Rezension Thomas Nehlert: "Enzo Ferrari - Power, Politics, and the Making of an Automotive Empire -" , Autor:Luca Dal Monte; David Bull Publishing, Arizona, 2018;

Es gibt weit über 1000 Buchtitel zum Thema "Ferrari". Auch die Anzahl der Biografien über Enzo Ferrari ist beachtlich. Da sind zunächst einmal die zahlreichen unterschiedlichen Ausgaben der Auto-Biografie, die Enzo Ferrari erstmals im Jahr 1962 unter dem vielsagenden Titel "le mio gioie terribili" herausbrachte, 1964 vom damaligen Verlag "Moderne Industrie" in München auch auf Deutsch präsentiert. Nach sechs Auflagen wechselte der Titel im März 1970 in "le briglie del successo", bevor im Jahr 1974 das sogenannte "Red Book" erschien - eine großformatige und reichhaltig illustrierte Neuauflage, die sich zu einem sehr raren Sammlerstück entwickelte, da sie nur an einen ausgewählten Kunden- und Freundeskreis verschenkt wurde. 1976 verfasste Enzo Ferrari unter dem Titel "il flobert" ein sehr unterhaltsames Buch über italienische Motor-Journalisten, mit denen ihn eine wahre Hassliebe verband. 1979 und 1980 folgten zwei Neuauflagen seiner Erinnerungen mit der Bezeichnung "Ferrari 80", bevor der Prachtband "piloti che gente . . ." das schriftstellerische Werk Enzo Ferraris 1983 krönte. Neben der gesuchten OriginalWerksausgabe mit 360 Seiten gab es nach und nach deutsche und englische Editionen und - schließlich in fünfter Auflage - eine stark erweiterte 500 Seiten dicke Fassung. Der Schwerpunkt der Ausführungen Enzo Ferraris lag, wie der Titel verrät, auf den Rennfahrern, mit denen er im Laufe seines Lebens Kontakt hatte. 1998 schob Giorgio Nada Editore noch einen großformatigen Bildband über Enzo Ferrari nach; in "Enzo Ferrari - una vita per l'automobile" waren die teilweise aus Ferraris Privatarchiv stammenden Fotos mit von dem Commendatore seinerzeit verfassten Bildunterschriften versehen.

Diese autobiografischen Bände sind - glücklich und gewollt - durch die subjektive Sicht des Commendatore geprägt. Selbstverständlich aber haben sich auch mehrere Autoren mit dem Leben des großen Italieners befasst. Hervorzuheben ist insoweit der 1988 publizierte Band "Ferrari - l'Unico" von Gino Rancati (auch auf Deutsch und Englisch verlegt), einem italienischen Journalisten, den eine tiefe Freundschaft mit Ferrari verband und der deshalb auch einen fast intimen Einblick in das Leben Ferraris hatte. Gleiches gilt für den großformatigen Band von Ferraris langjährigem Pressesprecher und Vertrauten Franco Gozzi "Memoirs of Enzo Ferrari's Lieutenant" von 2002. Durch eine journalistische Distanz objektiver ist die Biografie von Richard Williams "Enzo Ferrari" aus dem Jahr 2001. Ein wirklich nicht empfehlenswertes Machwerk, das das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt wurde, ist der Band "Enzo Ferrari - the Man, the Cars, the Races" von Brock Yates aus dem Jahr 1991. Yates, ein inzwischen verstorbener früherer Chefredakteur der Zeitschrift "Car&Driver", hatte zwar durchaus eingehend recherchiert, wurde dann aber von seinem Ferrari-Hass getrieben und erging sich in einer teilweise weit unter der Gürtellinie liegenden Verbreitung von Gerüchten und Vermutungen. Das ist keine sachliche Kritik an der sicher zuweilen polarisierenden Persönlichkeit Ferraris, sondern eine blanke Schmähschrift.

Diese - sicherlich unvollständige - Darstellung der früheren Literatur über Enzo Ferrari verdeutlicht, dass es bisher wirklich noch keine erschöpfende, auch hohen Anforderungen entsprechende und im Rahmen sachlich-kritischer Würdigung auch faire Biografie über den Gründer des berühmtesten Rennwagenunternehmens der Welt gibt. Das hat sich mit dem Erscheinen des rund 1000seitigen Buchs von Luca Dal Monte gründlich geändert !

