Jim Clark zählt bis heute zu den vier bis fünf größten Rennfahrern in der Geschichte des
Automobilsports. Was ihn aber von fast allen anderen in diesem Zusammenhang
genannten Piloten unterscheidet, ist sein Charakter. Unfairness im Zweikampf,
Ränkespiele und Intrigen innerhalb des Teams waren ihm vollkommen fremd. Er war in
jeder Situation ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Konkurrenten in den
1960er Jahren waren Graham Hill, Dan Gurney, John Surtees; um seine Nachfolge
kämpften ab 1968 Jackie Stewart, Jochen Rindt, Jacky Ickx und Chris Amon.
Es gibt zahlreiche Bücher über Jim Clark. Hervorhebung verdient seine 1965 auch in
deutscher Sprache erschienene Autobiographie „Jim Clark at the Wheel“ - „Als Favorit am
Start“ (Moderne Verlags GmbH München). Der namhafte britische Motorsport-Journalist
und Buchautor David Tremayne hat nun bei Evro Publishing die wirklich ultimative
Biografie über den unvergessenen schottischen Doppel-Weltmeister vorgelegt. Auf 520
Seiten bleibt in 21 chronologisch geordneten Kapiteln sowie einem ausführlichen
statistischen Anhang wirklich keine Frage zum Leben und Wirken Clarks unbeantwortet.
Tremayne schildert ausführlich die Kindheit und Jugend des Rennfahrers auf dem
elterlichen Landsitz in Schottland, seine Erfahrungen als naturverbundener Schafzüchter
und Landwirt und seine ersten motorsportlichen Aktivitäten auf lokaler und nationaler
Ebene. Seine Verbundenheit zur Natur und zu seiner schottischen Heimat hatte Clark
auch in Zeiten seiner größten Erfolge nie aufgegeben. Er war ein ruhiger, eher
verschlossener Mensch, der sich vom Trubel des Rennzirkus gerne in seine Heimat in den
Highlands zurückzog. Der Autor leuchtet die Persönlichkeitsstruktur des Menschen Jim
Clark auf beeindruckende und in die Tiefe gehende Weise aus und verdeutlicht, wie sehr
sich Clark von seinen damaligen Rennfahrerkollegen und noch mehr vom Naturell heutiger
Rennfahrer unterschied.
Die eigentliche Motorsportkarriere Clarks wird mit akribischer Genauigkeit und großer
Liebe zum Detail nachgezeichnet. Keine Autosportklasse, in der der Schotte antrat, kein
wesentliches Rennen werden ausgelassen. Dem Leser wird großartig vermittelt, was für
ein außerordentliches Multitalent Clark war, er fuhr alles, was vier Räder hat, und er war in
allen Kategorien erfolgreich – Tourenwagen, Sportwagen, Prototypen, Formel Junior,
Formel 2, Formel 1, Indycars, Nascar und Rallyesport. Auch während der Zeit seiner
großen Erfolge in der Formel 1 blieb er anderen Rennklassen treu – eine Vielseitigkeit, die
heute ausgeschlossen zu sein scheint. Nach zwei Formel-1-Weltmeisterschaftstiteln und
einem Sieg bei den 500 Meilen von Indianapolis war es schließlich diese weite Spreizung
seiner Aktivitäten, die ihm im April 1968 bei einem unbedeutenden Formel-2-Rennen in
Hockenheim zum Verhängnis wurde. Die Ursache seines tödlichen Unfalls auf dem
Hockenheimring konnte nie mit letzter Sicherheit geklärt werden, ein Reifenschaden
erscheint als am wahrscheinlichsten.
Tremayne liefert viel mehr als eine Chronologie dieser atemberaubenden Laufbahn. Er
zitiert nicht nur Clark selbst aus Gesprächen der damaligen Zeit, er lässt auch unzählige
Rennfahrerkollegen, wie z.B. den vor kurzem verstorbenen Dan Gurney, und andere
Zeitzeugen zu Wort kommen. So formt sich nicht nur das Porträt eines der Größten im
Rennsport, sondern auch eines einzigartigen charismatischen Menschen. Es muss eine
unvergessliche Erfahrung sein, diesen schottischen Rennfahrer selbst erlebt zu haben –
auf der Rennstrecke aber auch neben dem motorsportlichen Geschehen. Tremayne wurde
bei seinem Buch von der fast vollzähligen Gilde britischer Motorsportjournalisten unterstützt, so dass das Bild, das er von Clark zeichnet, nicht nur äußerst vielschichtig
sondern auch in hohem Maße authentisch ist.
Am Ende des Bandes stellt der Autor in einem Epilog die Frage, was gewesen wäre, wenn
Clark nicht 1968 tödlich verunglückt wäre – eine sehr spekulative aber nicht
uninteressante Überlegung. Die bereits erwähnte ausführliche Rennstatistik sowie ein
hilfreicher Index runden das gewichtige und im attraktiven Layout präsentierte Buch ab.
Schon die Titelgestaltung mit dem farbigen Foto eines im Siegerkranz strahlenden Jim
Clark vor einem blau leuchtenden Himmel ist in einer Zeit, in der manche Verlage irrig zu
meinen glauben, dass besonders triste Schwarzweißfotos auf dem Titel Käufer anlocken,
eine wahre Wohltat.
Die Illustration der Jim-Clark-Biografie ist gewaltig. Rund 450 Fotos, viele im ganzseitigen
Format, decken die Rennfahrerlaufbahn und auch das häusliche Leben des Weltmeisters
von 1963 und 1965 und 25fachen Grand-Prix-Siegers lückenlos ab. Die Aufnahmen sind
hervorragend ausgewählt, von erstklassiger Wiedergabequalität und durch ausführliche
Bildunterschriften überaus informativ. Sie stammen sowohl aus mehreren
Privatsammlungen als auch aus den großen Motorsport-Archiven wie z. B. Getty, LAT,
Revs Institute for Automotive Research, Bill Henderson Collection, Klemantaski Collection,
Grand Prix Library und Cahier Archive. Zahlreiche Bilder sind erstmals veröffentlicht,
insbesondere die Porträtaufnahmen Clarks ziehen den Betrachter in ihren Bann.
Es gibt bei genauer Betrachtung nur wenige Bücher, die für den Motorsport-Enthusiasten
ein echtes "must have" sind, diese Biografie über Jim Clark ist es auf jeden Fall.
Jim Clark – The best of the best
Autor: David Tremayne
Verlag: Evro Publishing, UK, 2018
Format und Umfang: Hardcover, 24 x 28,5 cm, 520 Seiten, rund 450 Fotografien
Text: Englisch
Preis: € 92,-
Vertrieb: www.evropublishing.com
ISBN: 978-1-910505-16-8
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