Rezension Thomas Nehlert: 24 Hours of Le Mans Klaus Reichert, Edition Porsche Museum im Motorbuch Verlag, Stuttgart, 2020



2020 jährte sich der erste Gesamtsieg Porsches beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum 50. Mal. Aus diesem Anlass hat der Motorbuch Verlag Stuttgart in der Edition des Porsche Museums dieses Buch herausgebracht, das neben der deutschsprachigen Ausgabe auch noch in Englisch und Französisch erhältlich ist. Auf 140 Schwarzweißfotos des leider schon 1991 im Alter von nur 52 Jahren verstorbenen für Porsche tätig gewesenen Fotografen Klaus Reichert lebt dieses für das Stuttgarter Unternehmen so denkwürdige Rennen vor den Augen des Betrachters noch einmal auf. 
Der Fotoband im fast quadratischen Querformat ist gut verarbeitet und in einem klaren Layout gehalten. Die Reproduktion der eindrucksvollen Fotos auf edlem und schweren Mattglanzpapier ist hervorragend. In sieben Kapiteln wird der chronologische Bogen vom Mittwoch vor dem Rennen Mitte Juni 1970 bis zum zwei Wochen später erfolgten Empfang beim baden-württembergischen Ministerpräsidenten gespannt. 

Einer Auflistung der insgesamt acht Porsche 917, von denen einer ein reines Trainingsfahrzeug war, folgen die Aufnahmen von den Trainingsvorbereitungen und den Trainingssitzungen in Le Mans. Zweifellos ein Höhepunkt des Buchs sind die Fotos aus der Porsche-Garage in Teloché nahe Le Mans, in der die Rennwagen für den Einsatz hergerichtet wurden. Hier sieht man nicht nur die Fahrzeuge, Ingenieure, Mechaniker und Rennfahrer, sondern auch die Mitglieder der Familie Porsche, die sich ziemlich geschlossen in Le Mans eingefunden hatte. Dazu kommen noch zahlreiche Ablichtungen von einem Empfang in der Schlossanlage Courtanvaux am Freitag vor dem Rennen. Dies sind Fotos, wie man sie bisher noch nirgends sehen konnte. Klaus Reichert war offizieller Fotograf des Porsche-Werks und hatte deshalb auch Zugang zu Bereichen, die anderen Fotografen verschlossen waren. So erhält der Betrachter einen Blick hinter die Kulissen und das fast schon private Familienambiente am Randes des großen Rennens, wie er bei der Abgeschlossenheit heutiger Motorsport-Events kaum vorstellbar ist. 

Vom eigentlichen 24-Stunden-Rennen folgen rund 50 Fotografien, von denen insbesondere die Nachtaufnahmen einen fotografischen Level widerspiegeln, wie er vor 50 Jahren wirklich nicht Standard war. Mehrere Aufnahmen sind im großen, teilweise doppelseitigen Format, zahlreiche Bilder sind sehr viel kleiner, alle aber geben die Atmosphäre des Langstreckenklassikers dieser Epoche vortrefflich wieder. 18 Bilder zeigen die nach dem triumphalen Sieg in Stuttgart veranstalteten Ehrungen des Porsche-Teams, die nicht nur den Fahrern, sondern der gesamten Mannschaft zuteil wurden. 

Reproduktionen einiger Originaldokumente aus dem Porsche-Archiv runden das Buch inhaltlich ab. Es ist tatsächlich ein Glücksfall, dass das Historische Archiv des Porsche-Werks das Bildmaterial der damaligen Zeit zur Verfügung gestellt hat, denn so ist ein Buch entstanden, das dem Leser einen wirklich neuen Blick auf die 24 Stunden von Le Mans 1970 eröffnet. Dieses Rennen zu gewinnen, war erkennbar nicht nur ein Ziel der Porsche-Rennmannschaft, sondern ein echtes Anliegen der Familien Porsche und Piech. 

24 Hours of Le Mans

Autor (Fotos): Klaus Reichert 
Verlag: Motorbuch Verlag, Stuttgart, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 30,5 x 27,5 cm, 204 Seiten, 140 Fotos 
Text: Deutsch 
Preis: € 79,00 
ISBN: 978-3-613-30961-6 
Überall im Handel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert: „Grand Prix 1961-1965 – Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1 “, Autoren Jörg-Thomas Födisch, Rainer Rossbach, Nils Ruwisch, McKlein Publishing Köln, 202


Wahrscheinlich ist es die in der Wahrnehmung vieler Motorsportfans am meisten vernachlässigte Epoche der Formel 1, die Zeit der 1,5-Liter-Fahrzeuge von 1961 bis 1965. Um nach der 2,5-Liter-Formel die Leistungen nicht eskalieren zu lassen, schrieb die FIA ab 1961 ein Hubraumlimit von 1,5 Liter vor. Die englischen Teams waren entsetzt, Ferrari indes bereitete sich mit dem 156 Sharknose sorgfältig vor. Das Ergebnis ist bekannt, Ferrari dominierte 1961, Phil Hill wurde nach dem tödlichen Unfall von Wolfgang Graf Berghe von Trips in Monza Weltmeister, nur der überragende Stirling Moss vermochte in Monaco und am Nürburgring mit seinem Lotus 18-Climax die Ferrari zu schlagen. 

Entgegen anfänglichen Befürchtungen entwickelte sich die neue Formel 1 überaus gut. Große Starterfelder und zahlreiche Teams , darunter vorübergehend auch Porsche, machten die Rennen spannend und abwechslungsreich. Die Rennwagen dieser Zeit dürften aufgrund ihres schlichten und klaren Designs zu den schönsten in der Geschichte der Monoposti zählen, viele überragende Fahrerpersönlichkeiten drückten der 1,5-LiterFormel 1 ihren Stempel auf, allen voran der atemberaubend schnelle und charismatische Jim Clark. 

Ein Buch über diese Zeit der Formel 1 war deshalb nur überfällig. Das Autoren-Trio JörgThomas Födisch, Rainer Rossbach und Nils Ruwisch hat ganze Arbeit geleistet. In einem großformatigen Band aus dem Verlag McKlein Publishing dokumentieren sie die 1,5-LiterFormel 1 – penibel recherchiert, detailreich und strukturiert dargestellt sowie grandios illustriert. 

Der 360 Seiten umfangreiche und zweisprachig in Englisch und Deutsch verfasste Band ist chronologisch aufgebaut. Einem Vorwort von Richard Attwood und einer Darstellung des Reglements durch Rainer Rossbach folgen die Jahre 1961 bis 1965. Jedes Jahreskapitel fängt mit einer Zusammenfassung an, bevor sämtliche Weltmeisterschaftsläufe einzeln in knappen Texten protokolliert werden. Ein Resümee, eine Weltmeisterschaftstabelle und die Präsentation des Weltmeister-Fahrzeugs beschließen den jeweiligen Jahresbericht. Auf diese Weise wird jede der fünf Saisons auf rund 60 Seiten abgehandelt. Die Eingangstexte und Resümees stammen von JörgThomas Födisch, die Fahrzeugbeschreibungen von Rainer Rossbach und die von Paul Sheldon geschriebenen Rennberichte wurden u.a. von Nils Ruwisch bestens übersetzt. 

Die vier Titelträger der 1,5-Liter-Formel 1 – Phil Hill, Graham Hill, Jim Clark und John Surtees - werden anschließend in vollständigen Lebensläufen gewürdigt. Diese sehr gelungenen Porträts hat Nils Ruwisch erstellt. Sie werden durch etwas knapper gehaltene Beschreibungen zu 17 weiteren bedeutenden Fahrern dieser Epoche ergänzt, die von Rainer Rossbach stammen. Schließlich gibt noch Hartmut Lehbrink seine sehr persönlichen Erinnerungen an die vier Weltmeister wieder. Aber auch die Technik kommt nicht zu kurz – alle Motoren der 1,5-Liter-Zeit werden fotografisch und mit ihren technischen Daten festgehalten. Schließlich würdigt Stephan Anton noch die 1962 erstmals beim Lotus 25 verwirklichte Monocoque-Bauweise. 