Luca Dal Monte, 1963 geboren, mit Hochschulabschluss an der Universität von Kentucky, war im Bereich der Presse-Kommunikation bei Peugeot, Toyota, Pirelli, Ferrari und Maserati sowohl länger in den USA als auch in Italien tätig. Er hat bisher rund zehn Bücher zu Themen des Motorsports verfasst, unter anderem auch den Roman "La Scuderia", für den die Geschichte der Scuderia Ferrari in den 1930er Jahren die Vorlage geliefert hatte. Nun hat Dal Monte über zehn Jahre recherchiert, unzählige Quellen aufgetan und gesichtet und zahlreiche Zeitzeugen interviewt, um diese gigantische Biografie über Enzo Ferrari zu erstellen, die 2016 unter dem Titel "Ferrari Rex" im Verlag Giorgio Nada Editore in italienischer Sprache erschienen ist. Im Frühjahr 2018 hat das renommierte amerikanische Verlagshaus David Bull Publishing die englischsprachige Version herausgebracht.

Um es vorwegzunehmen: Das ist das Standardwerk über das Leben Enzo Ferraris, das die bisher vorhandene Literatur zwar nicht überflüssig macht, aber doch ausnahmslos in den Schatten stellt. 1032 Seiten, 40 Seiten Index und nicht weniger als 2636 Fußnoten als Quellenverweise verdeutlichen, mit welch wissenschaftlicher Akribie hier gearbeitet worden ist. Einem Vorwort von Luca di Montezemolo schließen sich 48 Kapitel an, in denen das Leben Enzo Ferraris von der Geburt am 18. Februar 1898 bis zum Tod am 14. August 1988 chronologisch und bis ins Detail nachvollzogen wird. Ein Post Scriptum zeigt in knapper Form auf, welche motorsportlichen Erfolge das Unternehmen Ferrari nach dem Tod des Firmengründers erzielt hat und wie wirtschaftlich solide sich das Ferrari-Werk heute präsentiert.

Schon im ersten Kapitel räumt Luca Dal Monte mit der Legende auf, ein schwerer Schneesturm in Modena im Februar 1898 hätte die taggenaue Registrierung der Geburt Enzo Ferraris am 18. Februar verhindert - zu dieser Zeit lag in Modena kein Flocke Schnee. Genau beschreibt der Autor die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Norditalien zur Jahrhundertwende, schildert die ersten Kontakte des jungen Enzo mit dem Automobil und dem Automobilsport, der ihn sofort in seinen Bann zog. Kindheit und Jugend Ferraris, seine Bindungen an das Elternhaus, der frühe Verlust von Bruder und Vater und sein Weg in die Selbständigkeit schon in jungen Jahren werden bis ins Detail dokumentiert. Nach dem ersten Weltkrieg knüpfte der schon damals überaus eloquente und zielstrebige Italiener wesentliche Kontakte zu Ingenieuren und auch Rennfahrern in Turin. Im Alter von 26 Jahren hatte er seinen ersten eigenen Betrieb auf die Beine gestellt, der sich mit dem Aufbau von Karosserien auf vorgefertigten Chassis beschäftigte. Wenngleich sein Unternehmen "Carrozzeria Emilia" schlussendlich in die Liquidation ging, so war diese schmerzhafte Erfahrung für Ferrari doch mehr als lehrreich. Parallel startete er eine Karriere als Rennfahrer, in der ihm auf den Fahrzeugen von CMN und insbesondere Alfa Romeo durchaus beachtliche Erfolge auf italienischen Rennstrecken bis hin zur Targa Florio beschieden waren.

