#Norbert_Singer zählt zweifellos zu den bedeutendsten Ingenieuren in der Geschichte von
Porsche. Ohne ihn wäre die Erfolgsgeschichte des Unternehmens im Motorsport seit 1970
so nicht vorstellbar gewesen. Darüber hinaus dürfte er auch zu den beliebtesten
Konstrukteuren im Automobilsport gehören, denn welcher andere für die Konstruktion
erfolgreicher Rennwagen Verantwortliche hat schon einen eigenen Fan-Club in den USA!
Im Jahr 2019 feierte Singer seinen 80. Geburtstag, und das war für den Sportfahrer-Verlag
in Düren, der übrigens auch das renommierte Quartalsmagazin „Automobilsport“ verlegt,
ein willkommener Anlass, eine ausführliche Biografie über Norbert Singer zu präsentieren.
Der Band wird in der bekannten Edition des Porsche-Museums veröffentlicht und ist so
auch über den Museumsshop und alle Porsche-Niederlassungen zu beziehen.
Als Autor konnte neben Norbert Singer selbst auch Wilfried Müller gewonnen werden, der
sich u.a. durch Bücher über Walter Röhrl und Peter Falk einen Namen gemacht hat. Der
großformatige Band gliedert sich auf insgesamt 360 Seiten in 16 Kapitel, in denen die
Ingenieurskarriere Norbert Singers bei Porsche chronologisch dokumentiert wird. Zwei von
Zuneigung und Empathie geprägten Vorworten von Jacky Ickx und Jochen Mass folgt im
ersten Kapitel ein kurzer Abriss der Kindheit und Jugend Singers und seines Weges in die
Rennabteilung von Porsche Anfang 1970. Man muss heute schmunzeln, wenn man liest,
dass Norbert Singers Vater es sehr viel lieber gesehen hätte, wenn der „frisch gebackene“
Ingenieur seine Laufbahn bei Opel begonnen hätte; Porsche als damals recht kleines
Unternehmen der Auto-Industrie erschien ihm als Arbeitgeber nicht sicher genug . . .
Singer stieg 1970 direkt in das Programm mit dem Porsche 917 ein. In zwei Kapiteln hält
der Ingenieur Rückschau auf diese großartige Zeit der legendären Schlachten bei den
Langstreckenrennen, als dem 917 zwar kein gleichwertiger aber doch respektabler wenn
auch im Wesentlichen erfolgloser Konkurrent im Ferrari 512S erwachsen war. Ausführlich
wird auch Porsches absolut dominierender Einsatz in der CanAm Series mit den Typen
917/10 und 917/30 gewürdigt, bevor in drei Abschnitten die anschließende Epoche mit den
verschiedenen auf der Grundlage des 911 entstandenen Rennfahrzeugen Carrera RSR,
Carrera RSR Turbo und 935 Revue passiert.
Der Übergangszeit mit dem Porsche 936 und den Rennversionen des 924 folgte Anfang
der 1980er Jahre die Entwicklung des Porsche-Rennwagens, dessen Entstehung und
einzigartigen Erfolge ohne Norbert Singer schlicht nicht möglich gewesen wären:
zusammen mit anderen Porsche-Ingenieuren schuf er die Typen 956 und 962, die in
verschiedenen Ausbaustufen bis 1994 in den Rennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft
und bei den 24 Stunden von Le Mans anzutreffen waren. Bis ins Detail und mit einer durch
Singers Position bei Porsche bedingten einzigartigen Authentizität erhält der Leser einen
tiefen Blick hinter die Kulissen des Porsche-Motorsports in der Ära der Gruppe C und vor
allem natürlich auch einen Einblick in das technische Konzept und die Details des
956/962..
