Als Porsche zum Modelljahr 1974 die G-Serie des 911 mit den charakteristischen
Stoßfängern mit Faltenbälgen einführte, ahnte noch niemand, dass diese
Karosserieform die Sportwagen-Ikone für 16 Jahre in ihrem Erscheinungsbild prägen
sollte. Obwohl die Entwicklungsstufen in der Nomenklatur des Werkes alljährlich einen
anderen Buchstaben trugen, wurde der Elfer mit den kantigen Stoßstangen bis zum
Modelljahr 1989 vereinfacht als sogenanntes „G-Modell“ bezeichnet – keine Bauform
hat bis heute eine längere Lebensdauer in der Geschichte des Porsche 911
vorzuweisen als das „G-Modell“.
Unter den klassischen Porsche 911 gibt es wohl auch
keine Baureihe, die sich bis heute einer größeren Beliebtheit erfreut als das „GModell“.
Andreas Gabriel - bekannt durch seine Standardwerke über den Speedster, die
luftgekühlten Turbo-Modelle und den Cayenne - legt nun eine umfassende Historie
des G-Modells über den gesamten Produktionszeitraum vom Modelljahr 1974 bis zum
Modelljahr 1989 vor, die ihresgleichen sucht. In fünf umfangreichen Abschnitten, die
in insgesamt 22 Kapitel unterteilt sind, werden neben einer detaillierten
entwicklungsgeschichtlichen Darstellung aller Versionen vom 911 2.7 bis zum Turbo
3.3 auch die Merkmale jedes einzelnen Modelljahrgangs beschrieben. Hinzu kommt
eine auf jede einzelne Variante bezogene Kaufberatung, die dieses Buch einzigartig
macht. Es bleiben auch Sondermodelle wie zum Beispiel die Weissach-Edition des 911
SC, der Carrera zum 25jährigen Jubiläum des Elfers oder die Clubsport-Variante des
Carrera 3.2 nicht unberücksichtigt. Im Abschnitt über den Turbo 3.3 werden auch die
Modelle mit abgeflachter Frontpartie („Slantnose“) und diejenigen mit der
Werksleistungssteigerung besprochen.
Zusätzliche Authentizität erhält das Buch durch ein Interview mit Friedrich Bezner und
ein früheres Gespräch mit Helmuth Bott. Auch auf interne Abstimmungen und
Auseinandersetzungen in der Führungsebene des Porsche-Werks im Zusammenhang
mit der glücklicherweise nie aufgegebenen Fortentwicklung des Porsche 911 wird
ausführlich eingegangen. Der Leser erfährt dabei einige Hintergründe, die so bisher
noch nie ans Tageslicht gefördert wurden, vor allem zu der Frage, wem es auf Seiten
der Ingenieure zu verdanken ist, dass die Entwicklung des 911 gegen die Tendenz des
damaligen Vorstandsvorsitzenden weitergeführt wurde. In diesem Zusammenhang
kommen auch frühere Redakteure der „auto motor und sport“ zu Wort, die aus ihrer
Präferenz des 911 gegenüber den Transaxle-Modellen nie ein Hehl gemacht hatten.
Die Texte sind in deutscher und englischer Sprache verfasst und verraten die hohe
Kompetenz des Autors sowie auch seine Begeisterung für das Thema und seine
langwierigen und tiefgehenden Recherchen. Denn es war in den 1970er und 1980er
Jahren auch bei Porsche noch nicht üblich, alle Modellentwicklungen und alle
Sondertypen bis ins Detail zu dokumentieren. Das großartige Werksarchiv ist erst in
mühsamer Kleinarbeit während der letzten Jahrzehnte aufgebaut und schließlich auf
den heutigen Stand gebracht worden. Aus diesem Grund war es insbesondere
schwierig, Unterlagen über die Sondermodelle des 911 „G-Modells“
zusammenzutragen, die ja teilweise nur dem amerikanischen Markt vorbehalten
waren. Andreas Gabriel ist dennoch eine sorgfältige Aufarbeitung auch der seltenen
Versionen des Heckmotorsportwagens gelungen.
Ein weiteres Problem war es, bei manchen Versionen an die genauen
Produktionsstückzahlen zu kommen; es gibt bisher noch kein Porsche-Buch, in dem
diese Erhebungen so detailliert vorgenommen wurden wie im hier vorliegenden Band.
Gleiches gilt übrigens auch für die Wertermittlung der G-Modell-Varianten. In
Verbindung mit dem Kapiteln zur Kaufberatung erfährt der Leser auch, welchen Betrag
er für den Erwerb eines entsprechenden Fahrzeugs in den unterschiedlichen
Zustandsgruppen bereithalten sollte.
Der 425 Seiten umfangreiche, hervorragend verarbeitete und durch einen attraktiven
Schuber geschützte Band ist reichhaltig und gut illustriert. Jede Modellvariante wird in
zumeist mehreren Fotos, zum beachtlichen Teil auch großformatig, wiedergegeben. So
erkennt man schnell die Unterschiede zwischen den frühen 2,7-Liter-G-Modellen und
den deutlich breiteren Carrera 3.0, SC und Carrera 3.2. Auch die Entwicklung der
Räder, insbesondere der unvergleichlichen Fuchs-Felgen, wird beschrieben und anhand
von Fotos verdeutlicht. Auch Bilder von Erprobungsfahrten und vom Wirken Helmuth
Botts sind zum Teil als echte Raritäten zu betrachten. Besonders zum Turbo und Turbo
3.3 wird hier vielleicht auch so mancher 911-Kenner noch für ihn Neues erfahren.
Auch insoweit wird die sehr gründliche Durchforstung der Werksunterlagen von
Porsche durch den Autor offenbar. Es muss aber trotz der sehr gelungenen Illustration
in hoher Qualität darauf hingewiesen werden, dass es sich hier keinesfalls um einen
Bildband handelt; das ist ein inhaltsschweres Sachbuch zum „G-Modell“, bei dem die
zahlreichen Fotos den ausführlichen Text ergänzen.
Für die umfangreichen Tabellen mit den technischen Daten der vorgestellten PorscheTypen
war Tobias Kindermann zuständig. Weitere Unterstützung bei der Erstellung des
Buchs hat Andreas Gabriel durch Manfred Hering, den Inhaber des Wuppertaler
Unternehmens „Early 911S“, erfahren.
Ein solches Buch über das „G-Modell“ des Porsche 911 hat es bisher noch nicht
gegeben; wer sich für Elfer von 1974 bis 1989 interessiert, muss es haben! Und wenn
ich persönlich mir heute unabhängig vom jeweils aktuellen Modell einen Porsche
meiner Träume aussuchen dürfte, dann wäre das ein Porsche 911 Carrera 3.2 Coupé
des Modelljahres 1989 – das letzte „G-Modell“.
Porsche 911 – Aircooled Years 1974-1989
Autoren : Andreas Gabriel, Manfred Hering, Tobias Kindermann
Verlag: Berlin Motor Books, 2017
Format und Umfang: Hardcover mit Schuber, 26,5 x 31,5 cm, 426 Seiten, 160 Fotos
Text: Deutsch/ Englisch
Preis: € 99,80
ISBN: 978-3-9814592-3-4
Erhältlich über: http://berlinmotorbooks.de
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