Rezension Thomas Nehlert: Alfa Romeo Tipo 105 (die Giulia-Baureihe) „Alfa Romeo Giulia“, „Alfa Romeo Giulia GT“, „Alfa Romeo Spider“, „Alfa Romeo Montreal“, „Alfa Romeo Junior Z“, „Alfa Romeo Arese“, Autor: Patrick Dasse, Carl W. Dingwort Verlag, Hamburg, 2018, insgesamt 6 Bände

Patrick Dasse hatte sich mit seinem gewaltigen insgesamt fünfbändigen Standardwerk "Alleggerita" über die Entwicklung und Renngeschichte des Alfa Romeo GTA als einem der erfolgreichsten Fahrzeuge in der Geschichte des Tourenwagensports bereits einen Namen gemacht. 

Nun präsentiert er in fünf Bänden die Geschichte der legendären Baureihe 105 von Alfa Romeo, bekannter unter dem Modellnamen "Giulia". Dazu kommt ergänzend ein Band über die Produktionsstätte der Giulia in Arese. Diese Historie deckt einen Zeitraum von 1962 bis 1977 ab, in dem Alfa Romeo äußerst erfolgreich war und in Deutschland als echte Konkurrenz zu BMW wahrgenommen wurde. 

Alle sechs Bände sind zweisprachig in Englisch und Deutsch verfasst und hervorragend verarbeitet. Druck und Bildreproduktion erfolgen auf hochwertigem Mattglanzpapier in bester Qualität. Die Illustration des gesamten Buchwerks ist schlicht gigantisch. 2019 Fotos auf über 2200 Seiten lassen keinen Aspekt der Modellentwicklung der diversen Giulia-Baureihen unberücksichtigt. Es handelt sich ausschließlich um zeitgenössische Fotos aus den 1960er und 1970er Jahren, die ein unglaubliches Maß an Authentizität vermitteln. Dementsprechend überwiegen die Schwarzweiß-Aufnahmen, von denen ohnehin ein ganz besonderer Reiz ausgeht. Es ist deshalb auch kein bedeutender Mangel, dass einige der Farbfotos – offenbar bedingt durch ihr Alter – etwas rotstichig sind. Die Abbildungen sind zum großen Teil im ganzseitigen Querformat gehalten und spiegeln nicht nur den optischen Reiz der Alfa Romeo wider, sondern beleuchten auch sämtliche technische Details in einer Vielfalt und Genauigkeit, die ihresgleichen sucht. Ob Kühlergrill oder Kofferraum, ob Motorblock oder Unterboden, ob Armaturenbrett oder Türverkleidung, ob Bremsen, Rückbank, Pedalerie oder Vordersitze – praktisch alle wesentlichen und somit zur Unterscheidung der Baureihen geeigneten Merkmale werden erkennbar gemacht. Immer wieder begeistern natürlich die Aufnahmen, die die ausnahmslos optisch so reizvollen Alfa in ihrer Gesamtansicht vor abwechslungsreichen Hintergründen zeigen – auf Ausstellungen, in Landschaften eingebettet oder einfach auf dem Werksgelände. 

Der Autor hatte die Gelegenheit, in den namhaftesten Archiven zum Thema Alfa Romeo zu stöbern. Besonders hervorgehoben muss in diesem Zusammenhang das Centro Documentazione von Alfa Romeo Automobilismo Storico in Arese, das großzügig Fotos zur Verfügung stellte, die zuvor noch nie öffentlich gezeigt worden sind. Allein die Zusammenstellung dieses überwältigenden Bildmaterial zeugt von einer gewaltigen Recherche Patrick Dasses. 

Aber natürlich sind die fünf Bände über die verschiedenen Modelle der Baureihe 105 keine reinen Bildbände. Es werden alle Stufen der Modellentwicklung detailliert beschrieben, alle technischen Daten festgehalten und zum großen Teil auch die technischen Überlegungen, die den Entwicklungen zugrunde lagen, dargestellt. Hierbei muss man berücksichtigen, dass diese Automobilhistorie nun rund 50 Jahre zurückliegt, so dass es umso bemerkenswerter ist, dass der Autor nicht zuletzt dank der Unterstützung von Alfa Romeo derartig viel technische Einzelheiten und Entwicklungswissen zusammentragen konnte. 

Den umfangreichsten Teil der Modellgeschichte machen die beiden Bände über die GiuliaLimousine und das Giulia GT-Coupé aus. Die klassische Giulia gehört bis heute zweifellos zu den legendärsten Fahrzeugen der Automobilgeschichte und führt bei historischen Veranstaltungen noch immer zu glänzenden Augen bei den Alfa-Romeo-Fans. Dasse beschreibt in seinem Buch in chronologischer Reihenfolge nicht weniger als 13 Grundmodelle mit 40 Typ-Varianten. Hilfreich ist dabei auch, dass er die Entstehung der Ziffernfolgen bei der Typbezeichnung in einem ausführlichen Vorwort erklärt. Das von Bertone gestaltete GT-Coupé ist ein wahrer Sportwagen-Klassiker und ein echter "Hingucker". Im Gegensatz zur Limousine deckt es bis zum Ende seiner Entwicklung auch die Motorvarianten 1750 und 2000 ab. Außerdem wird in dem Band "Giulia GT" unter den insgesamt 30 GT-Versionen auch auf den GTA eingegangen sowie auch auf den offenen GTC. Alle Varianten werden auch hier mit ihrer Technik eingehend beschrieben und in all ihren Details hervorragend fotografisch wiedergegeben. 

