Es gibt weit über 1000 Buchtitel zum Thema "Ferrari". Auch die Anzahl der Biografien über
Enzo Ferrari ist beachtlich.
Da sind zunächst einmal die zahlreichen unterschiedlichen Ausgaben der Auto-Biografie,
die Enzo Ferrari erstmals im Jahr 1962 unter dem vielsagenden Titel "le mio gioie terribili"
herausbrachte, 1964 vom damaligen Verlag "Moderne Industrie" in München auch auf
Deutsch präsentiert. Nach sechs Auflagen wechselte der Titel im März 1970 in "le briglie
del successo", bevor im Jahr 1974 das sogenannte "Red Book" erschien - eine
großformatige und reichhaltig illustrierte Neuauflage, die sich zu einem sehr raren
Sammlerstück entwickelte, da sie nur an einen ausgewählten Kunden- und Freundeskreis
verschenkt wurde. 1976 verfasste Enzo Ferrari unter dem Titel "il flobert" ein sehr
unterhaltsames Buch über italienische Motor-Journalisten, mit denen ihn eine wahre
Hassliebe verband. 1979 und 1980 folgten zwei Neuauflagen seiner Erinnerungen mit der
Bezeichnung "Ferrari 80", bevor der Prachtband "piloti che gente . . ." das
schriftstellerische Werk Enzo Ferraris 1983 krönte. Neben der gesuchten OriginalWerksausgabe
mit 360 Seiten gab es nach und nach deutsche und englische Editionen
und - schließlich in fünfter Auflage - eine stark erweiterte 500 Seiten dicke Fassung. Der
Schwerpunkt der Ausführungen Enzo Ferraris lag, wie der Titel verrät, auf den
Rennfahrern, mit denen er im Laufe seines Lebens Kontakt hatte. 1998 schob Giorgio
Nada Editore noch einen großformatigen Bildband über Enzo Ferrari nach; in "Enzo
Ferrari - una vita per l'automobile" waren die teilweise aus Ferraris Privatarchiv
stammenden Fotos mit von dem Commendatore seinerzeit verfassten Bildunterschriften
versehen.
Diese autobiografischen Bände sind - glücklich und gewollt - durch die subjektive Sicht
des Commendatore geprägt. Selbstverständlich aber haben sich auch mehrere Autoren
mit dem Leben des großen Italieners befasst. Hervorzuheben ist insoweit der 1988
publizierte Band "Ferrari - l'Unico" von Gino Rancati (auch auf Deutsch und Englisch
verlegt), einem italienischen Journalisten, den eine tiefe Freundschaft mit Ferrari verband
und der deshalb auch einen fast intimen Einblick in das Leben Ferraris hatte. Gleiches gilt
für den großformatigen Band von Ferraris langjährigem Pressesprecher und Vertrauten
Franco Gozzi "Memoirs of Enzo Ferrari's Lieutenant" von 2002. Durch eine journalistische
Distanz objektiver ist die Biografie von Richard Williams "Enzo Ferrari" aus dem Jahr
2001. Ein wirklich nicht empfehlenswertes Machwerk, das das Papier nicht wert ist, auf
dem es gedruckt wurde, ist der Band "Enzo Ferrari - the Man, the Cars, the Races" von
Brock Yates aus dem Jahr 1991. Yates, ein inzwischen verstorbener früherer
Chefredakteur der Zeitschrift "Car&Driver", hatte zwar durchaus eingehend recherchiert,
wurde dann aber von seinem Ferrari-Hass getrieben und erging sich in einer teilweise weit
unter der Gürtellinie liegenden Verbreitung von Gerüchten und Vermutungen. Das ist keine
sachliche Kritik an der sicher zuweilen polarisierenden Persönlichkeit Ferraris, sondern
eine blanke Schmähschrift.
