Rezension Thomas Nehlert: 50 Jahre Porsche 914 Jürgen Lewandowski, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2019

Bei den Porsche-Kunden und -Fans war es nicht gerade eine "Liebe auf den ersten Blick", als ihnen vor 50 Jahren der Porsche 914 präsentiert wurde. Aber selbst die größten 914- Skeptiker werden dieses Fahrzeug nach der Lektüre des hier besprochenen Buchs mit anderen Augen betrachten.

Erstmals wird durch den namhaften Automobil-Historiker und Buchautor Jürgen Lewandowski die Entwicklung des als Gemeinschaftsproduktion von Volkswagen und Porsche entstandenen Typ 914 so detailliert und vollständig dokumentiert, dass wirklich keine Frage mehr offen bleibt. Der Verfasser hat in jahrelanger Recherche unglaublich viel Material und Hintergrundinformationen zusammengetragen und zu einem Buch verarbeitet, das ohne Übertreibung als Benchmark innerhalb der wahrhaft reichhaltigen Porsche-Literatur angesehen werden muss. Dabei konnte er auf sein eigenes umfangreiches Archiv zurückgreifen, das eine der größten Privatsammlungen automobiler Druckwerke in Deutschland ist.

Das Buch ist in 13 Kapitel gegliedert. Im ersten Abschnitt beschreibt Lewandowski die von jeher enge und schon familiär begründete Verbindung von Volkswagen und Porsche mit all ihren Erfolgen und auch Krisen. Die ersten Überlegungen des VW-Konzerns zu einem preisgünstigen Mittelmotorsportwagen in den 1960er Jahren werden ebenso eingehend dargelegt wie die vertrauensvollen Kontakte zwischen Ferry Porsche und Heinrich Nordhoff. Dennoch war die Entscheidungsfindung zum VW-Porsche mit zahlreichen Meinungsverschiedenheiten und Hindernissen verbunden, die nach dem Wechsel von Nordhoff zu Lotz auf Seiten VWs nicht geringer wurden. Insbesondere die Schaffung einer Vertriebsregelung für den Mittelmotorsportwagen gestaltete sich schwierig, weil zu viele unterschiedliche Interessen – nicht zuletzt auch aus den USA – berücksichtigt werden mussten. Mit großer Akribie und fesselnd beschrieben, schildert Lewandowski im dritten Kapitel diese Problemlage und vermittelt dem Leser Hintergrundinformationen, die zum Teil bisher unbekannt waren.

Zwischen dem ersten und dritten Kapitel analysiert Michael Mauer, der aktuell für das Porsche-Design verantwortlich ist, in einem ausführlichen Interview die formale Gestaltung des 914, die schon damals wie auch heute als optisch ungewöhnlich aber in hohem Maße funktionell zu würdigen ist. 

Die Entwicklung des 914 anhand der Vorgaben eines Anforderungskatalogs wird im vierten Abschnitt in allen Einzelheiten beschrieben, und zwar sowohl in der Entstehung des in der Bevölkerung als „Volks-Porsche“ (VoPo) bezeichneten Sportwagens als auch in der Fortentwicklung über die Modelljahre 1970 bis 1976. Nicht minder spannend lesen sich die folgenden Kapitel über den leider nicht über das Projektstadium und eine ganz kleine Stückzahl hinausgekommenen 916 und den nur in zwei Einzelstücken für Ferry Porsche und Ferdinand Piech gebauten 914 S, einen mit dem Rennmotor des 908 versehenen, äußerlich besonders zurückhaltend gestalteten 914 mit den Fahrleistungen eines Supersportwagens. Am Beispiel des Projekts 916 und seines vorzeitigen Endes wurde sehr deutlich, woran auch die Vermarktung des 914/6 mit dem Sechszylinder-Motor aus dem 911 krankte – am einfach viel zu hohen Preis, nämlich sowohl im Verhältnis zum mit dem Vierzylinder-VW-Motor ausgestatteten 914 als auch im Vergleich zum preisgünstigsten 911. 