Im Band über den Alfa Romeo Spider beschränkt sich Patrick Dasse mangels weitergehenden Bildmaterials auf die ersten beiden Generationen bis zum Jahr 1977. Die Entwicklung vom besonders attraktiven Urspider mit seinem rundlichen Heck zum "begradigten" Fastback wird ebenso nachvollzogen wie die "Aufrüstung" vom 1300 und 1600 zum 1750 und 2000, wobei auch die US-Versionen wie schon beim GT jeweils eine besondere Würdigung erfahren. 

Manch Leser mag sich fragen, was in diesem Zusammenhang der 105-Baureihe der Alfa Romeo Montreal zu suchen hat – ein mächtiger Sportwagen mit V8-Motor auf dem Leistungsniveau eines Porsche Carrera 3.0. Nun, dieses Fahrzeug war zunächst als Ausstellungsstück für die Weltausstellung Expo 1967 in Montreal vorgesehen, mit einem Vierzylinder-Motor und der Typenbezeichnung 105.64. Und so gehört er nun einmal zur Baureihe Tipo 105. Es werden sowohl das Vorserienmodell als auch die schließlich in Produktion gegangene Version ausführlich beschrieben und illustriert. Das ist eine sehr abwechslungsreiche und hochinteressante Geschichte, die durch eine Darstellung der Renneinsätze des Montreal bei mehreren Sportwagenrennen und vor allem durch großartige Farbaufnahmen gekrönt wird. 

Der fünfte Band der 105-Typologie befasst sich mit dem Junior Z Coupé, das von 1970 bis 1975 in Zusammenarbeit mit Zagato entstand, erst als 1300 und dann als 1600. Die Kooperation mit Zagato hatte bei Alfa Romeo nicht zuletzt aufgrund des bekannten Rennsportwagens TZ und TZ2 („Tubolare Zagato“) Tradition. Die von den anderen Modellen übernommene Technik dieses kleinen, formal ungewöhnlichen Sportwagens wird wiederum genau dargestellt, wie auch die zahlreichen Fotos das unkonventionelle Design trefflich wiedergeben. 

Ein Leckerbissen der besonderen Art ist der sechste Band der Reihe, der als Ergänzung zur Historie der Tipo-105-Baureihe das Alfa-Romeo-Werk Arese beschreibt. Angesichts der steigenden Verkaufszahlen reichte Anfang der 1960er Jahre die Produktionsstätte in Portello nicht mehr aus, so dass sich Alfa Romeo entschloss, in Arese außerhalb Mailands ein neues Werk zu errichten, das 1963 seinen Betrieb aufnahm. Dorthin wurde die Herstellung der Giulia-Baureihe zügig verlegt. Patrick Dasse beschreibt in knappen aber vollkommen ausreichenden Texten nicht nur die Entstehung des Fabrikgebäudekomplexes, sondern auch alle einzelnen Schritte bei der Herstellung der Fahrzeuge in Arese von der Giesserei und Schmiede über den Komponentenbau, die Blechstanze, die Karosseriefertigung, die Lackiererei und die Innenraumherstellung bis zur Endabnahme und Fahrzeuglagerung. Dazu kommen Berichte über das Ersatzteillager, die Schulungsabteilung und die Fahrzeugentwicklung sowie die Teststrecke in Balocco. Der Schwerpunkt dieses Buchs liegt eindeutig auf den 364 Schwarzweiß-Fotos, durchgehend im ganzseitigen Format. Dieser Band ist weniger ein Autobuch als vielmehr eine Dokumentation zur Industriegeschichte im Italien der 1960er Jahre. Die atmosphärisch dichten Fotos zeigen nicht nur die Technik und den Herstellungsprozess, vielmehr blickt der Betrachter auch in die von Einsatz und Begeisterung gezeichneten Gesichter der Beschäftigten. Fotos dieser Art aus einem Produktionsprozess dürften in dieser Menge und Qualität bisher nur selten veröffentlicht worden sein. Sie stammen alle aus dem Archiv des Werkes und sind zwischen 1963 und 1972 aufgenommen worden. Sie zeigen eine für diese 50 Jahre zurückliegende Zeit bemerkenswerte Industriekultur. Nach der Übernahme von Alfa Romeo durch den Fiat-Konzern 1986 wurden Teile der Fiat-Produktion nach Arese verlegt, bevor das Werk etwa 20 Jahre später geschlossen wurde. Heute befindet sich in Arese das neue Alfa Romeo Werksmuseum. 

Die sechsbändige Buchreihe zur Alfa-Romeo-Baureihe 105 und ihrer Produktionsstätte ist mit insgesamt 534,- Euro sicherlich nicht billig. Angesichts des Gebotenen ist sie für die „Alfisti“, die sich ihr "Cuore Sportivo" mit der dazugehörigen Begeisterung für die Marke erhalten haben, aber ein echter Gewinn. 


Alfa Romeo Tipo 105 (die Giulia-Baureihe) 
Autor: Patrick Dasse 
Verlag: Carl W. Dingwort Verlag, Hamburg, 2018 
Format, Umfang, Preis: Hardcover, jeweils 25,5 x 22,5 cm, 
                                    "Alfa Romeo Giulia", 528 Seiten, 487 Fotos, € 119,- 
                                    "Alfa Romeo Giulia GT", 528 Seiten, 479 Fotos, € 119,- 
                                     "Alfa Romeo Spider", 312 Seiten, 256 Fotos, € 79,- 
                                     "Alfa Romeo Montreal", 264 Seiten, 254 Fotos, € 69,- 
                                     "Alfa Romeo Junior Z", 192 Seiten, 179 Fotos, € 59,- 
                                     "Alfa Romeo Arese", 384 Seiten, 364 Fotos, € 89,- 
                                      Text: Englisch und Deutsch 
                                      Preis: € 534,- (für alle sechs Bände) 
                                      Vertrieb: www.dingwort-verlag.de

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