Man kann also feststellen, dass die fünf Jahre der Formel 1 zwischen 1961 und 1965 in diesem Buch unter jedem Gesichtspunkt eingehend und mit hoher Kompetenz aller Autoren dokumentiert werden. Ganz wesentlich zum formidablen Eindruck des in einem attraktiven Schuber in bester Verarbeitung präsentierten Buchs trägt zudem die Illustration bei. Rund 560 Abbildungen zeigen das Renngeschehen jener Zeit, die Technik, die Fahrer, die Strecken und sogar die Titelseiten der Rennprogramme allumfassend. Die Mehrzahl der Fotografien stammt aus den Archiven von Cahier, McKlein, Grand Prix Photo und motorsportimages (LAT). Auswahl und Wiedergabequalität sind ausnahmslos erstklassig. 

Mit diesem empfehlenswerten und voluminösen Band wird in der Motorsport-Literatur tatsächlich eine Lücke geschlossen. 

Thomas Nehlert

Grand Prix 1961-1965 – Die Jahre der 1,5-Liter-Formel 1 
Verlag: McKlein Publishing 
Autoren: Jörg-Thomas Födisch, Rainer Rossbach, Nils Ruwisch 
Format: 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber 
Seiten: 360 Fotos: über 560 Fotos 
Sprachen: Deutsch und Englisch Preis: € 99,90 
Vertrieb: RacingWebShop.com 
ISBN: 978-3-947156-27-6

Rezension Thomas Nehlert: Corvette – America‘s Star-Spangled Sports Car The Complete History 1953-1982 Karl Ludvigsen, Bentley Publishers, USA, 2014



Es gibt nur einen Sportwagen, der in mehreren Entwicklungsstufen über einen längeren Zeitraum existiert als der seit 1964 produzierte Porsche 911 – die nun in der achten Generation hergestellte Chevrolet Corvette wird seit 1953 gebaut! Dementsprechend findet man eine beachtliche Menge an Literatur zu diesem amerikanischen Zweisitzer, allerdings sind nur wenige Werke wirklich empfehlenswert. 

Das beste Buch zu diesem Thema ist der vorliegende Band von Karl Ludvigsen. Leider deckt es aber nur die ersten drei Generationen bis zum Jahr 1982 ab. Erstmals 1973 im Verlag des Quartalsmagazins „Automobile Quarterly“ erschienen, brachten Bentley Publishers diese vollkommen überarbeitete und stark erweiterte Neuauflage im Jahr 2014 heraus. Ludvigsen als weltweit renommiertester und wahrscheinlich auch bester Autor von Automobilbüchern, der zudem jahrzehntelang in Leitungsfunktionen in der Automobilwirtschaft tätig gewesen war, hat hier – ähnlich wie mit seiner vollkommen unerreichbaren vierbändigen Porsche-Geschichte „Excellence was Expected“ – ein Standardwerk verfasst, das vergeblich seinesgleichen sucht. 

Auf 770 Seiten in 52 Kapiteln bleibt wirklich kein Aspekt der Corvette-Historie von 1953 bis 1982 unberücksichtigt. Von den ersten Ideen und Zeichnungen über die Entstehung und Produktion bis zur Weiterentwicklung des bedeutsamsten amerikanischen Sportwagens dokumentiert dieser voluminöse Band tatsächlich alles, was mit der Corvette zu tun hat: das Design, die Technik, das Marketing, die Einsätze im Motorsport und ganz besonders auch die Leistungen der mit der Corvette befassten Ingenieure. Hier seien nur beispielhaft Zora ArkusDuntov, Bill Mitchell, Harley Earl, Maurice Olley, Dave McLellan erwähnt, ohne die die Geschichte der Corvette so nicht vorstellbar gewesen wäre. Ludvigsen geht auf jedes technische Detail ein, sei es die Entwicklung von Motor, Fahrwerk, Karosserie mit allen Kenndaten, seien es die werksseitigen und in externer Hand liegenden Modifikationen, Vorbereitungen und Einsätze der Rennversionen. Dabei wirft der Autor auch stets einen Blick auf die Konkurrenzsituation auf dem Sportwagenmarkt und verdeutlicht die von manchen Designstudien herrührenden Denkansätze für die jeweilige Weiterentwicklung der Corvette. Der Leser erhält so nicht nur einen bis ins letzte Detail gehenden Überblick zur Entstehung und Entwicklung, sondern auch zu den Vermarktungsüberlegungen und Machtkämpfen im Management von Chevrolet. 

Durch seinen engen Kontakt zu praktisch allen mit der Corvette befasst gewesenen Ingenieuren und seine zeitweise Position bei General Motors liefert Ludvigsen dem Leser ein Maß an Einzelheiten zu dem „Star-Spangled Sports Car“, wie es an keiner anderen Stelle in der Literatur zu finden ist. Ein umfangreicher Anhang mit Tabellen zu den verschiedenen Triebwerken, Modelljahren, Farben und Renneinsätzen rundet das Buch ebenso ab wie eine ausführliche Bibliografie


Man muss über ordentliche Kenntnisse der englischen Sprache verfügen und sich sehr viel Zeit nehmen, um die Dimension dieses Werks über die Corvette zu erfassen – dann aber ist es eine reine Freude, die durch die reichhaltige und hochwertige Illustration mit mehr als sage und schreibe 900 Abbildungen noch gesteigert wird. Gestaltung und Verarbeitung des Bandes sind über jeden Zweifel erhaben, der Preis erscheint geradezu konkurrenzlos günstig. 

Corvette – America‘s Star-Spangled Sports Car The Complete History 1953-1982 

Autor: Karl Ludvigsen 
Verlag: Bentley Publishers, USA, 2014 
Format, Umfang: Leinen-Hardcover, 23,5 x 27,5 cm, 770 Seiten, über 900 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: € 24,95 
 ISBN: 978-0-8376-1659-9 
Vertrieb: http://www.bentleypublishers.com/ oder andere Internetportale

Rezension Thomas Nehlert: „Jochen Rindt – Ikone mit verborgenen Tiefen “, Autor Dr.Erich Glavitza, McKlein Publishing Köln, 2020


Am 5. September 2020 jährt sich der Todestag Jochen Rindts zum 50. Mal. Aus diesem Anlass hat McKlein Publishing in Köln eine gewaltige Biografie über den legendären Rennfahrer herausgebracht. Es gibt über Rindt bereits einige Bücher, aber dieser Band stellt die bisherige Literatur zu dem Thema weit in den Schatten. 

Der gewichtige und im quadratischen Großformat gehaltene Band ist bestens verarbeitet und durch einen attraktiven Schuber geschützt. Das Layout ist durchgehend brillant und verleiht der Biografie einen besonderen optischen Reiz. Mit über 400 teilweise ganzseitigen Fotos bester Auswahl und hervorragender Reproduktion ist das Buch in jeder Hinsicht erstklassig illustriert. 

Die Ablichtungen zeigen nicht nur den faszinierenden Rennsport der 1960er Jahre, sondern auch - dem Thema angemessen - Jochen Rindt in allen Lebenslagen sowohl bei den Rennen als auch im Privaten. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf den Formel 1- Rennen bis zum Jahr 1970, aber auch Rindts Einsätze in der Formel 2, bei den Tourenwagen und besonders auch bei den Sportwagen und Prototypen sind dokumentiert. Die Aufnahmen stammen zum überwiegenden Teil aus dem fast unerschöpflichen Archiv von McKlein und aus der internationalen Archiv-Sammlung motorsport images“. Die zweifellos bemerkenswertesten und ungewöhnlichsten Fotografien stellte aber der Halbbruder Jochen Rindts, Dr. Uwe Eisleben, aus dem Familienarchiv zur Verfügung. Auf diese Weise wird ein tiefer Einblick in die Familiengeschichte Rindts sowie die Kindheit und Jugend des Rennfahrers gewährt, wie man ihn in dieser Weise bisher noch nie haben konnte. Hervorgehoben werden muss in diesem Zusammenhang die Wiedergabequalität auch alter Schnappschüsse aus dem Elternhaus von Jochen Rindt und aus der Schulzeit des noch ganz jungen aus Mainz stammenden Jochen. 

Auch die großen Aufnahmen von den Autorennen der 1960er Jahre finden wir hier in einer Qualität, wie sie zur damaligen Zeit nicht üblich war, so dass es allein schon ein Genuss ist, die begeisternde Illustration dieses Bandes zu genießen. 