Genau beleuchtet Dal Monte die Gründung und den Aufbau von Ferraris eigenem Rennstall, der "Scuderia Ferrari" im Jahre 1929 sowie die Hintergründe seines vorübergehenden Rücktritts als Rennfahrer. Ursprünglich hatte Ferrari die Absicht, seine Scuderia nach seiner Heimatstadt Modena mit deren lateinischem Namen "Mutina" zu benennen, rang sich dann aber doch zu der Verwendung des eigenen Familiennamens durch. Die Scuderia Ferrari setzte zunächst parallel zum Alfa-Werk Rennfahrzeuge von Alfa Romeo ein, bevor sie nach dem werksseitigen Rückzug von Alfa quasi zum Werksrennstall des italienischen Unternehmens aufstieg. Zu allen großen italienischen Rennfahrern - Campari, Antonio Ascari, Varzi und vor allem Tazio Nuvolari - hatte Enzo Ferrari enge Verbindungen, viele von ihnen fuhren zeitweise für seinen Rennstall. Gleiches galt für die großen Ingenieure wie Bazzi, Jano und deutlich später Lampredi und Colombo. 1939 erfolgten die schmerzhafte Trennung von Alfa Romeo und der Übergang der Scuderia Ferrari zu einem vollkommen unabhängigen Rennstall, der fortan in Konkurrenz zu Alfa stand.

Das ständige Auf und Ab, die Überwindung von Krisen und Niederlagen, der von brennender Begeisterung getragene Kampf um die Vorherrschaft auf den Rennstrecken und die mit diesem Bestreben verbundenen Auseinandersetzungen mit den Ferrari umgebenden Menschen beschreibt Luca Dal Monte haarklein und belegt seine Ausführungen stets durch Zitate und Quellenangaben. Dabei spart er das außerhalb des Lebens als Rennfahrer und Unternehmer gelegene Geschehen nicht aus. Er verdeutlicht, dass Enzo Ferrari sehr gut in der Lage war, mit den jeweiligen politischen Strömungen zu spielen und diese zum Nutzen seines Unternehmens einzusetzen. Insoweit ähnelte er Ferdinand Porsche, der wie Ferrari an sich ein unpolitischer Mensch war, aber die Bedeutung politischer Beziehungen sehr wohl erkannt und genutzt hatte. Bis ins hohe Alter pflegte Ferrari einen sehr geschickten Umgang mit den Gewerkschaften und erreichte es so, dass sein Werk von den in Italien doch häufigen Streiks nur sehr eingeschränkt betroffen war.

Ein weiterer Fixpunkt im Leben Ferraris war sein Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Auch da war er ein Getriebener. Ferrari und die Frauen - allein das würde ein ganzes Buch füllen. Mit Laura war er seit April 1923 verheiratet, und die Ehe hatte bis zum Tod seiner Frau 1978 Bestand. Allerdings war das Verhältnis schon früh durch ein psychisches Leiden Lauras beeinträchtigt. So sehr Enzo bemüht war, ein geordnetes Eheleben aufrechtzuerhalten, so sehr ging er doch seiner Neigung nach, Verbindungen zu anderen Frauen aufzunehmen. Es ist erstaunlich, wie viele Erkenntnisse der Autor auch in diesem Zusammenhang zusammengetragen hat. Es entsteht so ein sehr vielschichtiges und - für manchen Leser - auch zwiespältiges Bild von Enzo Ferrari. Mit seiner Ehefrau hatte Enzo seinen 1932 geborenen Sohn Alfredo, genannt Dino; aus der Beziehung mit Lina Lardi ging 1945 sein zweiter Sohn Piero hervor.

Dino litt seiner Geburt an einer schweren Erkrankung aus der Gruppe der Muskeldystrophien, die nach langem Leiden 1956 zu seinem frühen Tod führte. Der Tod Dinos, der der Leidenschaft seines Vaters für den Rennsport und insbesondere die Konstruktion von Rennmotoren gefolgt war, stellte für Enzo Ferrari den schmerzhaftesten Verlust seines Lebens dar, über den er bis zu seinem eigenen Tod nie hinweggekommen ist.

Nach dem zweiten Weltkrieg trat Ferrari mit seinem Rennteam in der neu geschaffenen Formel-1-Weltmeisterschaft und bei den großen Sportwagenrennen, die stets seine besondere Leidenschaft waren, an. Zuvor hatte er seinen ersten in voller Eigenverantwortung hergestellten Sportwagen vorgestellt. Der Typ "815" trug noch nicht den Namen Ferrari, allerdings schon wie in den Jahrzehnten zuvor die Rennfahrzeuge der Scuderia Ferrari das Zeichen des springenden Pferdes im Wappen. Natürlich gibt Dal Monte auch eine genaue Darstellung der Herkunft und Verwendung dieses Markenzeichens, das der italienische Kampfflieger Francesco Baracca auf seinem Flugzeug im ersten Weltkrieg angebracht hatte.