Mit der Entwicklung des 914/6 GT und seinem Einsatz im Motorsport befassen sich die Kapitel sieben bis neun. 1970 konnte diese ausschließlich für den Renn- und Rallyeeinsatz konzipierte Variante insbesondere bei einigen Langstreckenrennen überzeugen, nicht zuletzt mit einem sechsten Gesamtrang und dem Sieg in der GTWertung bei den 24 Stunden von Le Mans und mit einem Triumph beim sogenannten Marathon de la Route auf dem Nürburgring. Der auch intern bei Porsche nicht unumstrittene Einsatz bei der Rallye Monte Carlo 1971 mit seinem eher mäßigen Erfolg führte schlussendlich zum Abbruch weiterer werksseitiger Entwicklung des 914/6 GT für den Motorsport. Allerdings blieb er aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit noch lange ein bei Privatfahrern geschätzter Wettbewerbssportwagen, der sich auch als erstes Fahrzeug der von Herbert Linge ins Leben gerufenen ONS-Streckensicherungsstaffel unschätzbare Verdienste erwarb. Diesem Einsatzgebiet widmet Jürgen Lewandowski ebenso ein eigenes Kapitel wie einem mit herrlichen Erinnerungen garnierten 914/6 GT-Fahrbericht von Eckhard Schimpf. 

Ein Höhepunkt des Buchs ist zweifellos der Abschnitt über einen nie über das Planungsstadium hinausgekommenen Nachfolger des Typ 914. Unter Berücksichtigung eines anspruchsvollen Anforderungskatalogs beschäftigte man sich bei Porsche bereits 1972 mit verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten für einen zukünftigen EinsteigerSportwagen; favorisiert wurde das Frontantriebskonzept für einen deutlich geräumigeren 2+2-Sitzer mit verglaster Heckklappe. Allerdings wurde dieser Sportwagen nie Realität. Stattdessen kam 1976 der Porsche 924.

Nach einem Blick auf mehrere Sondermodelle auf der Grundlage des 914 – vom durch Albrecht Graf Goertz entworfenen 914/6 bis zum von Ital Design stammenden Tapiro – wird der "Volks-Porsche" noch einmal abschließend aus heutiger Sicht der Dinge gewürdigt – mit all seinen Erfolgen und den diversen Schwierigkeiten, die entstehen, wenn zwei Werke mit unterschiedlicher Ausrichtung ein gemeinsames Ziel verfolgen. 

Ein zehnseitiger Anhang mit den technischen Daten aller Modell- und Motorvarianten des 914 und eine Bibliografie schließen das Buch inhaltlich ab. 

Gerade dieser Bibliografie kommt eine besondere Bedeutung zu. Denn Lewandowski hat nicht nur die vollständige Sekundär-Literatur ausgewertet, sondern belegt seine Ausführungen auch durch Zitate aus vielen grundlegenden Publikationen, hier sollen in erster Linie und nur beispielhaft die Werke von Karl Ludvigsen, Paul Frère, Eckhard Schimpf und Brian Long erwähnt werden. So ist es dem Leser auch möglich, in diesen weiteren Quellen zu stöbern und sich selbst über das eigentliche Thema hinausgehende Erkenntnisse zu verschaffen. Noch entscheidender als diese – heute leider nicht immer selbstverständlichen – Quellenangaben dürften aber die vertrauensvollen Kontakte gewesen sein, die der Autor nicht nur zum Historischen Archiv von Porsche, sondern auch zum internen Kreis des Zuffenhausener Unternehmens bis hinein in den Familienverbund unterhält. So war es ihm möglich, tatsächlich bisher im Verborgenen gebliebene Fakten ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, die den bisher etwas vergessenen 914 in einem neuen und überaus interessanten Licht erscheinen lassen. 

Zur Illustration braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Rund 170 Aufnahmen, zum Teil erstmals publiziert und ausnahmslos in bester Wiedergabequalität, verleihen dem Band einen angemessenen Rahmen. Viele sind im großen Format gehalten und geben auch technische Details wieder. Besonderen Reiz üben auch die für die 1970er Jahre so typischen Ablichtungen aus der Porsche-Werbung aus. Das Buch ist sehr gut verarbeitet und erscheint in attraktivem Layout. Angesichts der Tatsache, dass es bisher zum 914 keine vergleichbare Veröffentlichung gibt, und der Qualität der Umsetzung des Themas ist dieser Band wirklich ein Meilenstein in der fast unendlichen Porsche-Literatur. 

Thomas Nehlert

50 Jahre Porsche 914 

Herausgeber: Edition Porsche Museum 
Autor: Jürgen Lewandowski 
Verlag: Delius Klasing 
Verlag, Bielefeld, 2019 
Format und Umfang: Hardcover , 23,5 x 27 cm, 224 Seiten, über 170 Fotos 
Text: Deutsch 
Preis: € 49,90 
ISBN: 978-3-667-11586-7 
Überall im Buchhandel erhältlich