Aber mindestens genauso überdurchschnittlich wie die Illustration erscheint auch der in deutscher und englischer Sprache verfasste Text dieser Biografie. Wer ist nun dieser Dr. Erich Glavitza, der hier ein Rennfahrerleben auf sehr ungewöhnliche Weise nachgezeichnet hat? Glavitza war in den 1960er Jahren in der internationalen Motorsportszene kein Unbekannter: Rennfahrer, Stuntman, Reporter, Journalist – und dazu hat er noch einen Doktorhut! Er war bei Steve McQueens Film-Epos „Le Mans“ dabei und als Stuntman aktiv, er pflegte Kontakte zu zahlreichen Rennfahrern, die er auch bei ihren unterschiedlichen Abenteuern begleitete. So war er insbesondere im Lager der Österreicher ganz nah dran, ja sogar mittendrin. Und er sog all das Gesehene und Gehörte auf, merkte es sich, schrieb es nieder. Vor ein paar Jahren entstanden so die sehenswerte DVD „Remebering Le Mans“ und ein Buch über seine Erinnerungen mit dem Titel „Vollgas oder Nix!“ Glavitza spricht Klartext, nimmt kein Blatt vor den Mund, trägt durchaus auch mal dick auf. Durch seinen sehr guten Kontakt zu Uwe Eisleben konnte er zahlreiche Geschichten aus der Familie Rindt zusammentragen und seine eigenen Erfahrungen aus den 1960er Jahren erlaubten ihm einen tiefen Blick hinter die Kulissen des Renngeschehens jener Epoche. So erschöpfen sich seine Darstellungen nicht in chronologischen Rennberichten, sondern schildern auch sehr detailliert die Rennmannschaften, für die Rindt fuhr, die Umstände von Erfolgen und Misserfolgen, die Verantwortlichkeiten in den Rennställen und sogar die Hintergründe der nicht immer einfachen Finanzierung des Rennsports. Glavitza versteht es auch, sich durchaus kritisch mit dem österreichischen Motorsport-Journalismus zu Jochen Rindt auseinanderzusetzen, und eröffnet so bisweilen neue Perspektiven auf die Berichterstattung dieser Zeit. Glavitza, selbst Österreicher, ist der Auffassung, dass der in Deutschland geborene Rindt nicht der erste österreichische, sondern der erste deutsche Formel 1-Weltmeister war. Nun, allein wenn man die Sprachfärbung des Weltmeisters von 1970 hört, kann man da auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Aber wahrscheinlich ist das heute auch nicht mehr so wichtig. Es ändert nichts an dem Umstand, dass Rindt einer der größten Rennfahrer war. Der Autor bringt seinen Respekt und seine Bewunderung für Rindt zum Ausdruck, porträtiert aber zugleich eine überaus vielschichtige Persönlichkeit von schwierigem Charakter. 

Viele Rennfahrer-Biografien verfallen in die Unsitte, den porträtierten Piloten geradezu einen Heiligenschein aufzusetzen, und liegen damit zuweilen neben der Realität. So etwas gibt es bei Glavitza nicht. Er beschreibt all die Kanten und Ecken, die Ausfälle und Ruppigkeiten von Jochen Rindt recht schonungslos und vermittelt so ein wirklich authentisches Bild von dem Rennfahrer. Er räumt sehr deutlich mit der Vorstellung auf, Rennfahrer seien „gute Menschen“. Er belegt, dass es sich gerade bei den erfolgreichen Piloten um durchaus liebenswerte aber eben doch rücksichtslose Egomanen handelt, die dem eigenen Erfolg alles andere unterordnen. 

Hier schreibt einer, der sich wirklich mit der Psyche des Rennfahrers und den Hintergründen des Motorsports auseinandergesetzt hat. Und er schreibt es so, dass es sich spannend und nachvollziehbar liest. Natürlich kommt dabei die Darstellung der Fakten nicht zu kurz. Die insgesamt 26 Kapitel sind chronologisch geordnet und enthalten sechs reine Bildstrecken zu den jeweiligen Jahren. Das letzte Kapitel stellt eine ausführliche Rennstatistik dar, die den Band perfekt abschließt. 

Neben dieser Chronologie geht Glavitza insbesondere auch auf Rindts Einsätze in den USA und seinen Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans 1965 sowie sein Verhältnis zu seiner späteren Ehefrau Nina ein. Immerhin war Nina Rindt Mitinitiatorin der als JochenRindt-Show gestarteten Essen Motor Show, und Jochens Le-Mans-Sieg war zugleich der bis heute letzte Ferrari-Gesamtsieg bei dem französischen Langstrecken-Klassiker. Selbstverständlich analysiert Glavitza auch den tödlichen Unfall Rindts in Monza am 5. September 1970 – ein Geschehen, das in all seinen Facetten heute unvorstellbar wäre, aber in manchen Bereichen sind wir zum Glück eben doch 50 Jahre weiter. Sehr pointiert und ausgewogen beleuchtet Glavitza nicht nur die damals allgegenwärtige Gefahr bei den Rennen, sondern auch – an sich im Gegensatz dazu stehend – die allgemeine Lockerheit und Ungezwungenheit im Umgang miteinander, mit den Journalisten und den Fans. Diese unangepasste Hemdsärmeligkeit der 1960er und 1970er Jahre ist dem Motorsport nach und nach abhanden gekommen. 

Wer sich für Jochen Rindt und die damalige Formel 1 interessiert, kommt – ganz unabhängig von allen anderen Rindt-Biografien – an diesem Buch nicht vorbei: vom Layout und der Illustration im wahrsten Sinne des Wortes einfach schön, von der Durchdringung des Themas und der inhaltlichen Dichte des Textes mehr als beachtlich! 

Thomas Nehlert


Jochen Rindt – Ikone mit verborgenen Tiefen 
Verlag: McKlein Publishing 
Autor: Dr.Erich Glavitza 
Format: 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber 
Seiten: 400 Fotos: über 400 Fotos 
Sprachen: Deutsch und Englisch 
Preis: € 99,90 Vertrieb: RacingWebShop.com 
ISBN: 978-3-947156-26-9

Rezension Thomas Nehlert: Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er Horst H. Baumann, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020



Aus nur vier Jahren von 1961 bis 1964 stammen die 166 Fotografien des begnadeten Fotokünstlers Horst H. Bauman in diesem gewaltigen Bildband aus dem Delius Klasing Verlag. Das Wirken des 1934 in Aachen geborenen Fotografen reicht weit über den Automobilsport hinaus. Seine Ablichtungen in großen Magazinen und auf FotoAusstellungen fanden ebenso internationale Anerkennung wie seine Lichtinstallationen in der Stadt der Documenta, Kassel, 1974. So ist er, 2019 verstorben, nicht nur als Fotograf, sondern noch viel mehr als Künstler in die Geschichte eingegangen. 

Bereits im Jahr 1965 war der heute als Sammlerstück gehandelte Band „Die neuen Matadore“ mit den Motorsport-Abbildungen Baumanns und dem Text von Ken Purdy erschienen. Ein Großteil der Fotos aus diesem Buch und weitere zuvor nicht veröffentlichte Aufnahmen finden sich nun in dem Werk "Lichtjahre" wieder. 

An vier Rennstrecken hatte Baumann die Fotografien aufgenommen: Le Mans mit dem 24-Stunden-Rennen, Nürburgring mit dem 1000-km-Rennen und dem Grand Prix von Deutschland, Spa mit dem belgischen und Zandvoort mit dem niederländischen Grand Prix. Die erste Hälfte der 1960er Jahre war die Epoche der 1,5-Liter-Formel-1 und der Vorherrschaft von Ferrari bei den großen Sportwagen-Rennen. Zunächst einmal beeindruckt das wirklich ungewöhnlich große Format, das eine Reproduktion der Fotos bis zu einer doppelseitigen Dimension von fast 60 x 35 cm erlaubt. Die Motivauswahl ist sehr abwechslungsreich – von packenden Startszenen und faszinierenden Rennsequenzen über technische Details bis zu Porträts aus den Cockpits und den Boxen. 

Die großartigen Aufnahmen stammen aus einer Zeit, als an vollautomatisch perfektionierte Digitalbilder noch nicht zu denken war. Deshalb ist es dem Herausgeber sehr zu danken, dass er der Versuchung widerstanden hat, die Fotos mittels einer Nachbearbeitung den heute verbreiteten Sehgewohnheiten anzupassen. Es werden die geradezu künstlerisch komponierten Bildwerke Baumanns genauso wiedergegeben, wie er sie in den 1960er Jahren aufgenommen hatte. Das heißt, die teilweise bewusst eingesetzte Unschärfe zur Verdeutlichung der Dynamik des Geschehens bleibt genauso erkennbar wie die gezielte Unterscheidung von Bildvordergrund und Bildhintergrund durch Spielen mit der Schärfentiefe. Und in Zeiten extrem auflösender Digitalfotos mag manchen Betrachter auch die deutliche Körnung in den Nachtaufnahmen in Le Mans oder den Ablichtungen bei schlechten Lichtverhältnissen am Nürburgring überraschen. Wer jedoch früher selbst einmal gerade wegen geringen Lichteinfalls auch mit hochempfindlichem Filmmaterial gearbeitet hat, kennt diese unvermeidbare Wirkung, die die Authentizität damaliger Aufnahmetechniken und Wiedergabemöglichkeiten unterstreicht. 