Diese - sicherlich unvollständige - Darstellung der früheren Literatur über Enzo Ferrari
verdeutlicht, dass es bisher wirklich noch keine erschöpfende, auch hohen Anforderungen
entsprechende und im Rahmen sachlich-kritischer Würdigung auch faire Biografie über
den Gründer des berühmtesten Rennwagenunternehmens der Welt gibt. Das hat sich mit
dem Erscheinen des rund 1000seitigen Buchs von Luca Dal Monte gründlich geändert !
Luca Dal Monte, 1963 geboren, mit Hochschulabschluss an der Universität von Kentucky,
war im Bereich der Presse-Kommunikation bei Peugeot, Toyota, Pirelli, Ferrari und
Maserati sowohl länger in den USA als auch in Italien tätig. Er hat bisher rund zehn Bücher
zu Themen des Motorsports verfasst, unter anderem auch den Roman "La Scuderia", für
den die Geschichte der Scuderia Ferrari in den 1930er Jahren die Vorlage geliefert hatte.
Nun hat Dal Monte über zehn Jahre recherchiert, unzählige Quellen aufgetan und
gesichtet und zahlreiche Zeitzeugen interviewt, um diese gigantische Biografie über Enzo
Ferrari zu erstellen, die 2016 unter dem Titel "Ferrari Rex" im Verlag Giorgio Nada Editore
in italienischer Sprache erschienen ist. Im Frühjahr 2018 hat das renommierte
amerikanische Verlagshaus David Bull Publishing die englischsprachige Version
herausgebracht.
Um es vorwegzunehmen: Das ist das Standardwerk über das Leben Enzo Ferraris, das
die bisher vorhandene Literatur zwar nicht überflüssig macht, aber doch ausnahmslos in
den Schatten stellt. 1032 Seiten, 40 Seiten Index und nicht weniger als 2636 Fußnoten als
Quellenverweise verdeutlichen, mit welch wissenschaftlicher Akribie hier gearbeitet
worden ist. Einem Vorwort von Luca di Montezemolo schließen sich 48 Kapitel an, in
denen das Leben Enzo Ferraris von der Geburt am 18. Februar 1898 bis zum Tod am 14.
August 1988 chronologisch und bis ins Detail nachvollzogen wird. Ein Post Scriptum zeigt
in knapper Form auf, welche motorsportlichen Erfolge das Unternehmen Ferrari nach dem
Tod des Firmengründers erzielt hat und wie wirtschaftlich solide sich das Ferrari-Werk
heute präsentiert.
Schon im ersten Kapitel räumt Luca Dal Monte mit der Legende auf, ein schwerer
Schneesturm in Modena im Februar 1898 hätte die taggenaue Registrierung der Geburt
Enzo Ferraris am 18. Februar verhindert - zu dieser Zeit lag in Modena kein Flocke
Schnee. Genau beschreibt der Autor die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in
Norditalien zur Jahrhundertwende, schildert die ersten Kontakte des jungen Enzo mit dem
Automobil und dem Automobilsport, der ihn sofort in seinen Bann zog. Kindheit und
Jugend Ferraris, seine Bindungen an das Elternhaus, der frühe Verlust von Bruder und
Vater und sein Weg in die Selbständigkeit schon in jungen Jahren werden bis ins Detail
dokumentiert. Nach dem ersten Weltkrieg knüpfte der schon damals überaus eloquente
und zielstrebige Italiener wesentliche Kontakte zu Ingenieuren und auch Rennfahrern in
Turin. Im Alter von 26 Jahren hatte er seinen ersten eigenen Betrieb auf die Beine gestellt,
der sich mit dem Aufbau von Karosserien auf vorgefertigten Chassis beschäftigte.
Wenngleich sein Unternehmen "Carrozzeria Emilia" schlussendlich in die Liquidation ging,
so war diese schmerzhafte Erfahrung für Ferrari doch mehr als lehrreich. Parallel startete
er eine Karriere als Rennfahrer, in der ihm auf den Fahrzeugen von CMN und
insbesondere Alfa Romeo durchaus beachtliche Erfolge auf italienischen Rennstrecken bis
hin zur Targa Florio beschieden waren.
