Aus nur vier Jahren von 1961 bis 1964 stammen die 166 Fotografien des begnadeten
Fotokünstlers Horst H. Bauman in diesem gewaltigen Bildband aus dem Delius Klasing
Verlag. Das Wirken des 1934 in Aachen geborenen Fotografen reicht weit über den
Automobilsport hinaus. Seine Ablichtungen in großen Magazinen und auf FotoAusstellungen fanden ebenso internationale Anerkennung wie seine Lichtinstallationen in
der Stadt der Documenta, Kassel, 1974. So ist er, 2019 verstorben, nicht nur als Fotograf,
sondern noch viel mehr als Künstler in die Geschichte eingegangen.
Bereits im Jahr 1965 war der heute als Sammlerstück gehandelte Band „Die neuen
Matadore“ mit den Motorsport-Abbildungen Baumanns und dem Text von Ken Purdy
erschienen. Ein Großteil der Fotos aus diesem Buch und weitere zuvor nicht
veröffentlichte Aufnahmen finden sich nun in dem Werk "Lichtjahre" wieder.
An vier Rennstrecken hatte Baumann die Fotografien aufgenommen: Le Mans mit dem
24-Stunden-Rennen, Nürburgring mit dem 1000-km-Rennen und dem Grand Prix von
Deutschland, Spa mit dem belgischen und Zandvoort mit dem niederländischen Grand
Prix. Die erste Hälfte der 1960er Jahre war die Epoche der 1,5-Liter-Formel-1 und der
Vorherrschaft von Ferrari bei den großen Sportwagen-Rennen. Zunächst einmal
beeindruckt das wirklich ungewöhnlich große Format, das eine Reproduktion der Fotos bis
zu einer doppelseitigen Dimension von fast 60 x 35 cm erlaubt. Die Motivauswahl ist sehr
abwechslungsreich – von packenden Startszenen und faszinierenden Rennsequenzen
über technische Details bis zu Porträts aus den Cockpits und den Boxen.
Die großartigen Aufnahmen stammen aus einer Zeit, als an vollautomatisch perfektionierte
Digitalbilder noch nicht zu denken war. Deshalb ist es dem Herausgeber sehr zu danken,
dass er der Versuchung widerstanden hat, die Fotos mittels einer Nachbearbeitung den
heute verbreiteten Sehgewohnheiten anzupassen. Es werden die geradezu künstlerisch
komponierten Bildwerke Baumanns genauso wiedergegeben, wie er sie in den 1960er
Jahren aufgenommen hatte. Das heißt, die teilweise bewusst eingesetzte Unschärfe zur
Verdeutlichung der Dynamik des Geschehens bleibt genauso erkennbar wie die gezielte
Unterscheidung von Bildvordergrund und Bildhintergrund durch Spielen mit der
Schärfentiefe. Und in Zeiten extrem auflösender Digitalfotos mag manchen Betrachter
auch die deutliche Körnung in den Nachtaufnahmen in Le Mans oder den Ablichtungen bei
schlechten Lichtverhältnissen am Nürburgring überraschen. Wer jedoch früher selbst
einmal gerade wegen geringen Lichteinfalls auch mit hochempfindlichem Filmmaterial
gearbeitet hat, kennt diese unvermeidbare Wirkung, die die Authentizität damaliger
Aufnahmetechniken und Wiedergabemöglichkeiten unterstreicht.
Baumann hatte es durch seine Bildgestaltung geschafft, dass der abgebildete Vorgang
überaus realistisch transportiert wird. Zum Beispiel hat man bei einem Foto vom
vollkommen verregneten 1000-km-Rennen am Nürburgring fast das Gefühl, die
Feuchtigkeit und den Eifeldunst zu spüren.Und durch häufige Einbeziehung der
Zuschauer, Fotografen oder Techniker am Rand der Strecke oder in den Boxen in den
jeweiligen Bildausschnitt werden die Atmosphäre an der Strecke und manchmal sogar die
Stimmungslage der beteiligten Personen vermittelt wie es besser nicht möglich ist. Andere
Bilder wiederum transportieren die Lichtdurchflutung eines bei strahlendem Sonnenschein
ausgetragenen Rennens ins Auge des Betrachters und verleihen dem Titel des Buchs "Lichtjahre" neben der Charakterisierung dieser Epoche des Motorsports eine doppelte
Bedeutung.
Drei knappe Textteile verbinden die herrlichen vier Bildstrecken miteinander. Hans-Michael
Koetzle beschreibt unter der Überschrift „Verhaltener Lyriker der Kamera“ den Lebensweg
Horst H. Baumanns, Etienne Bourguignon blickt auf die Autorennen der 1960er Jahre
zurück und verdeutlicht deren für heutige Verhältnisse schwer nachvollziehbare
Gefährlichkeit und Uli Hack – selbst renommierter bildnerischer Künstler – erinnert sich
voller Empathie an Horst H. Baumann, dessen Motorsportfotografie nur für einen kurzen
Abschnitt seines Werkes steht.
Der sehr gut verarbeitete und schwergewichtige Band ist auf hochwertigem und haptisch
angenehmen Papier gedruckt, das Layout ist modern und attraktiv. Das ist ein prachtvolles
Buch, das nicht nur den Autosport-Enthusiasten, sondern auch den Freund
anspruchsvoller Fotokunst begeistern wird.
Thomas Nehlert
Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er
Autor: Horst H. Baumann (Fotos)
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020
Format und Umfang: Hardcover , 29,5 x 34,5 cm, 256 Seiten, 166 Fotos
Text: Englisch/ Deutsch
Preis: € 98,00
ISBN: 978-3-667-11847-9
Überall im Buchhandel erhältlich