Zeitlich parallel lief bei Porsche auch das wenig erfolgreiche Indycar-Projekt 2708, auf das
ebenfalls eingegangen wird. Nach der Gruppe C war Singer dann maßgeblich am Aufbau
des von einem ursprünglich bei Tom Walkinshaw Racing projektierten Spyder der WSCKategorie beteiligt, der schließlich vom Joest-Team eingesetzt wurde und so zwei weitere
Le Mans Siege für Porsche einfuhr. Unter der Regie des Werks lief zur gleichen Zeit die
Entwicklung des 911 GT1, der zunächst für die BPR Serie und dann die GT1-
Meisterschaft einsatzbereit gemacht wurde. Auch an diesem bis 1998 laufenden Projekt
war Singer maßgeblich beteiligt. Es schloss sich die Planung für den lange geheim
gehaltenen Prototyp LMP2000 an, der leider nie zum Einsatz kam. Umso nachhaltiger
insbesondere für den amerikanischen Markt wirkte sich der Bau des überaus erfolgreichen
LMP2-Prototypen mit der Bezeichnung RS Spyder aus, der zwar später auch in Europa
zum Einsatz kam, in der American Le Mans Series aber sogar die übermächtigen LMP1-
Prototypen von Audi das Fürchten lehrte.
Die Biografie schließt mit einer Beschreibung des Porsche-Kundensports und der Rolle
Singers bei der Entwicklung der GT3-Varianten der 911-Baureihen. Schließlich geht der
Ingenieur noch auf seine Dozenten-Tätigkeit an der Hochschule Esslingen ein, die er von
2006 bis 2017 ausübte.
Dieses Buch ist wirklich eine wahre Fundgrube. Kaum jemand dürfte einen so tiefen
Einblick hinter die Kulissen der Sportwagenrennen gehabt haben wie Norbert Singer. Und
er gibt in dieser Autobiografie wirklich viel seines Wissen preis. So wird jeder Fan dieser
Sparte des Motorsports begeistert sein und so manche Erklärungen für Vorgänge
insbesondere aus der Zeit der Gruppe C finden, die ihm bisher verborgen geblieben
waren. Dabei analysiert Singer auch die Niederlagen, die Porsche ab und zu einstecken
musste, mit klarer Nüchternheit, ohne intern oder gar dem damaligen Konkurrenten
gegenüber Vorwürfe zu erheben. Der Ingenieur und sein Autor Wilfried Müller haben all
das in gut lesbare Texte gefasst und machen technische Entwicklungen und strategische
Überlegungen bei den Renneinsätzen auch für den unbefangenen Leser nachvollziehbar.
Mit über 450 Fotos ist der Band nicht nur überaus reichhaltig, sondern auch qualitativ
erstklassig illustriert. Die ausnahmslos bestens – teilweise im großen Format –
reproduzierten Bilder stammen aus namhaften Archiven und aus der privaten Sammlung
Norbert Singers. Den weitaus größten Teil der Ablichtungen steuert das Historische Archiv
von Porsche bei. Eindrücke aus Singers Jugend, Details der technischen Entwicklungen
und immer wieder Sequenzen von den Sportwagenrennen, denen Porsche häufig den
Stempel aufdrückte, lassen keinen Wunsch offen.
Wie von Publikationen des Sportfahrer Verlags gewohnt, ist das Buch auf hochwertigem
Papier gedruckt, in einem sehr attraktiven Layout gestaltet und hervorragend verarbeitet.
Wer sich für Norbert Singer, den Porsche-Motorsport und die Geschichte der SportwagenRennen interessiert, muss hier zugreifen und kann sich schon auf das nächste literarische
Werk Singers freuen, der an einer großen Dokumentation über die Porsche 956 und 962
arbeitet.
Thomas Nehlert
Norbert Singer – Porsche Rennsport 1970-2004
Autoren: Norbert Singer, Wilfried Müller
Verlag: Sportfahrer Verlag, Düren, 2020
Format: Hardcover, 24 x 28 cm
Umfang: 360 Seiten, etwa 460 Abbildungen
Text: Deutsch
Preis: € 59,-
ISBN: 978-3-945390-06-1
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com
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