Rezension Thomas Nehlert: „Porsche 911 – Aircooled Years 1974-1989“ – Autoren: Andreas Gabriel, Manfred Hering, Tobias Kindermann, Verlag Berlin Motor Books 2017

Als Porsche zum Modelljahr 1974 die G-Serie des 911 mit den charakteristischen Stoßfängern mit Faltenbälgen einführte, ahnte noch niemand, dass diese Karosserieform die Sportwagen-Ikone für 16 Jahre in ihrem Erscheinungsbild prägen sollte. Obwohl die Entwicklungsstufen in der Nomenklatur des Werkes alljährlich einen anderen Buchstaben trugen, wurde der Elfer mit den kantigen Stoßstangen bis zum Modelljahr 1989 vereinfacht als sogenanntes „G-Modell“ bezeichnet – keine Bauform hat bis heute eine längere Lebensdauer in der Geschichte des Porsche 911 vorzuweisen als das „G-Modell“. 

Unter den klassischen Porsche 911 gibt es wohl auch keine Baureihe, die sich bis heute einer größeren Beliebtheit erfreut als das „GModell“. Andreas Gabriel - bekannt durch seine Standardwerke über den Speedster, die luftgekühlten Turbo-Modelle und den Cayenne - legt nun eine umfassende Historie des G-Modells über den gesamten Produktionszeitraum vom Modelljahr 1974 bis zum Modelljahr 1989 vor, die ihresgleichen sucht. In fünf umfangreichen Abschnitten, die in insgesamt 22 Kapitel unterteilt sind, werden neben einer detaillierten entwicklungsgeschichtlichen Darstellung aller Versionen vom 911 2.7 bis zum Turbo 3.3 auch die Merkmale jedes einzelnen Modelljahrgangs beschrieben. Hinzu kommt eine auf jede einzelne Variante bezogene Kaufberatung, die dieses Buch einzigartig macht. Es bleiben auch Sondermodelle wie zum Beispiel die Weissach-Edition des 911 SC, der Carrera zum 25jährigen Jubiläum des Elfers oder die Clubsport-Variante des Carrera 3.2 nicht unberücksichtigt. Im Abschnitt über den Turbo 3.3 werden auch die Modelle mit abgeflachter Frontpartie („Slantnose“) und diejenigen mit der Werksleistungssteigerung besprochen.

Zusätzliche Authentizität erhält das Buch durch ein Interview mit Friedrich Bezner und ein früheres Gespräch mit Helmuth Bott. Auch auf interne Abstimmungen und Auseinandersetzungen in der Führungsebene des Porsche-Werks im Zusammenhang mit der glücklicherweise nie aufgegebenen Fortentwicklung des Porsche 911 wird ausführlich eingegangen. Der Leser erfährt dabei einige Hintergründe, die so bisher noch nie ans Tageslicht gefördert wurden, vor allem zu der Frage, wem es auf Seiten der Ingenieure zu verdanken ist, dass die Entwicklung des 911 gegen die Tendenz des damaligen Vorstandsvorsitzenden weitergeführt wurde. In diesem Zusammenhang kommen auch frühere Redakteure der „auto motor und sport“ zu Wort, die aus ihrer Präferenz des 911 gegenüber den Transaxle-Modellen nie ein Hehl gemacht hatten. 

Die Texte sind in deutscher und englischer Sprache verfasst und verraten die hohe Kompetenz des Autors sowie auch seine Begeisterung für das Thema und seine langwierigen und tiefgehenden Recherchen. Denn es war in den 1970er und 1980er Jahren auch bei Porsche noch nicht üblich, alle Modellentwicklungen und alle Sondertypen bis ins Detail zu dokumentieren. Das großartige Werksarchiv ist erst in mühsamer Kleinarbeit während der letzten Jahrzehnte aufgebaut und schließlich auf den heutigen Stand gebracht worden. Aus diesem Grund war es insbesondere schwierig, Unterlagen über die Sondermodelle des 911 „G-Modells“ zusammenzutragen, die ja teilweise nur dem amerikanischen Markt vorbehalten waren. Andreas Gabriel ist dennoch eine sorgfältige Aufarbeitung auch der seltenen Versionen des Heckmotorsportwagens gelungen. 

Ein weiteres Problem war es, bei manchen Versionen an die genauen Produktionsstückzahlen zu kommen; es gibt bisher noch kein Porsche-Buch, in dem diese Erhebungen so detailliert vorgenommen wurden wie im hier vorliegenden Band. Gleiches gilt übrigens auch für die Wertermittlung der G-Modell-Varianten. In Verbindung mit dem Kapiteln zur Kaufberatung erfährt der Leser auch, welchen Betrag er für den Erwerb eines entsprechenden Fahrzeugs in den unterschiedlichen Zustandsgruppen bereithalten sollte. 

Der 425 Seiten umfangreiche, hervorragend verarbeitete und durch einen attraktiven Schuber geschützte Band ist reichhaltig und gut illustriert. Jede Modellvariante wird in zumeist mehreren Fotos, zum beachtlichen Teil auch großformatig, wiedergegeben. So erkennt man schnell die Unterschiede zwischen den frühen 2,7-Liter-G-Modellen und den deutlich breiteren Carrera 3.0, SC und Carrera 3.2. Auch die Entwicklung der Räder, insbesondere der unvergleichlichen Fuchs-Felgen, wird beschrieben und anhand von Fotos verdeutlicht. Auch Bilder von Erprobungsfahrten und vom Wirken Helmuth Botts sind zum Teil als echte Raritäten zu betrachten. Besonders zum Turbo und Turbo 3.3 wird hier vielleicht auch so mancher 911-Kenner noch für ihn Neues erfahren. Auch insoweit wird die sehr gründliche Durchforstung der Werksunterlagen von Porsche durch den Autor offenbar. Es muss aber trotz der sehr gelungenen Illustration in hoher Qualität darauf hingewiesen werden, dass es sich hier keinesfalls um einen Bildband handelt; das ist ein inhaltsschweres Sachbuch zum „G-Modell“, bei dem die zahlreichen Fotos den ausführlichen Text ergänzen.

Für die umfangreichen Tabellen mit den technischen Daten der vorgestellten PorscheTypen war Tobias Kindermann zuständig. Weitere Unterstützung bei der Erstellung des Buchs hat Andreas Gabriel durch Manfred Hering, den Inhaber des Wuppertaler Unternehmens „Early 911S“, erfahren. 

Ein solches Buch über das „G-Modell“ des Porsche 911 hat es bisher noch nicht gegeben; wer sich für Elfer von 1974 bis 1989 interessiert, muss es haben! Und wenn ich persönlich mir heute unabhängig vom jeweils aktuellen Modell einen Porsche meiner Träume aussuchen dürfte, dann wäre das ein Porsche 911 Carrera 3.2 Coupé des Modelljahres 1989 – das letzte „G-Modell“. 


Porsche 911 – Aircooled Years 1974-1989 

Autoren : Andreas Gabriel, Manfred Hering, Tobias Kindermann 
Verlag: Berlin Motor Books, 2017 
Format und Umfang: Hardcover mit Schuber, 26,5 x 31,5 cm, 426 Seiten, 160 Fotos 
Text: Deutsch/ Englisch Preis: € 99,80 

ISBN: 978-3-9814592-3-4 Erhältlich über: http://berlinmotorbooks.de

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