Genau beleuchtet Dal Monte die Gründung und den Aufbau von Ferraris eigenem
Rennstall, der "Scuderia Ferrari" im Jahre 1929 sowie die Hintergründe seines
vorübergehenden Rücktritts als Rennfahrer. Ursprünglich hatte Ferrari die Absicht, seine
Scuderia nach seiner Heimatstadt Modena mit deren lateinischem Namen "Mutina" zu
benennen, rang sich dann aber doch zu der Verwendung des eigenen Familiennamens
durch. Die Scuderia Ferrari setzte zunächst parallel zum Alfa-Werk Rennfahrzeuge von
Alfa Romeo ein, bevor sie nach dem werksseitigen Rückzug von Alfa quasi zum
Werksrennstall des italienischen Unternehmens aufstieg. Zu allen großen italienischen
Rennfahrern - Campari, Antonio Ascari, Varzi und vor allem Tazio Nuvolari - hatte Enzo
Ferrari enge Verbindungen, viele von ihnen fuhren zeitweise für seinen Rennstall.
Gleiches galt für die großen Ingenieure wie Bazzi, Jano und deutlich später Lampredi und
Colombo. 1939 erfolgten die schmerzhafte Trennung von Alfa Romeo und der Übergang
der Scuderia Ferrari zu einem vollkommen unabhängigen Rennstall, der fortan in
Konkurrenz zu Alfa stand.
Das ständige Auf und Ab, die Überwindung von Krisen und Niederlagen, der von
brennender Begeisterung getragene Kampf um die Vorherrschaft auf den Rennstrecken
und die mit diesem Bestreben verbundenen Auseinandersetzungen mit den Ferrari
umgebenden Menschen beschreibt Luca Dal Monte haarklein und belegt seine
Ausführungen stets durch Zitate und Quellenangaben. Dabei spart er das außerhalb des
Lebens als Rennfahrer und Unternehmer gelegene Geschehen nicht aus. Er verdeutlicht,
dass Enzo Ferrari sehr gut in der Lage war, mit den jeweiligen politischen Strömungen zu
spielen und diese zum Nutzen seines Unternehmens einzusetzen. Insoweit ähnelte er
Ferdinand Porsche, der wie Ferrari an sich ein unpolitischer Mensch war, aber die
Bedeutung politischer Beziehungen sehr wohl erkannt und genutzt hatte. Bis ins hohe
Alter pflegte Ferrari einen sehr geschickten Umgang mit den Gewerkschaften und
erreichte es so, dass sein Werk von den in Italien doch häufigen Streiks nur sehr
eingeschränkt betroffen war.
Ein weiterer Fixpunkt im Leben Ferraris war sein Umgang mit dem weiblichen Geschlecht.
Auch da war er ein Getriebener. Ferrari und die Frauen - allein das würde ein ganzes Buch
füllen. Mit Laura war er seit April 1923 verheiratet, und die Ehe hatte bis zum Tod seiner
Frau 1978 Bestand. Allerdings war das Verhältnis schon früh durch ein psychisches
Leiden Lauras beeinträchtigt. So sehr Enzo bemüht war, ein geordnetes Eheleben
aufrechtzuerhalten, so sehr ging er doch seiner Neigung nach, Verbindungen zu anderen
Frauen aufzunehmen. Es ist erstaunlich, wie viele Erkenntnisse der Autor auch in diesem
Zusammenhang zusammengetragen hat. Es entsteht so ein sehr vielschichtiges und - für
manchen Leser - auch zwiespältiges Bild von Enzo Ferrari. Mit seiner Ehefrau hatte Enzo
seinen 1932 geborenen Sohn Alfredo, genannt Dino; aus der Beziehung mit Lina Lardi
ging 1945 sein zweiter Sohn Piero hervor.
Dino litt seiner Geburt an einer schweren Erkrankung aus der Gruppe der
Muskeldystrophien, die nach langem Leiden 1956 zu seinem frühen Tod führte. Der Tod
Dinos, der der Leidenschaft seines Vaters für den Rennsport und insbesondere die
Konstruktion von Rennmotoren gefolgt war, stellte für Enzo Ferrari den schmerzhaftesten
Verlust seines Lebens dar, über den er bis zu seinem eigenen Tod nie hinweggekommen
ist.
