1560 Seiten, 3 Bände, über 900 Fotos, 11,5 kg – das sind die Eckdaten eines wirklich
außergewöhnlichen Buch-Sets. 2007 hatte Tony Adriaesens erstmals den Band "Weekend
Heroes" präsentiert. Zwölf Jahre später entschloss er sich, in seinem in Antwerpen
ansässigen Verlag eine Neuauflage herauszugeben. Diese ist nun im Umfang gewaltig
erweitert und auf drei Bände verteilt worden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es auch in den USA nicht einfach, wieder Automobilsport
zu betreiben. Die Menschen hatten verständlicherweise andere Dinge im Kopf und so war
an ganze Meisterschaftsprogramme zunächst nicht zu denken. Dies konnte allerdings
einen überschaubaren Kreis begeisterter Sportwagen-Fahrer nicht davon abhalten, sich
mit ihren Fahrzeugen auf teilweise abenteuerlichen Rennstrecken zu messen.
Insbesondere im klimatisch begünstigten Kalifornien gab es schon ab 1947 wieder die
ersten Wettbewerbe, die ab 1950 im wahrsten Sinne des Wortes richtig Fahrt aufnahmen.
An fast jedem Wochenende fand irgendwo im Südwesten der USA so eine MotorsportVeranstaltung statt, und so ist es keine Übertreibung, die einsatzfreudigen Rennfahrer als "Weekend Heroes" zu bezeichnen.
Zwischen Sacramento und San Diego gab es Dutzende kleiner Kurse, die als
Betätigungsfeld dienten. Das waren sowohl Straßen-Rundstrecken als vereinzelt auch
Bergrennen. Als Austragungsorte hatten die umtriebigen Aktiven kleinerer kalifornischer
Automobil-Clubs und des Sports Car Club of America (SCCA) zusätzlich Parkanlagen als
auch stillgelegte oder zeitweise nicht genutzte Flughäfen ausfindig gemacht. Die
Veranstaltungen fanden schnell großen Zuspruch und die Zuschauer standen ohne große
Sicherheitsvorkehrungen nahe am Renngeschehen. Dies alles wirkte sehr improvisiert,
spiegelte aber eine grenzenlose Begeisterung für den Motorsport wider, wie sie gerade für
Zeiten nach einer Epoche der Entbehrungen typisch sein dürfte.
Tony Adriaesens, 1966 in Antwerpen geboren, hatte diese Zeit natürlich nicht miterlebt. Er
hat aber in mühevoller Recherche unzählige Fotos und auch Texte dieser Ära
zusammengetragen, gesichtet, ausgewertet und zu diesem gigantischen Buchwerk
zusammengefügt. Das Bildmaterial stammt aus professionellen Archiven und auch aus
kleineren Privatsammlungen. Überwiegend handelt es sich um großformatige
Farbfotografien, die zum Teil doppelseitige Dimensionen erreichen. Allein die
Wiedergabequalität ist schon überraschend – nur selten findet man bei Aufnahmen aus
dieser Zeit eine derartig brillante Reproduktion. Es ist deshalb auch nur angemessen, dass
beispielhaft acht Fotografen am Anfang des Werkes recht ausführlich vorgestellt werden.
Schlicht atemberaubendSchlicht atemberaubend erscheint die Auswahl der Motive und ihre fotografische
Umsetzung. Die über 900 Aufnahmen wurden bei nicht weniger als 104 Veranstaltungen
auf 41 Rennstrecken gemacht. 37 dieser Örtlichkeiten liegen in Kalifornien, die restlichen
vier verteilen sich auf Nevada, Mexiko, Hawaii und die Bahamas. Das sind viel mehr als
reine Rennbilder, das sind fotografische Kunstwerke, die den Motorsport in einzigartiger
Form festhalten, und zwar nicht nur das faszinierende Geschehen auf den Pisten, sondern
vielmehr noch die Menschen in den Fahrzeugen, bei der technischen Vorbereitung und am
Rande der Rennen. Man muss sich für jedes der Fotos Zeit nehmen und kann dann eine
eingehende Bildbetrachtung durchführen, bei der man unzählige Details feststellen wird,
die in der gewöhnlichen Dokumentation eines Autorennens unbeachtet bleiben. Auch das
spezielle Ambiente bestimmter Rennstrecken wird grandios eingefangen, sei es auf den
Straßenkursen von Palm Springs oder Pebble Beach, den Strecken von Willow Springs,
Riverside, Santa Barbara oder Torrey Pikes und auf den vielen kleinen Flughäfen mit ihren
Betonpisten.