Baumann hatte es durch seine Bildgestaltung geschafft, dass der abgebildete Vorgang überaus realistisch transportiert wird. Zum Beispiel hat man bei einem Foto vom vollkommen verregneten 1000-km-Rennen am Nürburgring fast das Gefühl, die Feuchtigkeit und den Eifeldunst zu spüren.Und durch häufige Einbeziehung der Zuschauer, Fotografen oder Techniker am Rand der Strecke oder in den Boxen in den jeweiligen Bildausschnitt werden die Atmosphäre an der Strecke und manchmal sogar die Stimmungslage der beteiligten Personen vermittelt wie es besser nicht möglich ist. Andere Bilder wiederum transportieren die Lichtdurchflutung eines bei strahlendem Sonnenschein ausgetragenen Rennens ins Auge des Betrachters und verleihen dem Titel des Buchs "Lichtjahre" neben der Charakterisierung dieser Epoche des Motorsports eine doppelte Bedeutung. 

Drei knappe Textteile verbinden die herrlichen vier Bildstrecken miteinander. Hans-Michael Koetzle beschreibt unter der Überschrift „Verhaltener Lyriker der Kamera“ den Lebensweg Horst H. Baumanns, Etienne Bourguignon blickt auf die Autorennen der 1960er Jahre zurück und verdeutlicht deren für heutige Verhältnisse schwer nachvollziehbare Gefährlichkeit und Uli Hack – selbst renommierter bildnerischer Künstler – erinnert sich voller Empathie an Horst H. Baumann, dessen Motorsportfotografie nur für einen kurzen Abschnitt seines Werkes steht.

Der sehr gut verarbeitete und schwergewichtige Band ist auf hochwertigem und haptisch angenehmen Papier gedruckt, das Layout ist modern und attraktiv. Das ist ein prachtvolles Buch, das nicht nur den Autosport-Enthusiasten, sondern auch den Freund anspruchsvoller Fotokunst begeistern wird.

Thomas Nehlert 

Lichtjahre – Automobilsport-Lifestyle der frühen 60er 
Autor: Horst H. Baumann (Fotos) 
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 29,5 x 34,5 cm, 256 Seiten, 166 Fotos 
Text: Englisch/ Deutsch Preis: € 98,00 
ISBN: 978-3-667-11847-9 
Überall im Buchhandel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert "Weekend Heroes II" - Autoren: Tony Adriaensens, Joel Driskill, Corsa Research, Antwerpen, 2019

1560 Seiten, 3 Bände, über 900 Fotos, 11,5 kg – das sind die Eckdaten eines wirklich außergewöhnlichen Buch-Sets.  2007 hatte Tony Adriaesens erstmals den Band "Weekend Heroes" präsentiert. Zwölf Jahre später entschloss er sich, in seinem in Antwerpen ansässigen Verlag eine Neuauflage herauszugeben. Diese ist nun im Umfang gewaltig erweitert und auf drei Bände verteilt worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es auch in den USA nicht einfach, wieder Automobilsport zu betreiben. Die Menschen hatten verständlicherweise andere Dinge im Kopf und so war an ganze Meisterschaftsprogramme zunächst nicht zu denken. Dies konnte allerdings einen überschaubaren Kreis begeisterter Sportwagen-Fahrer nicht davon abhalten, sich mit ihren Fahrzeugen auf teilweise abenteuerlichen Rennstrecken zu messen. Insbesondere im klimatisch begünstigten Kalifornien gab es schon ab 1947 wieder die ersten Wettbewerbe, die ab 1950 im wahrsten Sinne des Wortes richtig Fahrt aufnahmen. An fast jedem Wochenende fand irgendwo im Südwesten der USA so eine MotorsportVeranstaltung statt, und so ist es keine Übertreibung, die einsatzfreudigen Rennfahrer als "Weekend Heroes" zu bezeichnen.

Zwischen Sacramento und San Diego gab es Dutzende kleiner Kurse, die als Betätigungsfeld dienten. Das waren sowohl Straßen-Rundstrecken als vereinzelt auch Bergrennen. Als Austragungsorte hatten die umtriebigen Aktiven kleinerer kalifornischer Automobil-Clubs und des Sports Car Club of America (SCCA) zusätzlich Parkanlagen als auch stillgelegte oder zeitweise nicht genutzte Flughäfen ausfindig gemacht. Die Veranstaltungen fanden schnell großen Zuspruch und die Zuschauer standen ohne große Sicherheitsvorkehrungen nahe am Renngeschehen. Dies alles wirkte sehr improvisiert, spiegelte aber eine grenzenlose Begeisterung für den Motorsport wider, wie sie gerade für Zeiten nach einer Epoche der Entbehrungen typisch sein dürfte.

Tony Adriaesens, 1966 in Antwerpen geboren, hatte diese Zeit natürlich nicht miterlebt. Er hat aber in mühevoller Recherche unzählige Fotos und auch Texte dieser Ära zusammengetragen, gesichtet, ausgewertet und zu diesem gigantischen Buchwerk zusammengefügt. Das Bildmaterial stammt aus professionellen Archiven und auch aus kleineren Privatsammlungen. Überwiegend handelt es sich um großformatige Farbfotografien, die zum Teil doppelseitige Dimensionen erreichen. Allein die Wiedergabequalität ist schon überraschend – nur selten findet man bei Aufnahmen aus dieser Zeit eine derartig brillante Reproduktion. Es ist deshalb auch nur angemessen, dass beispielhaft acht Fotografen am Anfang des Werkes recht ausführlich vorgestellt werden.

Schlicht atemberaubendSchlicht atemberaubend erscheint die Auswahl der Motive und ihre fotografische Umsetzung. Die über 900 Aufnahmen wurden bei nicht weniger als 104 Veranstaltungen auf 41 Rennstrecken gemacht. 37 dieser Örtlichkeiten liegen in Kalifornien, die restlichen vier verteilen sich auf Nevada, Mexiko, Hawaii und die Bahamas. Das sind viel mehr als reine Rennbilder, das sind fotografische Kunstwerke, die den Motorsport in einzigartiger Form festhalten, und zwar nicht nur das faszinierende Geschehen auf den Pisten, sondern vielmehr noch die Menschen in den Fahrzeugen, bei der technischen Vorbereitung und am Rande der Rennen. Man muss sich für jedes der Fotos Zeit nehmen und kann dann eine eingehende Bildbetrachtung durchführen, bei der man unzählige Details feststellen wird, die in der gewöhnlichen Dokumentation eines Autorennens unbeachtet bleiben. Auch das spezielle Ambiente bestimmter Rennstrecken wird grandios eingefangen, sei es auf den Straßenkursen von Palm Springs oder Pebble Beach, den Strecken von Willow Springs, Riverside, Santa Barbara oder Torrey Pikes und auf den vielen kleinen Flughäfen mit ihren Betonpisten.

Neben den vielen eher weniger bekannten Privatfahrern findet der Betrachter aber auch Ablichtungen großer Piloten, die anfangs der 1950er Jahre ihre Karriere noch vor sich hatten – Masten Gregory, Phil Hill, Ken Miles, Richie Ginther und Carroll Shelby, um nur einige zu nennen. Insgesamt werden am Ende des dreibändigen Werks 37 Persönlichkeiten vorgestellt, die im amerikanischen Motorsport der 1950er Jahre eine bedeutende Rolle spielten, darunter neben den bereits genannten Rennfahrern auch Elliott Forbes-Robinson, Ruth Levy und John von Neumann.

