Rezension Thomas Nehlert: „Jim Clark - The best of the best“, Autor David Tremayne, Evro Publishing 2018

Jim Clark zählt bis heute zu den vier bis fünf größten Rennfahrern in der Geschichte des Automobilsports. Was ihn aber von fast allen anderen in diesem Zusammenhang genannten Piloten unterscheidet, ist sein Charakter. Unfairness im Zweikampf, Ränkespiele und Intrigen innerhalb des Teams waren ihm vollkommen fremd. Er war in jeder Situation ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Konkurrenten in den 1960er Jahren waren Graham Hill, Dan Gurney, John Surtees; um seine Nachfolge kämpften ab 1968 Jackie Stewart, Jochen Rindt, Jacky Ickx und Chris Amon. 

Es gibt zahlreiche Bücher über Jim Clark. Hervorhebung verdient seine 1965 auch in deutscher Sprache erschienene Autobiographie „Jim Clark at the Wheel“ - „Als Favorit am Start“ (Moderne Verlags GmbH München). Der namhafte britische Motorsport-Journalist und Buchautor David Tremayne hat nun bei Evro Publishing die wirklich ultimative Biografie über den unvergessenen schottischen Doppel-Weltmeister vorgelegt. Auf 520 Seiten bleibt in 21 chronologisch geordneten Kapiteln sowie einem ausführlichen statistischen Anhang wirklich keine Frage zum Leben und Wirken Clarks unbeantwortet. 

Tremayne schildert ausführlich die Kindheit und Jugend des Rennfahrers auf dem elterlichen Landsitz in Schottland, seine Erfahrungen als naturverbundener Schafzüchter und Landwirt und seine ersten motorsportlichen Aktivitäten auf lokaler und nationaler Ebene. Seine Verbundenheit zur Natur und zu seiner schottischen Heimat hatte Clark auch in Zeiten seiner größten Erfolge nie aufgegeben. Er war ein ruhiger, eher verschlossener Mensch, der sich vom Trubel des Rennzirkus gerne in seine Heimat in den Highlands zurückzog. Der Autor leuchtet die Persönlichkeitsstruktur des Menschen Jim Clark auf beeindruckende und in die Tiefe gehende Weise aus und verdeutlicht, wie sehr sich Clark von seinen damaligen Rennfahrerkollegen und noch mehr vom Naturell heutiger Rennfahrer unterschied. 

Die eigentliche Motorsportkarriere Clarks wird mit akribischer Genauigkeit und großer Liebe zum Detail nachgezeichnet. Keine Autosportklasse, in der der Schotte antrat, kein wesentliches Rennen werden ausgelassen. Dem Leser wird großartig vermittelt, was für ein außerordentliches Multitalent Clark war, er fuhr alles, was vier Räder hat, und er war in allen Kategorien erfolgreich – Tourenwagen, Sportwagen, Prototypen, Formel Junior, Formel 2, Formel 1, Indycars, Nascar und Rallyesport. Auch während der Zeit seiner großen Erfolge in der Formel 1 blieb er anderen Rennklassen treu – eine Vielseitigkeit, die heute ausgeschlossen zu sein scheint. Nach zwei Formel-1-Weltmeisterschaftstiteln und einem Sieg bei den 500 Meilen von Indianapolis war es schließlich diese weite Spreizung seiner Aktivitäten, die ihm im April 1968 bei einem unbedeutenden Formel-2-Rennen in Hockenheim zum Verhängnis wurde. Die Ursache seines tödlichen Unfalls auf dem Hockenheimring konnte nie mit letzter Sicherheit geklärt werden, ein Reifenschaden erscheint als am wahrscheinlichsten. 

Tremayne liefert viel mehr als eine Chronologie dieser atemberaubenden Laufbahn. Er zitiert nicht nur Clark selbst aus Gesprächen der damaligen Zeit, er lässt auch unzählige Rennfahrerkollegen, wie z.B. den vor kurzem verstorbenen Dan Gurney, und andere Zeitzeugen zu Wort kommen. So formt sich nicht nur das Porträt eines der Größten im Rennsport, sondern auch eines einzigartigen charismatischen Menschen. Es muss eine unvergessliche Erfahrung sein, diesen schottischen Rennfahrer selbst erlebt zu haben – auf der Rennstrecke aber auch neben dem motorsportlichen Geschehen. Tremayne wurde bei seinem Buch von der fast vollzähligen Gilde britischer Motorsportjournalisten unterstützt, so dass das Bild, das er von Clark zeichnet, nicht nur äußerst vielschichtig sondern auch in hohem Maße authentisch ist. 

Am Ende des Bandes stellt der Autor in einem Epilog die Frage, was gewesen wäre, wenn Clark nicht 1968 tödlich verunglückt wäre – eine sehr spekulative aber nicht uninteressante Überlegung. Die bereits erwähnte ausführliche Rennstatistik sowie ein hilfreicher Index runden das gewichtige und im attraktiven Layout präsentierte Buch ab. Schon die Titelgestaltung mit dem farbigen Foto eines im Siegerkranz strahlenden Jim Clark vor einem blau leuchtenden Himmel ist in einer Zeit, in der manche Verlage irrig zu meinen glauben, dass besonders triste Schwarzweißfotos auf dem Titel Käufer anlocken, eine wahre Wohltat. 

Die Illustration der Jim-Clark-Biografie ist gewaltig. Rund 450 Fotos, viele im ganzseitigen Format, decken die Rennfahrerlaufbahn und auch das häusliche Leben des Weltmeisters von 1963 und 1965 und 25fachen Grand-Prix-Siegers lückenlos ab. Die Aufnahmen sind hervorragend ausgewählt, von erstklassiger Wiedergabequalität und durch ausführliche Bildunterschriften überaus informativ. Sie stammen sowohl aus mehreren Privatsammlungen als auch aus den großen Motorsport-Archiven wie z. B. Getty, LAT, Revs Institute for Automotive Research, Bill Henderson Collection, Klemantaski Collection, Grand Prix Library und Cahier Archive. Zahlreiche Bilder sind erstmals veröffentlicht, insbesondere die Porträtaufnahmen Clarks ziehen den Betrachter in ihren Bann. 

Es gibt bei genauer Betrachtung nur wenige Bücher, die für den Motorsport-Enthusiasten ein echtes "must have" sind, diese Biografie über Jim Clark ist es auf jeden Fall.


Jim Clark – The best of the best
Autor: David Tremayne 
Verlag: Evro Publishing, UK, 2018 
Format und Umfang: Hardcover, 24 x 28,5 cm, 520 Seiten, rund 450 Fotografien 
Text: Englisch Preis: € 92,- 
Vertrieb: www.evropublishing.com 
ISBN: 978-1-910505-16-8

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