Nach dem zweiten Weltkrieg trat Ferrari mit seinem Rennteam in der neu geschaffenen
Formel-1-Weltmeisterschaft und bei den großen Sportwagenrennen, die stets seine
besondere Leidenschaft waren, an. Zuvor hatte er seinen ersten in voller
Eigenverantwortung hergestellten Sportwagen vorgestellt. Der Typ "815" trug noch nicht
den Namen Ferrari, allerdings schon wie in den Jahrzehnten zuvor die Rennfahrzeuge der
Scuderia Ferrari das Zeichen des springenden Pferdes im Wappen. Natürlich gibt Dal
Monte auch eine genaue Darstellung der Herkunft und Verwendung dieses
Markenzeichens, das der italienische Kampfflieger Francesco Baracca auf seinem
Flugzeug im ersten Weltkrieg angebracht hatte.
Der Aufstieg Ferraris zur Weltmarke - sei es als Produzent der namhaftesten
Hochleistungssportwagen, sei es als erfolgreichstes Unternehmen im Automobilsport - füllt
rund 500 Seiten in dem Buch Dal Montes. Dabei stehen - bei einer Biografie
nachvollziehbar - weniger technische Details im Vordergrund als vielmehr die Leistungen
Enzo Ferraris. Sein Umgang mit Ingenieuren, Rennfahrern, Konkurrenten, Kunden und
Journalisten wird detailreich wiedergegeben und analysiert. Wenngleich Ferrari zahlreiche
Auszeichnungen und Orden aus dem technisch-universitären Bereich zuteil wurden, so
war er selbst doch kein gelernter Ingenieur und Konstrukteur, sondern ein unübertroffener
Organisator und Motivator, der die zum Erfolg erforderlichen Menschen zusammenbrachte
und zu Höchstleistungen antrieb. Sein gigantisches Lebenswerk war das Ergebnis dieser
Fähigkeiten. Dass sein Verhalten gegenüber anderen dabei ausschließlich im
Unternehmensinteresse lag, aber im Einzelfall durchaus Anlass zu Kritik bot, nahm er in
Kauf. Er war ein Meister des geschliffenen Wortes und verstand es, z.B. auf den von ihm
regelmäßig einberufenen Pressekonferenzen Verbündete verbal in den Himmel zu heben,
in Missgunst geratene Personen jedoch durch bloße Nichterwähnung oder zunächst
belanglos klingende Floskeln abzukanzeln. Sein besonderes Verhältnis zur Presse war
kein Zufall. Er selbst betätigte sich nur zu gerne beim Verfassen von Büchern und
Entwerfen von Presseerklärungen, war er doch schon in jungen Jahren, einer seiner
beruflichen Neigungen folgend, als Sportjournalist aktiv gewesen.
Enzo Ferrari war - bedingt durch leidvolle persönliche Erfahrungen - auch ein karitativer
Mensch. Mit hohem finanziellen Aufwand rief er eine Ingenieursschule ins Leben und
unterstützte den Bau und den Unterhalt gesundheitlicher Einrichtungen in seiner Heimat,
insbesondere aber die medizinische Forschung auf dem Gebiet der Muskelerkrankungen.
Der Autor geht an mehreren Stellen auf Enzo Ferraris Verhältnis zum Tod ein. Der Verlust
Dinos steht dabei im Vordergrund, aber auch das Sterben zahlreicher Rennfahrer in
seinen Wagen versetzte den großen Italiener immer wieder in Trauer aber auch
Ratlosigkeit. Insbesondere im Zusammenhang mit einem Unfall bei der letzten Mille Miglia
1957, bei dem auch Zuschauer zu Tode kamen, sah sich Ferrari schweren Vorwürfen
durch Politik, Justiz und Kirche ausgesetzt, die sich im Ergebnis aber als haltlos erwiesen.