Es würde "Weekend Heroes II" aber nicht gerecht werden, wenn man es ausschließlich als drei Bildbände betrachten würde. Denn Tony Adriaesens und sein Mitherausgeber Joel Driskill haben zu jeder der 104 Veranstaltungen zwischen 1950 und 1957 auch ausführliche Texte zusammengetragen, die die Rennen und ihre Protagonisten sowie teilweise auch die Örtlichkeiten im Detail dokumentieren. Dabei handelt es sich überwiegend um Berichte aus den namhaften amerikanischen Automobil- und MotorsportMagazinen "Road&Track", "Sports Cars Illustrated", "Speed Age" und „Car Life“. Wer sich die drei Bände wirklich eingehend zu Gemüte führen möchte, dürfte dafür Monate brauchen – lohnend ist das allemal! Zu jeder Abbildung gibt es zusätzlich sehr detaillierte Bildunterschriften und zumeist auch Hinweise auf die Art des verwendeten Filmmaterials und den Fotografen. Einziger kleiner Kritikpunkt: die Bildunterschriften hätten in einem etwas besser lesbaren und größeren Schrifttyp gehalten sein können. 

Die drei Bände sind bestens verarbeitet und auf hochwertigem, haptisch sehr angenehmen Papier gedruckt. Das Layout stellt geschickt die künstlerisch-fotografische Adaption des Themas in den Vordergrund, ohne die textliche Erfassung zu vernachlässigen. 

Tony Adriaesens, bekannt auch durch seine exklusiven und teilweise restlos vergriffenen Bücher "Porsche Sporterfolge", "Ten days in Sicily" (über die Targa Florio 1966) und „OttoVu“ (über den Fiat 8V), hat mit "Weekend Heroes II" einen neuen Maßstab gesetzt. Sicherlich sind rund 470 Euro grundsätzlich ein stolzer Preis für ein Druckwerk. Aber für den Automobil-Enthusiasten, der ein Herz für die Ursprünglichkeit eines sich im Aufbruch befindenden Motorsports in den 1950er Jahren im Westen der USA hat, ist bei „Weekend Heroes II“ jeder Cent bestens angelegt.

Thomas Nehlert

Weekend Heroes II 
Autoren: Tony Adriaensens, Joel Driskill 
Verlag: Corsa Research, Antwerpen 
Format: 3 Bände Hardcover, 29,5 x 28,5 cm 
Umfang: 1560 Seiten, etwa 910 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: € 469,- 
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com

Rezension Thomas Nehlert: Einfach eine geile Zeit – Deutsche Rennsport-Meisterschaft 1972-1985 Gustav Büsing & Uwe Mahla, Gruppe C Motorsport Verlag, Duisburg, 2020


Es ist schon neun Jahre her, dass der Gruppe C Motorsport Verlag aus Duisburg die erste Auflage dieses großartigen Buchs über die Deutsche Rennsport-Meisterschaft herausgebracht hat. Die jetzt vorliegende dritte Auflage ist bei unverändert günstigem Preis gründlich überarbeitet und erweitert worden, und zwar um rund 50 auf 304 Seiten. 

Die Deutsche Rennsport-Meisterschaft war eine der faszinierendsten Rennserien, die je auf deutschen Rennstrecken ausgefahren wurde. Zwischen 1972 und 1985 bestimmte das Championat das Geschehen im nationalen Automobilsport. Die technische Vielfalt und die abwechslungsreichen Rennen dürften in ihrem speziellen Reiz die nachfolgende Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft noch deutlich übertroffen haben. Das von zwei renommierten Kennern der Materie - Gustav Büsing und Uwe Mahla - verfasste Buch dokumentiert die Meisterschaft nach einem eingehenden Blick auf die Technik der in der DRM eingesetzten Fahrzeuge chronologisch Jahr für Jahr. Nach den Jahren 1972 bis 1976, in denen die Meisterschaft den nach dem Reglement der Gruppe 2 modifizierten Tourenwagen offen gestanden hatte, folgte 1977 bis 1981 die Epoche der gewaltigen Gruppe 5-Fahrzeuge, bevor ab 1982 die auch international bedeutsame Gruppe C den Rahmen für den Titelkampf bildete. Allein die Reihe der Namen der siegreichen Fahrer und Marken liest sich wie ein "Who is Who" des Motorsports dieser Kategorie: Hans-Joachim Stuck, Dieter Glemser, Hans Heyer, Rolf Stommelen, Harald Ertl, Klaus Ludwig, Bob Wollek, Stefan Bellof und Jochen Mass sowie Ford, BMW, Porsche und Lancia. Die Texte sind kompetent, kurzweilig und informativ. Nicht weniger als 30 Rennfahrer-Biografien ergänzen die Berichterstattung. Auch die von 1979 bis 1983 ausgetragene Deutsche Rennsport-Trophäe wird in angemessenem Umfang dargestellt. Dazu kommen ein Blick auf die Finanzierung der Meisterschaft und die siegreichen Teams sowie eine umfangreiche und bis ins Detail gehende Meisterschafts- und Rennstatistik. 

Die dritte Auflage ist durch einige Kapitel erweitert worden. So werden unter dem Titel „Helden aus der zweiten Reihe“ 30 Persönlichkeiten zusätzlich porträtiert, die die Deutsche Rennsport-Meisterschaft ebenso geprägt haben wie die bereits seit der ersten Auflage gewürdigten Repräsentanten. In einem weiteren Abschnitt erinnern sich zehn Gastautoren an besonders groteske und absonderliche Erlebnisse aus der Zeit der DRM, unter ihnen Rainer Braun, Charly Lamm, Thomas Ammerschläger, Marc Surer und Manfred Jantke. Dies liest sich höchst unterhaltsam und gibt einen ergänzenden Blick hinter die Kulissen der Rennsportmeisterschaft. Ein Personenregister und eine knappe Entstehungsgeschichte des Buchs runden den Band inhaltlich ab. 

Seit der ersten Auflage ist einer der Autoren, Güstav Büsing, leider viel zu früh verstorben und hat eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Es ist deshalb berührend, wie sich einige seiner Weggefährten, allen voran Uwe Mahla als Coautor und Tim Upietz als Verleger, in dieser dritten Auflage seiner erinnern. Dabei soll auch nicht vergessen werden, dass der Verlagsgründer, grandiose Fotograf und Autor zahlreicher Bücher und Vater von Tim, Ulrich Upietz, in der Zwischenzeit von uns gegangen ist. Er wäre stolz, zu sehen, wie seine Söhne aus der väterlichen Firma ein weit über ein reines Verlagshaus hinausgehendes Unternehmen geschaffen haben. 

Die Illustration ist wie bei allen Bänden aus dem Gruppe C Motorsport Verlag hervorragend. Auf 372 teilweise großformatigen Fotos ist das Geschehen auf und neben den Rennstrecken eindrucksvoll und packend festgehalten. Rennaction, Szenen aus Boxen und Fahrerlager sowie eindringliche Porträtaufnahmen wechseln einander ab und versetzen den Betrachter in eine besonders schöne Zeit des Motorsports zurück. Die Wiedergabequalität der Aufnahmen konnte nochmals gesteigert werden. Das voluminöse Buch gefällt zudem durch ein attraktives Layout und beste Verarbeitung sowie einen optisch und haptisch bemerkenswerten Einband.

Einfach eine geile Zeit – Deutsche Rennsport-Meisterschaft 1972-1985 

Autoren: Gustav Büsing, Uwe Mahla 
Verlag: Gruppe C Motorsport Verlag, Duisburg, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 25 x 30,5 cm, 304 Seiten, 372 Fotos 
Text: Deutsch 
Preis: € 50,- ISBN: 978-3-948501-03-7 

Überall im Buchhandel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert: Porsche 924 – 944 – 968 – 928 Thomas Fuths, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020



Zwanzig Jahre lang produzierte Porsche die Sportwagen der Transaxle-Baureihen, die Vierzylinder-Modelle 924, 944 und 968 sowie die Achtzylinder-Fahrzeuge vom Typ 928. Kennzeichen der Automobile waren wassergekühlte Frontmotoren, die durch eine Welle verbundenen hinter der Hinterachse liegenden Getriebe, langgezogene Fronthauben und großzügig verglaste Heckklappen. Mit diesen seinerzeit ultramodernen Sportwagen war Porsche der Zeit voraus.

Wenn auch so mancher „gusseiserne“ 911-Fahrer seine Vorbehalte hatte, so entwickelten sich die Transaxle-Porsche doch zu einem Erfolg – über 386.000 Exemplare wurden im 20jährigen Produktionszeitraum hergestellt. Gerade wer einmal einen 944 S2 oder 944 Turbo im direkten Vergleich mit einem 911 aus dieser Zeit fahren durfte, wird kaum an der Feststellung vorbeikommen, was für zukunftsweisende und brillante Sportwagen Porsche mit den Transaxle-Modellen auf die Räder gestellt hatte. Dass die Produktion dieser Wagen Mitte der 1990er Jahre eingestellt wurde, hatte in erster Linie wirtschaftliche Gründe. Und es warteten bereits die neuen, kostengünstiger zu produzierende Baureihen 986 (Boxster) und 996 (911).