Der Aufstieg Ferraris zur Weltmarke - sei es als Produzent der namhaftesten Hochleistungssportwagen, sei es als erfolgreichstes Unternehmen im Automobilsport - füllt rund 500 Seiten in dem Buch Dal Montes. Dabei stehen - bei einer Biografie nachvollziehbar - weniger technische Details im Vordergrund als vielmehr die Leistungen Enzo Ferraris. Sein Umgang mit Ingenieuren, Rennfahrern, Konkurrenten, Kunden und Journalisten wird detailreich wiedergegeben und analysiert. Wenngleich Ferrari zahlreiche Auszeichnungen und Orden aus dem technisch-universitären Bereich zuteil wurden, so war er selbst doch kein gelernter Ingenieur und Konstrukteur, sondern ein unübertroffener Organisator und Motivator, der die zum Erfolg erforderlichen Menschen zusammenbrachte und zu Höchstleistungen antrieb. Sein gigantisches Lebenswerk war das Ergebnis dieser Fähigkeiten. Dass sein Verhalten gegenüber anderen dabei ausschließlich im Unternehmensinteresse lag, aber im Einzelfall durchaus Anlass zu Kritik bot, nahm er in Kauf. Er war ein Meister des geschliffenen Wortes und verstand es, z.B. auf den von ihm regelmäßig einberufenen Pressekonferenzen Verbündete verbal in den Himmel zu heben, in Missgunst geratene Personen jedoch durch bloße Nichterwähnung oder zunächst belanglos klingende Floskeln abzukanzeln. Sein besonderes Verhältnis zur Presse war kein Zufall. Er selbst betätigte sich nur zu gerne beim Verfassen von Büchern und Entwerfen von Presseerklärungen, war er doch schon in jungen Jahren, einer seiner beruflichen Neigungen folgend, als Sportjournalist aktiv gewesen.

Enzo Ferrari war - bedingt durch leidvolle persönliche Erfahrungen - auch ein karitativer Mensch. Mit hohem finanziellen Aufwand rief er eine Ingenieursschule ins Leben und unterstützte den Bau und den Unterhalt gesundheitlicher Einrichtungen in seiner Heimat, insbesondere aber die medizinische Forschung auf dem Gebiet der Muskelerkrankungen.

Der Autor geht an mehreren Stellen auf Enzo Ferraris Verhältnis zum Tod ein. Der Verlust Dinos steht dabei im Vordergrund, aber auch das Sterben zahlreicher Rennfahrer in seinen Wagen versetzte den großen Italiener immer wieder in Trauer aber auch Ratlosigkeit. Insbesondere im Zusammenhang mit einem Unfall bei der letzten Mille Miglia 1957, bei dem auch Zuschauer zu Tode kamen, sah sich Ferrari schweren Vorwürfen durch Politik, Justiz und Kirche ausgesetzt, die sich im Ergebnis aber als haltlos erwiesen. So war auch das Verhältnis des katholisch getauften Ferrari zu Kirche und Religion sehr zwiespältig, hier fand er wohl erst mit dem Besuch des Papstes 1988 seinen Frieden. Ferrari war zu krank, um Johannes Paul II. persönlich zu empfangen, konnte aber zumindest einen telefonischen Kontakt mit ihm halten.

Mehrere Kapitel beschreiben die letzten Jahre Ferraris, seinen auch dann noch unverminderten Einsatz für sein Rennteam, seine immer wieder aufkeimenden Zweifel an der 1969 eingegangenen und die Existenz seines Unternehmens gewährleistenden Partnerschaft mit dem Fiat-Konzern, sein Wunsch, sein Lebenswerk auch über seinen Tod hinaus zu sichern. Seinen 90. und letzten Geburtstag feierte er, so wie er es ausdrücklich gewünscht hatte, bei einem Mittagessen mit all seinen 1742 Arbeitern, bei denen er sich für ihre Arbeit bedankte und sich - seiner Ahnung entsprechend für immer - verabschiedete. Und schließlich werden auch die letzten Tage im Leben des "Grande Vecchio" auf sehr berührende Weise dargestellt. Das kurze Post Scriptum verdeutlicht, dass das Unternehmen Ferrari heute tatsächlich so gesund dasteht, dass es kaum eine Übertreibung ist, von der Unsterblichkeit des Lebenswerks Enzo Ferraris zu sprechen.

