder Abbildung gibt es zusätzlich sehr detaillierte Bildunterschriften und zumeist auch Hinweise auf die Art des verwendeten Filmmaterials und den Fotografen. Einziger kleiner Kritikpunkt: die Bildunterschriften hätten in einem etwas besser lesbaren und größeren Schrifttyp gehalten sein können. 

Die drei Bände sind bestens verarbeitet und auf hochwertigem, haptisch sehr angenehmen Papier gedruckt. Das Layout stellt geschickt die künstlerisch-fotografische Adaption des Themas in den Vordergrund, ohne die textliche Erfassung zu vernachlässigen. 

Tony Adriaesens, bekannt auch durch seine exklusiven und teilweise restlos vergriffenen Bücher "Porsche Sporterfolge", "Ten days in Sicily" (über die Targa Florio 1966) und „OttoVu“ (über den Fiat 8V), hat mit "Weekend Heroes II" einen neuen Maßstab gesetzt. Sicherlich sind rund 470 Euro grundsätzlich ein stolzer Preis für ein Druckwerk. Aber für den Automobil-Enthusiasten, der ein Herz für die Ursprünglichkeit eines sich im Aufbruch befindenden Motorsports in den 1950er Jahren im Westen der USA hat, ist bei „Weekend Heroes II“ jeder Cent bestens angelegt.

Thomas Nehlert

Weekend Heroes II 
Autoren: Tony Adriaensens, Joel Driskill 
Verlag: Corsa Research, Antwerpen 
Format: 3 Bände Hardcover, 29,5 x 28,5 cm 
Umfang: 1560 Seiten, etwa 910 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: € 469,- 
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com