Thomas Fuths, Mitglied der Redaktion der Zeitschrift „Porsche Klassik“, beschreibt die Porsche 924 bis 928 in zwölf Artikeln und dokumentiert nicht nur die technischen Konzepte, sondern spiegelt auch den Variantenreichtum der Fahrzeuge wider. In knapper Form werden die verschiedenen Modelle jeder Baureihe vorgestellt, wobei auch die Motorsportvarianten wie der 924 Carrera GT/GTS/GTP/GTR Erwähnung finden. In eher essayistischer Art beschreibt der Autor einige Sondermodelle und insbesondere seine eigenen Erfahrungen mit einzelnen Exemplaren aus der Transaxle-Ära.

Gerade diese Erfahrungen sowie der Reisebericht mit dem letzten Porsche 928 GTS über die Alpen sind besonders lesenswert. Sie werden dem Titel der neuen Buchreihe des Delius Klasing Verlags „Bewegte Zeiten“ gerecht, entführen sie den Leser doch in eine Vergangenheit zurück, die einem derzeit als so unbekümmert und leicht erscheint – selbst wenn sie es jedenfalls nicht in dem Ausmaß war, wie man es heute vielleicht glaubt.

Ein Anhang mit den wesentlichen technischen Daten und Produktionszahlen aller Transaxle-Modelle schließt das kompakte Buch ab.

Die rund 120 Fotos bilden eine attraktive und qualitativ hochwertige Illustration und stammen von Markus Bolsinger, Stephan Lindloff und zum überwiegenden Teil aus dem Historischen Archiv von Porsche. Die Reproduktion aus Prospekten und Werbeanzeigen von Porsche haucht dem Band auf liebenswerte Weise den Zeitgeist der damaligen Porsche-Modelle ein und verleiht ihm zusätzliche Authentizität.- Es müssen nicht immer gewaltige und schwergewichtige Bildbände sein, die Begeisterung wecken; ein kompaktes und attraktiv gestaltetes, dazu preiswertes Buch, das inhaltlich durch Kompetenz und Leidenschaft gekennzeichnet ist, kann das genauso gut. 

Thomas Nehlert

Porsche 924 – 944 – 968 – 928 

Autor: Thomas Fuths 
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 17 x 24,5 cm, 128 Seiten, 120 Abbildungen 
Text: Deutsch Preis: € 16,90 

ISBN: 978-3-667-11835

Überall im Handel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert: the Racers – Endurance Motor Racing 1963-1973 Al Satterwhite, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020


Al Satterwhite ist ein namhafter amerikanischer Gesellschaftsfotograf, der bereits als College-Schüler 1962 seine Leidenschaft für den Motorsport entdeckte. In Florida lebend, besuchte er regelmäßig die großen Sportwagen-Rennen in Daytona und Sebring. In diesem Buch sind die Fotografien, die er an diesen Rennstrecken in der Zeit von 1962 bis 1973 schoss, wiedergegeben. Zum weit überwiegenden Teil handelt es sich um Schwarzweiß-Ablichtungen, einige der rund 270 Aufnahmen sind auch farbig. Die Qualität der Bildwiedergabe ist durchgehend sehr gut. 

Es war eine Zeit, zu der es kein großes Problem war, auch in die heute zumeist streng abgeschirmten Bereiche wie Boxen und Fahrerlager zu gelangen. Dementsprechend beleuchtet Satterwhite das Renngeschehen, die Sportwagen, die Fahrer und die Mechaniker aus einem sehr nahen und fast schon intimen Blickwinkel. Der Betrachter bekommt auf diese Weise nicht nur die Action, sondern auch die Atmosphäre und die Aktivitäten hinter den Kulissen sehr eindringlich vermittelt. Satterwhite hatte auch zu den Protagonisten des Langstreckensports gute Kontakte wie z.B. zu Carroll Shelby, Dan Gurney, Phil Hill, Pedro Rodriguez oder Jacky Ickx. 

"the Racers" wird im Format eines sogenannten Scrapbooks präsentiert, das heißt, es ist ein Album, in dem die Fotos ergänzt durch Presseausweise, Fahrerlagerkarten und FotoLegitimationen collagenartig zusammengefasst werden. So entsteht ein sehr abwechslungsreiches Layout, das die dem Motorsport jener Zeit innewohnende Spannung auch grafisch transportiert. Neben den Aufnahmen von den Rennen und aus den Boxen begeistern insbesondere die zahlreichen Porträtaufnahmen großer Rennfahrer. 

Die knappen Texte sind zweisprachig englisch-deutsch, die englischsprachigen Bildunterschriften werden in einem Anhang durch die jeweiligen deutschen Fassungen ergänzt. Das Vorwort zu diesem ungewöhnlichen und lohnenden Fotobuch stammt von Brian Redman.

Thomas Nehlert

the Racers – Endurance Motor Racing 1963-1973

Autor: Al Satterwhite 
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2020 
Format und Umfang: Hardcover , 23,5 x 27 cm, 192 Seiten, über 270 Fotos 
Text: Englisch/ Deutsch 
Preis: € 78,00 
ISBN: 978-3-667-11856-1

Überall im Handel erhältlich

Rezension Thomas Nehlert „Norbert Singer – Porsche Rennsport 1970-2004“ - Autoren: Norbert Singer, Wilfried Müller, Sportfahrer Verlag, 2020


#Norbert_Singer zählt zweifellos zu den bedeutendsten Ingenieuren in der Geschichte von Porsche. Ohne ihn wäre die Erfolgsgeschichte des Unternehmens im Motorsport seit 1970 so nicht vorstellbar gewesen. Darüber hinaus dürfte er auch zu den beliebtesten Konstrukteuren im Automobilsport gehören, denn welcher andere für die Konstruktion erfolgreicher Rennwagen Verantwortliche hat schon einen eigenen Fan-Club in den USA!

Im Jahr 2019 feierte Singer seinen 80. Geburtstag, und das war für den Sportfahrer-Verlag in Düren, der übrigens auch das renommierte Quartalsmagazin „Automobilsport“ verlegt, ein willkommener Anlass, eine ausführliche Biografie über Norbert Singer zu präsentieren. Der Band wird in der bekannten Edition des Porsche-Museums veröffentlicht und ist so auch über den Museumsshop und alle Porsche-Niederlassungen zu beziehen.

 Als Autor konnte neben Norbert Singer selbst auch Wilfried Müller gewonnen werden, der sich u.a. durch Bücher über Walter Röhrl und Peter Falk einen Namen gemacht hat. Der großformatige Band gliedert sich auf insgesamt 360 Seiten in 16 Kapitel, in denen die Ingenieurskarriere Norbert Singers bei Porsche chronologisch dokumentiert wird. Zwei von Zuneigung und Empathie geprägten Vorworten von Jacky Ickx und Jochen Mass folgt im ersten Kapitel ein kurzer Abriss der Kindheit und Jugend Singers und seines Weges in die Rennabteilung von Porsche Anfang 1970. Man muss heute schmunzeln, wenn man liest, dass Norbert Singers Vater es sehr viel lieber gesehen hätte, wenn der „frisch gebackene“ Ingenieur seine Laufbahn bei Opel begonnen hätte; Porsche als damals recht kleines Unternehmen der Auto-Industrie erschien ihm als Arbeitgeber nicht sicher genug . . . 

Singer stieg 1970 direkt in das Programm mit dem Porsche 917 ein. In zwei Kapiteln hält der Ingenieur Rückschau auf diese großartige Zeit der legendären Schlachten bei den Langstreckenrennen, als dem 917 zwar kein gleichwertiger aber doch respektabler wenn auch im Wesentlichen erfolgloser Konkurrent im Ferrari 512S erwachsen war. Ausführlich wird auch Porsches absolut dominierender Einsatz in der CanAm Series mit den Typen 917/10 und 917/30 gewürdigt, bevor in drei Abschnitten die anschließende Epoche mit den verschiedenen auf der Grundlage des 911 entstandenen Rennfahrzeugen Carrera RSR, Carrera RSR Turbo und 935 Revue passiert. 