Was erhebt nun diese Biografie über Enzo Ferrari über alle anderen Bände zu diesem Thema? Zum einen ist es die schiere Vielzahl von Informationen und Fakten, die hier zusammengetragen worden ist. Alles ist belegt, der Autor ergeht sich nicht in Vermutungen oder gar in der Wiedergabe von Gerüchten. Erstmals werden bisher unbekannte Hintergründe erhellt. Es bleibt kein Aspekt, keine Facette des Lebens Ferraris unberücksichtigt. In der chronologischen Lebensbeschreibung sind derartig viele Details festgehalten, dass man fast den Eindruck einer Tagebuchaufzeichnung hat. Fast alle wesentlichen Kontakte aus dem Privaten und dem Beruflichen sind aufgezeichnet - Familienmitglieder, Geliebte, Rennfahrer, Ingenieure, Journalisten, Manager. Allein eine Liste dieser Namen von 1898 bis 1988 würde Seiten füllen. Zum anderen sind es die Herangehensweise an das Thema "Enzo Ferrari" und die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse durch den Autor. Machen wir uns nichts vor: Wer sich mit Enzo Ferrari befasst und dabei nicht zumindest Respekt und Bewunderung verspürt, kann nur ein Ignorant sein. Deshalb muss man beim Beschreiben von Ferraris Lebenswerk stets der Gefahr einer einseitigen "Hofberichterstattung" entgegenwirken. Dies ist Dal Monte hervorragend gelungen. Er stellt das Leben von Enzo Ferrari objektiv dar - voller Begeisterung, Respekt und Verständnis; aber er gibt auch Kritik dort wieder, wo es angebracht ist, zeigt auch die Kehrseite des erfolgreichen und zuweilen auch streitbaren Unternehmers und Strategen im Umgang mit Menschen auf. Dal Monte macht sich zwar manche Kritik zu eigen, aber er verurteilt nicht, er dokumentiert. Wurde Ferrari in bisherigen Publikationen, die ausnahmslos nicht diese inhaltliche Tiefe hatten, wegen des Verhaltens gegenüber seiner Ehefrau schwer angegriffen, belegt Dal Monte beispielhaft, wie die Entwicklung einer Ehe zu zwei parallelen aber mitnichten harmonischen Lebensläufen nicht das Ergebnis des Verhaltens nur einer der beteiligten Personen gewesen ist.

Ob etwas in dem Buch fehlt? Nun, da wirklich sehr genau Jahr für Jahr auf die Erfolge und Misserfolge Ferraris eingegangen wird, hätte ich mir eine knappe Würdigung der Internationalen Markenmeisterschaft für GT-Fahrzeuge über 2 Liter Hubraum 1964 gewünscht, als die Ferrari 250 GTO den Titel denkbar knapp vor den Shelby-Cobra holten, wobei die Streichung des drittletzten Rennens in Monza aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die zu Recht nicht erfolgte Homologation des Ferrari 250 LM als GT eventuell nicht ohne Bedeutung für dieses Ergebnis war. Gerade weil Enzo Ferrari die Langstreckenrennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft so wichtig waren, hätte auch eine Beschreibung des Kampfes der Ferrari 512 S gegen die unschlagbar erscheinenden Porsche 917 im Jahr 1970 nicht schaden können. Schließlich bezeichnet eine Bildunterschrift Ricardo Rodriguez irrtümlich als Pedro Rodriguez, und in der Übersetzung vom Italienischen ins Englische hat sich bei der Beschreibung des Ferrari 330 P ein Fehler eingeschlichen, denn dieser Prototyp hatte, wie in der italienischen Ausgabe richtig wiedergegeben, vier und nicht, wie in der englischsprachigen Edition vermerkt, drei Liter Hubraum. Aber all dies sind wirklich nur unbeachtliche Kleinigkeiten, die der Gesamtleistung bei der Erstellung der Biografie keinerlei Abbruch tun.