So war auch das Verhältnis des katholisch getauften Ferrari zu Kirche und Religion sehr
zwiespältig, hier fand er wohl erst mit dem Besuch des Papstes 1988 seinen Frieden.
Ferrari war zu krank, um Johannes Paul II. persönlich zu empfangen, konnte aber
zumindest einen telefonischen Kontakt mit ihm halten.
Mehrere Kapitel beschreiben die letzten Jahre Ferraris, seinen auch dann noch
unverminderten Einsatz für sein Rennteam, seine immer wieder aufkeimenden Zweifel an
der 1969 eingegangenen und die Existenz seines Unternehmens gewährleistenden
Partnerschaft mit dem Fiat-Konzern, sein Wunsch, sein Lebenswerk auch über seinen Tod
hinaus zu sichern. Seinen 90. und letzten Geburtstag feierte er, so wie er es ausdrücklich
gewünscht hatte, bei einem Mittagessen mit all seinen 1742 Arbeitern, bei denen er sich
für ihre Arbeit bedankte und sich - seiner Ahnung entsprechend für immer -
verabschiedete. Und schließlich werden auch die letzten Tage im Leben des "Grande
Vecchio" auf sehr berührende Weise dargestellt. Das kurze Post Scriptum verdeutlicht,
dass das Unternehmen Ferrari heute tatsächlich so gesund dasteht, dass es kaum eine
Übertreibung ist, von der Unsterblichkeit des Lebenswerks Enzo Ferraris zu sprechen.
Was erhebt nun diese Biografie über Enzo Ferrari über alle anderen Bände zu diesem
Thema? Zum einen ist es die schiere Vielzahl von Informationen und Fakten, die hier
zusammengetragen worden ist. Alles ist belegt, der Autor ergeht sich nicht in Vermutungen
oder gar in der Wiedergabe von Gerüchten. Erstmals werden bisher unbekannte
Hintergründe erhellt. Es bleibt kein Aspekt, keine Facette des Lebens Ferraris
unberücksichtigt. In der chronologischen Lebensbeschreibung sind derartig viele Details
festgehalten, dass man fast den Eindruck einer Tagebuchaufzeichnung hat. Fast alle
wesentlichen Kontakte aus dem Privaten und dem Beruflichen sind aufgezeichnet -
Familienmitglieder, Geliebte, Rennfahrer, Ingenieure, Journalisten, Manager. Allein eine
Liste dieser Namen von 1898 bis 1988 würde Seiten füllen. Zum anderen sind es die
Herangehensweise an das Thema "Enzo Ferrari" und die Umsetzung der gewonnenen
Erkenntnisse durch den Autor. Machen wir uns nichts vor: Wer sich mit Enzo Ferrari
befasst und dabei nicht zumindest Respekt und Bewunderung verspürt, kann nur ein
Ignorant sein. Deshalb muss man beim Beschreiben von Ferraris Lebenswerk stets der
Gefahr einer einseitigen "Hofberichterstattung" entgegenwirken. Dies ist Dal Monte
hervorragend gelungen. Er stellt das Leben von Enzo Ferrari objektiv dar - voller
Begeisterung, Respekt und Verständnis; aber er gibt auch Kritik dort wieder, wo es
angebracht ist, zeigt auch die Kehrseite des erfolgreichen und zuweilen auch streitbaren
Unternehmers und Strategen im Umgang mit Menschen auf. Dal Monte macht sich zwar
manche Kritik zu eigen, aber er verurteilt nicht, er dokumentiert. Wurde Ferrari in
bisherigen Publikationen, die ausnahmslos nicht diese inhaltliche Tiefe hatten, wegen des
Verhaltens gegenüber seiner Ehefrau schwer angegriffen, belegt Dal Monte beispielhaft,
wie die Entwicklung einer Ehe zu zwei parallelen aber mitnichten harmonischen
Lebensläufen nicht das Ergebnis des Verhaltens nur einer der beteiligten Personen
gewesen ist.