Der Übergangszeit mit dem Porsche 936 und den Rennversionen des 924 folgte Anfang der 1980er Jahre die Entwicklung des Porsche-Rennwagens, dessen Entstehung und einzigartigen Erfolge ohne Norbert Singer schlicht nicht möglich gewesen wären: zusammen mit anderen Porsche-Ingenieuren schuf er die Typen 956 und 962, die in verschiedenen Ausbaustufen bis 1994 in den Rennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft und bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreffen waren. Bis ins Detail und mit einer durch Singers Position bei Porsche bedingten einzigartigen Authentizität erhält der Leser einen tiefen Blick hinter die Kulissen des Porsche-Motorsports in der Ära der Gruppe C und vor allem natürlich auch einen Einblick in das technische Konzept und die Details des 956/962.. 

Zeitlich parallel lief bei Porsche auch das wenig erfolgreiche Indycar-Projekt 2708, auf das ebenfalls eingegangen wird. Nach der Gruppe C war Singer dann maßgeblich am Aufbau des von einem ursprünglich bei Tom Walkinshaw Racing projektierten Spyder der WSCKategorie beteiligt, der schließlich vom Joest-Team eingesetzt wurde und so zwei weitere Le Mans Siege für Porsche einfuhr. Unter der Regie des Werks lief zur gleichen Zeit die Entwicklung des 911 GT1, der zunächst für die BPR Serie und dann die GT1- Meisterschaft einsatzbereit gemacht wurde. Auch an diesem bis 1998 laufenden Projekt war Singer maßgeblich beteiligt. Es schloss sich die Planung für den lange geheim gehaltenen Prototyp LMP2000 an, der leider nie zum Einsatz kam. Umso nachhaltiger insbesondere für den amerikanischen Markt wirkte sich der Bau des überaus erfolgreichen LMP2-Prototypen mit der Bezeichnung RS Spyder aus, der zwar später auch in Europa zum Einsatz kam, in der American Le Mans Series aber sogar die übermächtigen LMP1- Prototypen von Audi das Fürchten lehrte. 

Die Biografie schließt mit einer Beschreibung des Porsche-Kundensports und der Rolle Singers bei der Entwicklung der GT3-Varianten der 911-Baureihen. Schließlich geht der Ingenieur noch auf seine Dozenten-Tätigkeit an der Hochschule Esslingen ein, die er von 2006 bis 2017 ausübte. 

Dieses Buch ist wirklich eine wahre Fundgrube. Kaum jemand dürfte einen so tiefen Einblick hinter die Kulissen der Sportwagenrennen gehabt haben wie Norbert Singer. Und er gibt in dieser Autobiografie wirklich viel seines Wissen preis. So wird jeder Fan dieser Sparte des Motorsports begeistert sein und so manche Erklärungen für Vorgänge insbesondere aus der Zeit der Gruppe C finden, die ihm bisher verborgen geblieben waren. Dabei analysiert Singer auch die Niederlagen, die Porsche ab und zu einstecken musste, mit klarer Nüchternheit, ohne intern oder gar dem damaligen Konkurrenten gegenüber Vorwürfe zu erheben. Der Ingenieur und sein Autor Wilfried Müller haben all das in gut lesbare Texte gefasst und machen technische Entwicklungen und strategische Überlegungen bei den Renneinsätzen auch für den unbefangenen Leser nachvollziehbar. 

Mit über 450 Fotos ist der Band nicht nur überaus reichhaltig, sondern auch qualitativ erstklassig illustriert. Die ausnahmslos bestens – teilweise im großen Format – reproduzierten Bilder stammen aus namhaften Archiven und aus der privaten Sammlung Norbert Singers. Den weitaus größten Teil der Ablichtungen steuert das Historische Archiv von Porsche bei. Eindrücke aus Singers Jugend, Details der technischen Entwicklungen und immer wieder Sequenzen von den Sportwagenrennen, denen Porsche häufig den Stempel aufdrückte, lassen keinen Wunsch offen. 

Wie von Publikationen des Sportfahrer Verlags gewohnt, ist das Buch auf hochwertigem Papier gedruckt, in einem sehr attraktiven Layout gestaltet und hervorragend verarbeitet. Wer sich für Norbert Singer, den Porsche-Motorsport und die Geschichte der SportwagenRennen interessiert, muss hier zugreifen und kann sich schon auf das nächste literarische Werk Singers freuen, der an einer großen Dokumentation über die Porsche 956 und 962 arbeitet. 

Thomas Nehlert

Norbert Singer – Porsche Rennsport 1970-2004 

Autoren: Norbert Singer, Wilfried Müller 
Verlag: Sportfahrer Verlag, Düren, 2020 
Format: Hardcover, 24 x 28 cm 
Umfang: 360 Seiten, etwa 460 Abbildungen 
Text: Deutsch Preis: € 59,-
 ISBN: 978-3-945390-06-1 
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com

Rezension Thomas Nehlert „Works Porsche 956 – The Definitive History“ - Autor: Serge Vanbockryck, Ultimate Series, Porter Press International, GB, 2019



Bei der Frage nach Porsches bekanntestem und legendärstem Rennwagen fällt einem zumeist erst einmal der Porsche 917 ein, der die Sportwagen-Weltmeisterschaft 1970 und 1971 dominierte und in der Turbo-Version anschließend die Konkurrenten in der CanAm Series das Fürchten lehrte. Aber tatsächlich gibt es eine Prototypen-Baureihe von Porsche, der einer sehr viel längeren Epoche ihren Stempel aufdrückte und die ohne Übertreibung als das erfolgreichste Fahrzeug in der Geschichte der Sportwagen-Rennen anzusehen ist – der Porsche 956 und der von ihm abgeleitete Porsche 962. Ist der Typ 917 in der Motor-Literatur mehr als ausreichend dokumentiert, so fehlt zum 956/962 trotz bereits mehrerer Publikationen bisher eine wirklich umfassende Beschreibung der Entwicklung und Rennhistorie. Diese Lücke dürfte mit dem opulenten Werk von Serge Vanbockryck nun für den 956 geschlossen sein. Allerdings bilden die beiden Bände aus dem Premium-Verlag Porter Press International nur den Anfang: noch 2020 soll ein vergleichbares zweibändiges Werk über den Porsche 962 folgen. Vanbockryck betitelt seine Bücher zutreffend als Darstellung der Entwicklung und der Renneinsätze der Werkswagen von Porsche; auf diesen liegt auch zweifellos der Schwerpunkt der Bände, aber tatsächlich werden auch die Aktivitäten der zahlreichen Kundenteams mit dem Porsche 956 gewürdigt.

Die beiden Bände sind in insgesamt neun Abschnitte mit 54 Kapiteln gegliedert. Nach einem Vorwort von Jürgen Barth erfolgt auf den ersten 130 Seiten in vier Kapiteln eine chronologische Beschreibung der Porsche-Motorsportgeschichte bis zum Jahr 1981. Schon hier wird deutlich, mit welcher Gründlichkeit der Autor recherchiert hat. Sowohl die technische Entwicklung als auch die von Porsche bestrittenen Rennen werden dokumentiert. Am Ende jedes Kapitels belegt Vanbockryck seine Erkenntnisse und Zitate mit der Angabe unzähliger Fundstellen. Richtigerweise erfolgt eine Beschränkung auf den Motorsport mit GT-Fahrzeugen, Sportwagen und Prototypen. Porsches Versuche in der Formel 2 und Formel 1 werden nur am Rande in Form einer Bildunterschrift gestreift.