Und noch etwas: diese Biografie ist kein Bilderbuch. Zwar werden auf 64 Bildseiten insgesamt 133 Fotos reproduziert, die sehr gut ausgewählt und durchaus repräsentativ für den Lebensweg Enzo Ferraris sind, aber das ist ein "Lesebuch", das man notwendigerweise konzentriert und dennoch mit ungebrochener Begeisterung verschlingt. Wer sich mehr Abbildungen aus dem Leben Ferraris wünscht, dem sei als Ergänzung der oben bereits erwähnte herrliche Bildband "Enzo Ferrari – una vita per l'automobile" aus dem Verlagshaus Giorgio Nada empfohlen.

Ich persönlich frage mich, wie begeistert wäre Enzo Ferrari gewesen, hätte er die von Michael Schumacher auf den roten Rennwagen gewonnenen fünf Weltmeistertitel in Folge erleben können – eine Siegesserie seiner Rennwagen, wie sie Ferrari zu seinen Lebzeiten nicht vergönnt gewesen war. Und wie stolz wäre er, wenn er heute sehen könnte, welch moderne, hochproduktive und weltweit als beispielhaft geltende Fabrik sein Unternehmen nicht zuletzt durch die Leistungen des von ihm selbst so hoch geschätzten Luca di Montezemolo geworden ist!

Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Das Buch von Luca Dal Monte ist nicht nur die eindeutig beste und abschließende Biografie über Enzo Ferrari, sondern unter den über 1000 Titeln zum Thema "Ferrari" eine weit herausragende Veröffentlichung - eine Pflichtlektüre für alle Automobil-Enthusiasten und erst recht für alle Ferraristi !

Thomas Nehlert

Enzo Ferrari - Power, Politics, and the Making of an Automotive Empire - 

Autor: Luca Dal Monte
Verlag: David Bull Publishing, Phoenix AZ, 2018 
Format und Umfang: Hardcover, 15,5 x 23,5 cm, 1032 Seiten, 133 Abbildungen, 
Text: Englisch Preis: € 42,50
ISBN: 978 1 935007 28 9

Rezension Thomas Nehlert: „Lang Cooper 97“, Autor Ed Heuvink, McKlein Publishing Köln, 2018

Die Sportwagenrennen in Nordamerika waren in der ersten Hälfte der 1960er Jahre durch eine enorme Vielfalt an Teilnehmern, Wertungsklassen und Rennen gekennzeichnet. Carroll Shelby hatte begonnen, mit der aus dem englischen AC Cobra entwickelten Shelby-Cobra die große GT-Klasse zu beherrschen und auch auf internationaler Ebene die Ferrari GTO das Fürchten zu lehren. Allerdings war nicht einmal das Shelby Cobra Daytona-Coupé in der Lage, gegen die zweisitzigen Rennwagen der damaligen Gruppe 7 Gesamtsiege einzufahren. Shelby griff deshalb auf das Chassis des zweisitzigen britischen Cooper Monaco zurück und stattete das Fahrzeug mit einem gewaltigen Ford V8-Motor aus. Mit dem vielversprechenden Nachwuchstalent Dave McDonald am Steuer konnte dieses als "King Cobra" bezeichnete Rennfahrzeug 1963 einige Erfolge verbuchen.

Wenn auch Ford werksseitig 1964 mit dem legendären Ford GT bei den großen Langstreckenrennen antrat und obwohl Carroll Shelby auch in dieses Großprojekt des amerikanischen Konzerns miteingebunden war, hielt er dennoch sowohl an den Einsätzen der Shelby Cobra in der GT-Weltmeisterschaft als auch an seinem Engagement in der amerikanischen Gruppe 7 fest. Ein Freund von Dave McDonald, der überaus vermögende Craig Lang, finanzierte die Entwicklung eines neuen Gruppe-7-Rennwagens. Auf der Grundlage eines neuen Cooper-Chassis mit der Nummer CM/1/64 entstand der Lang Cooper mit der Startnummer 97, der durch seine leuchtende orangefarbene Lackierung, der Lieblingsfarbe Craig Langs, auffiel. Drei Mal trat McDonald 1964 mit diesem Lang Cooper an und konnte ein Sportwagenrennen in Phoenix, Arizona, gewinnen. Im vierten Rennen auf dem Kent Pacific Raceway zerstörte Bob Holbert den Wagen schon im Training. Dave McDonald kam durch einen Unfall bei den 500 Meilen von Indianapolis ums Leben.