Ob etwas in dem Buch fehlt? Nun, da wirklich sehr genau Jahr für Jahr auf die Erfolge und
Misserfolge Ferraris eingegangen wird, hätte ich mir eine knappe Würdigung der
Internationalen Markenmeisterschaft für GT-Fahrzeuge über 2 Liter Hubraum 1964
gewünscht, als die Ferrari 250 GTO den Titel denkbar knapp vor den Shelby-Cobra holten,
wobei die Streichung des drittletzten Rennens in Monza aufgrund von
Meinungsverschiedenheiten über die zu Recht nicht erfolgte Homologation des Ferrari 250
LM als GT eventuell nicht ohne Bedeutung für dieses Ergebnis war. Gerade weil Enzo
Ferrari die Langstreckenrennen der Sportwagen-Weltmeisterschaft so wichtig waren, hätte
auch eine Beschreibung des Kampfes der Ferrari 512 S gegen die unschlagbar
erscheinenden Porsche 917 im Jahr 1970 nicht schaden können. Schließlich bezeichnet
eine Bildunterschrift Ricardo Rodriguez irrtümlich als Pedro Rodriguez, und in der
Übersetzung vom Italienischen ins Englische hat sich bei der Beschreibung des Ferrari
330 P ein Fehler eingeschlichen, denn dieser Prototyp hatte, wie in der italienischen
Ausgabe richtig wiedergegeben, vier und nicht, wie in der englischsprachigen Edition
vermerkt, drei Liter Hubraum. Aber all dies sind wirklich nur unbeachtliche Kleinigkeiten,
die der Gesamtleistung bei der Erstellung der Biografie keinerlei Abbruch tun.
Und noch etwas: diese Biografie ist kein Bilderbuch. Zwar werden auf 64 Bildseiten
insgesamt 133 Fotos reproduziert, die sehr gut ausgewählt und durchaus repräsentativ für
den Lebensweg Enzo Ferraris sind, aber das ist ein "Lesebuch", das man
notwendigerweise konzentriert und dennoch mit ungebrochener Begeisterung verschlingt.
Wer sich mehr Abbildungen aus dem Leben Ferraris wünscht, dem sei als Ergänzung der
oben bereits erwähnte herrliche Bildband "Enzo Ferrari – una vita per l'automobile" aus
dem Verlagshaus Giorgio Nada empfohlen.
Ich persönlich frage mich, wie begeistert wäre Enzo Ferrari gewesen, hätte er die von
Michael Schumacher auf den roten Rennwagen gewonnenen fünf Weltmeistertitel in Folge
erleben können – eine Siegesserie seiner Rennwagen, wie sie Ferrari zu seinen Lebzeiten
nicht vergönnt gewesen war. Und wie stolz wäre er, wenn er heute sehen könnte, welch
moderne, hochproduktive und weltweit als beispielhaft geltende Fabrik sein Unternehmen
nicht zuletzt durch die Leistungen des von ihm selbst so hoch geschätzten Luca di
Montezemolo geworden ist!
Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Das Buch von Luca Dal Monte ist nicht nur die eindeutig beste und abschließende Biografie über Enzo Ferrari, sondern unter den über 1000 Titeln zum Thema "Ferrari" eine weit herausragende Veröffentlichung - eine Pflichtlektüre für alle Automobil-Enthusiasten und erst recht für alle Ferraristi !
Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Das Buch von Luca Dal Monte ist nicht nur die eindeutig beste und abschließende Biografie über Enzo Ferrari, sondern unter den über 1000 Titeln zum Thema "Ferrari" eine weit herausragende Veröffentlichung - eine Pflichtlektüre für alle Automobil-Enthusiasten und erst recht für alle Ferraristi !
Thomas Nehlert
Enzo Ferrari
- Power, Politics, and the Making of an Automotive Empire -
Autor: Luca Dal Monte
Verlag: David Bull Publishing, Phoenix AZ, 2018
Format und Umfang: Hardcover, 15,5 x 23,5 cm,
1032 Seiten, 133 Abbildungen,
Text: Englisch
Preis: € 42,50
ISBN: 978 1 935007 28 9
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