Was im zweiten Abschnitt über drei Kapitel folgt, hat es in dieser Form in der PorscheLiteratur noch nicht gegeben. Die Entstehung des Porsche 956 wird in allen Entwicklungsschritten derartig detailliert beschrieben, dass sich der Leser wirklich viel Zeit gönnen sollte, um diese faszinierende Geschichte nachzuvollziehen. Das beginnt mit einer hervorragenden Analyse des Reglements der Gruppe C und der auf Grundlage dieses Regelwerks entstandenen Rennfahrzeuge auch außerhalb der Aktivitäten von Porsche. Der wesentliche Part dieses Abschnitts ist jedoch die Darstellung des Projekts 956 von der ersten Überlegung, über die Zeichnungen und Windkanalversuche am 1:5-Modell, die Erstellung erster Formen bis zur Umsetzung des Konzepts zu dem damals modernsten Rennsportwagen seiner Zeit. In nicht einmal einem Jahr war der 956 rennfertig, und Serge Vanbockryck hat jeden Schritt dorthin nachvollzogen – in ausführlicher Beschreibung und unter Zugrundelegung und fotografischer Reproduktion der einzelnen Modellformen, der aerodynamisch ausgefeilten Bodenstruktur des Ground Effect Fahrzeugs, zahlreicher Testprotokolle von den Testfahrten in Weissach und Le Castellet. Der 956 war nicht nur Porsches erster Ground-Effect-Rennwagen, sondern zugleich auch die erste MonocoqueKonstruktion des Zuffenhausener Unternehmens, in die in verschiedenen Bereichen neue Überlegungen und technische Lösungen einflossen. Die ingeniöse Leistung von Peter Falk, Horst Reitter, Eugen Kolb, Valentin Schäffer und vor allem Norbert Singer kann bis heute gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Beschreibung der Entstehung des 956 gewinnt auch dadurch besondere Authentizität, dass der Autor zahlreiche der Protagonisten zu Wort kommen lässt wie zum Beispiel Norbert Singer oder auch Jürgen Barth, der neben seiner Renn- und Versuchsfahrertätigkeit auch für den Kundensport verantwortlich war. Ein eigenes Kapitel widmet sich der Anfang der 1980er Jahre neu strukturierten und ausgebauten Rennabteilung von Porsche und der besonderen Bedeutung des Entwicklungszentrums mit angegliederter Teststrecke in Weissach. So bleibt wirklich kein Aspekt der Entstehung des 956 unberücksichtigt.

Die beiden folgenden großen Abschnitte haben die Renneinsätze des Porsche 956 in den Jahren 1982 und 1983 zum Gegenstand. Jedes einzelne Rennen, in dem die Werkswagen am Start waren, wird ausführlich beschrieben, wobei nicht nur auf den Rennverlauf eingegangen wird, sondern auch auf die jeweilige technische Weiterentwicklung des 956 und die Vorbereitung der Rennen. Da der Autor dafür nicht nur alle ihm im Werksarchiv zur Verfügung stehenden Quellen gesichtet und ausgewertet hat, sondern diese zum großen Teil in Ablichtungen reproduziert, erhält der Betrachter hier einen Einblick in die Fortschreibung einer Rennwagenentwicklung, wie er jedenfalls für einen Gruppe-CRennwagen bisher noch nicht möglich war. Es ginge zu weit, hier all die Konstruktionsdetails aufzuführen, die einer Betrachtung unterzogen werden; nur beispielhaft seien aber Elemente der Motorsteuerung, der Felgenkonstruktion, der Bremsen und ganz besonders der Aerodynamik erwähnt. Die Kapitel, die jedes Rennen für sich darstellen, schließen mit einer Ergebnistabelle ab.

 Der zweite Band beginnt mit einer vergleichbaren Dokumentation der Rennsaisons 1984 und 1985. Bemerkenswert ist – wie auch bei den Berichten zuvor – , dass zunächst auf die immer wieder geänderten Rahmenbedingungen des Reglements eingegangen wird. Da auch im Hinblick auf die amerikanische Sportwagenserie der IMSA Anpassungen des Regelwerks erfolgten, wurden die teilnehmenden Werke Jahr für Jahr vor neue Herausforderungen gestellt. Nicht zuletzt dieses teilweise sinnfreie Herumdoktern an den Regeln veranlasste Porsche 1984, dem Rennen in Le Mans werksseitig fernzubleiben. Deshalb findet sich in dem Buch, das die Werksaktivitäten mit dem 956 in den Mittelpunkt stellt, kein eigenes Kapitel über die 24 Stunden von Le Mans 1984, die das PorscheKundenteam Joest für sich entscheiden konnte.

Die Berichterstattung über die Rennen 1985 erscheint einem zunächst etwas knapp. Dies findet seine einfache und auch konsequente Erklärung darin, dass Porsche 1985 bereits mit dem Typ 962 als Nachfolger des 956 antrat. So werden die Läufe mit dem 956 genau dokumentiert, die Aktivitäten mit dem 962 aber wie auch die der Kundenteams nur kursorisch behandelt. Denn eine bis ins Detail gehende Aufarbeitung der Rennen mit dem 962 erfolgt in den mittelfristig zu erwartenden Büchern gleichen Formats über den 962. Am großen Erfolg des Porsche 956 waren nicht nur Porsches Ingenieure beteiligt, sondern auch zahlreiche bekannte Rennfahrer. Unter dem Kapitel-Titel „The People“ präsentiert der Autor deshalb sehr ausführliche Biografien nicht nur von Norbert Singer als führendem Ingenieur des Projekts und Roland Kussmaul als Renningenieur und Versuchsfahrer, sondern auch von elf Rennfahrern, die sich auf den Werkswagen von Porsche verdingt hatten.Das reicht von Jacky Ickx, Derek Bell, Jochen Mass und Hans-Joachim Stuck über Vern Schuppan, Stefan Bellof, Al Holbert, Jürgen Barth und Huley Haywood bis zu John Watson und Henri Toivonen. In diesem Zusammenhang ist es für den Autor selbstverständlich, dass er nicht nur die Einsätze der Piloten für Porsche würdigt, sondern im Text auf deren vollständige Karrieren eingeht. Jedes Fahrer-Kapitel schließt mit einer Statistik derer Rennen für Porsche.

Ein besonderer „Leckerbissen“ ist das 95seitige Kapitel, in dem alle gebauten 956 Chassis für Chassis mit ihrer Entwicklungs- und Rennhistorie aufgelistet sind. Keine Testfahrt, keine technische Veränderung, kein Rennen werden in dieser gewaltigen Statistik vergessen. Man kann sich kaum vorstellen, mit welchem Arbeitsaufwand und natürlich auch Begeisterung die Auswertung der für dieses Tabellenwerk erforderlichen Unterlagen im Werksarchiv von Porsche verbunden ist.

Der neunte Teil des zweibändigen Werks beleuchtet die Sponsor-Partnerschaft Porsches mit der Tabakmarke Rothmans und deren zusätzliche imageträchtige Umsetzung bei der filmischen Dokumentation der Werkseinsätze. Eine überaus informative und umfangreiche Bibliografie und ein vollständiger, sehr hilfreicher Index bilden den Abschluss des zweiten Bandes.

Die Texte von Serge Vanbockryck lesen sich – englische Sprachkenntnisse vorausgesetzt – hervorragend; sie sind von höchster Kompetenz, großer Begeisterung und beispielhafter Recherchearbeit geprägt. Die Illustration beider Bände ist grandios. Rund 830 Fotos von vortrefflicher Auswahl und bester Reproduktion auf edlem und schwerem Mattglanzpapier müssen den Leser einfach begeistern. Sie stammen aus vielen namhaften internationalen Archiven, zum großen Teil natürlich aus dem Historischen Archiv von Porsche, das die Erstellung dieser ohne Übertreibung als Grundlagenwerk zu bezeichnenden Publikation erkennbar unterstützt hat. Insbesondere die im Doppelseitenformat gehaltenen Rennaufnahmen sind ein optischer Genuss. Große Faszination geht auch von den Abbildungen aus der Entstehung des 956 aus, derartig zahlreiche technische Details aus der Entwicklung eines Rennwagens bekommt man nur sehr selten zu sehen. Die Bücher sind dem anspruchsvollen Preis entsprechend wunderbar verarbeitet – bestes Papier, eine solide Fadenbindung, ein hochwertiger Leineneinband mit einer um den Buchrücken herumgezogenen Ledereinfassung, das alles in einem festen Leinenschuber zum Schutz dieses kostbaren Lesestoffs.

"Works Porsche 956 – The Definitive History" ist nach einem Band über die Gruppe C Porsche des britischen Teams von John Fitzpatrick die zweite Ausgabe der neuen sehr edel gestalteten „Ultimate Books Series“ von Porter Press International Publishing. Wie bereits erwähnt folgt ein weiteres Opus über den Porsche 962, und in der Planung dieser Reihe sind noch Bücher über den Ferrari 250 GTO und den McLaren F1 GTR. Man kann diesen Veröffentlichungen nur mit Vorfreude entgegensehen.

Thomas Nehlert

Works Porsche 956 – The Definitive History (2 Bände im Schuber) 
Autor: Serge Vanbockryck 
Verlag: Porter Press International, GB, 2019 
Format: 2 Bände Hardcover mit Leineneinband im Leinenschuber, 25 x 35 cm 
Umfang: 800 Seiten, etwa 830 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: € 540,- 
ISBN: 978-1-907085-90-1 und 978-1-907085-98-7 
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com