Carroll Shelby und Craig Lang gaben nicht auf: In kurzer Zeit wurde das zerstörte Fahrzeug durch ein neues aus England importiertes Cooper-Chassis ersetzt. Für die Karosserie auf diesem Cooper T61 zeichnete Peter Brock verantwortlich, der schon als Vater des Daytona Coupés galt. Es entstand ein atemberaubend schöner Rennsportwagen, der aufgrund der andauernden Finanzierung durch Craig Lang den Namen Lang Cooper II erhielt. Der Wagen wurde 1964 noch bei zwei Rennen von Ed Leslie und bei einem Rennen auf Hawai von Craig Lang selbst zu einem Sieg gesteuert. 1965 schied Carroll Shelby aus diesem Projekt aus, der Lang Cooper erhielt statt des Ford-Motors ein über 500 PS starkes Chevrolet-Triebwerk. Mit Charlie Hayes als Rennfahrer nahm der Lang Cooper II 1965 an sechs Rennen teil, errang aber nur einen achten und einen sechsten Rang. Das letzte Rennen mit dem Lang Cooper II bestritt Skip Scott im Oktober 1965 in Laguna Seca und kam dort auf den 14. Platz. Damit endete die Rennhistorie des Lang Cooper mit der Startnummer 97, bevor 1966 die CanAm-Series ins Leben gerufen wurde.

Der Lang Cooper II wurde verkauft und wanderte im Laufe der Zeit durch mehrere Hände, bevor er schließlich in der Sammlung von Claude Nahum in der Schweiz eine neue Heimstatt fand und in blendend restauriertem Zustand bei Veranstaltungen des Historischen Motorsports eingesetzt wird. 

Im vierten Band über Fahrzeuge aus der Nahum-Collection des Verlages McKlein Publishing in Köln wird die Geschichte des Lang Cooper bis ins Detail nachgezeichnet. Der Autor Ed Heuvink, bekannt durch zahlreiche Motorsportbücher, hat eingehend recherchiert und faszinierende Einzelheiten über die Entwicklung des Fahrzeugs und die mit ihr befassten Menschen zusammengetragen. In acht Kapiteln spannt sich der Bogen von der „Cooper Car Company“ über die verschiedenen Sportwagenrennserien der USA inden 1960er Jahren, Carroll Shelby mit seiner „King Cobra“ und den ersten Lang Cooper des Jahres 1964 bis zum Lang Cooper II, dessen Konstruktion und Renngeschichte sowie seinen Wiederaufbau. Eine Rennstatistik der Jahre 1964/1965 und eine Darstellung aller am Lang-Cooper-Projekt beteiligten Personen runden dieses edel gestaltete und hervorragend verarbeitete Buch ab.

Die Illustration des großformatigen Bandes ist mit rund 250 Abbildungen nicht nur reichhaltig, sondern sowohl von der Motivauswahl als auch von der Wiedergabequalität hervorragend. Herrliche Rennaufnahmen, Fotos technischer Details und Porträts der Fahrer und Techniker wechseln einander ab. Zum größten Teil dürften die Bilder hier erstmals veröffentlicht sein. Sie stammen aus zahlreichen Archiven, sowohl aus den großen namhaften Kollektionen als auch aus Privatsammlungen.

Natürlich ist der Lang Cooper ein recht ausgefallenes Thema, das nicht jedem Motorsport-Fan gleich präsent sein dürfte; für den Enthusiasten der Sportwagenrennen der 1960er Jahre aber ist dieses in englischer Sprache verfasste Werk ein wahrer Leckerbissen. 

Thomas Nehlert

Lang Cooper 97 – Peter Brock's Group 7 USRRC sports car

Autor: Ed Heuvink
Verlag: McKlein Publishing, Köln, 2018
Format und Umfang: Hardcover im Schuber, 29 x 29 cm, 158 Seiten, über 250 Fotos
Text: Englisch 
Preis: € 79,90, Limitierung auf 999 Exemplare 
Vertrieb: RacingWebShop.com
ISBN: 978-3-947156-01-6