Neben den vielen eher weniger bekannten Privatfahrern findet der Betrachter aber auch
Ablichtungen großer Piloten, die anfangs der 1950er Jahre ihre Karriere noch vor sich
hatten – Masten Gregory, Phil Hill, Ken Miles, Richie Ginther und Carroll Shelby, um nur
einige zu nennen. Insgesamt werden am Ende des dreibändigen Werks 37
Persönlichkeiten vorgestellt, die im amerikanischen Motorsport der 1950er Jahre eine
bedeutende Rolle spielten, darunter neben den bereits genannten Rennfahrern auch Elliott
Forbes-Robinson, Ruth Levy und John von Neumann.
Es würde "Weekend Heroes II" aber nicht gerecht werden, wenn man es ausschließlich als
drei Bildbände betrachten würde. Denn Tony Adriaesens und sein Mitherausgeber Joel
Driskill haben zu jeder der 104 Veranstaltungen zwischen 1950 und 1957 auch
ausführliche Texte zusammengetragen, die die Rennen und ihre Protagonisten sowie
teilweise auch die Örtlichkeiten im Detail dokumentieren. Dabei handelt es sich
überwiegend um Berichte aus den namhaften amerikanischen Automobil- und MotorsportMagazinen "Road&Track", "Sports Cars Illustrated", "Speed Age" und „Car Life“. Wer sich
die drei Bände wirklich eingehend zu Gemüte führen möchte, dürfte dafür Monate
brauchen – lohnend ist das allemal! Zu jeder Abbildung gibt es zusätzlich sehr detaillierte
Bildunterschriften und zumeist auch Hinweise auf die Art des verwendeten Filmmaterials
und den Fotografen. Einziger kleiner Kritikpunkt: die Bildunterschriften hätten in einem
etwas besser lesbaren und größeren Schrifttyp gehalten sein können.
Die drei Bände sind bestens verarbeitet und auf hochwertigem, haptisch sehr
angenehmen Papier gedruckt. Das Layout stellt geschickt die künstlerisch-fotografische
Adaption des Themas in den Vordergrund, ohne die textliche Erfassung zu
vernachlässigen.
Tony Adriaesens, bekannt auch durch seine exklusiven und teilweise restlos vergriffenen
Bücher "Porsche Sporterfolge", "Ten days in Sicily" (über die Targa Florio 1966) und
„OttoVu“ (über den Fiat 8V), hat mit "Weekend Heroes II" einen neuen Maßstab gesetzt.
Sicherlich sind rund 470 Euro grundsätzlich ein stolzer Preis für ein Druckwerk. Aber für
den Automobil-Enthusiasten, der ein Herz für die Ursprünglichkeit eines sich im Aufbruch
befindenden Motorsports in den 1950er Jahren im Westen der USA hat, ist bei „Weekend
Heroes II“ jeder Cent bestens angelegt.
Thomas Nehlert
Thomas Nehlert
Weekend Heroes II
Autoren: Tony Adriaensens, Joel Driskill
Verlag: Corsa Research, Antwerpen
Format: 3 Bände Hardcover, 29,5 x 28,5 cm
Umfang: 1560 Seiten, etwa 910 Abbildungen
Text: Englisch
Preis: € 469,-
Erhältlich: www.sportfahrer-zentrale.com
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