Rezension Thomas Nehlert: Porsche: Excellence Was Expected Karl Ludvigsen, Bentley Publishers, USA, 2019

Es gibt inzwischen deutlich über 1000 Buchtitel zum Thema Porsche, und ein Ende ist nicht in Sicht. Mit dieser vollständig überarbeiteten und im Umfang fast verdoppelten Neuauflage des Werks von Karl Ludvigsen wird ein neuer Maßstab in der Literatur über Deutschlands feinsten Auto-Hersteller gesetzt. Allein die Daten des vierbändigen Opus sind gewaltig: 11 kg, 2836 Seiten, 2912 Abbildungen – mehr Porsche geht nicht. 

Zur Verdeutlichung der Bedeutung dieses Werks soll zunächst kurz auf seine Historie eingegangen werden. Im Jahr 1977 vermeldete „auto motor und sport“, dass im Verlag des noblen Motor-Magazins „Automobile Quarterly“ die Erstausgabe von „Porsche: Excellence Was Expected“ erschienen sei, ein Porsche-Buch, das mit 890 Seiten, reicher Illustration und beispielhafter Recherche durch Karl Ludvigsen nur zu empfehlen sei. 1980 brachte der Bleicher Verlag München die deutsche Ausgabe heraus, die genauso schnell verkauft war wie das englischsprachige Original. Es verging eine lange Zeit bis zur zweiten Auflage, die dreibändig 2003 von Bentley Publishers in Massachusetts verlegt wurde, nur vier Jahre später folgte eine überarbeitete dritte Auflage im gleichen Format mit 1532 Seiten. Der Heel-Verlag plante eine vierbändige deutsche Ausgabe, kam aber leider nicht über den dritten Band hinaus, so dass das deutsche Werk mit 1376 Seiten unvollständig blieb. 

Jetzt, im Sommer 2019, also die ultimative vierte Auflage des Buchs von Karl Ludvigsen; und Karl Ludvigsen betont im Vorwort, dass dies die letzte Überarbeitung sein werde. Aus einst 32 Kapiteln sind nun 132 Kapitel geworden, in denen tatsächlich keine Frage zur Marken-, Modell- und Rennsportgeschichte von Porsche unbeantwortet bleibt. 

Jeder der vier Bände beginnt mit dem Vorwort, dem eine Modell-Übersicht des betreffenden Zeitraums und das jeweilige Inhaltsverzeichnis folgen. Die Inhaltsverzeichnisse sind sehr ausführlich und erleichtern dem Leser das Auffinden des ihn gerade interessierenden Themas. Aus diesem Grunde ist es auch nachzusehen, dass im Gegensatz zu den Vorauflagen ein Gesamtindex am Ende der Bände fehlt, der wahrscheinlich den Umfang der vier Bände gesprengt hätte. Am Ende jedes Bandes befinden sich eine sehr attraktiv gestaltete Zeitlinie der bedeutendsten Modelle dieser Epoche, eine auf die wesentlichen Siege beschränkte Rennstatistik sowie eine den Porsche-Enthusiasten mit Sicherheit interessierende Bibliografie. Eine Danksagung an die an dem Werk beteiligten Helfenden und ein Porträt des Autors schließen jeden Band ab. 

Karl Ludvigsen geht chronologisch vor, wobei sich die dokumentierten Zeiträume in den vier Büchern um bis zu sieben Jahre überlappen, was seinen Grund in den unterschiedlichen Zyklen der diversen Porsche-Modelle und den Rennsport-Aktivitäten in zahlreichen Motorsport-Gebieten findet. 

Der erste Band umfasst die Lebensgeschichte von Ferdinand Porsche, die Verzweigungen in den Familien Porsche und Piech sowie die vollständige Modell-Historie des 356. Ausführlichen Raum nehmen die Entwicklung des legendären Viernockenwellen-Motors sowie die Rennsportaktivitäten vom 356 bis zum 550 und 718 ein. Die eher vorübergehenden Einsätze Porsches in der Formel 2 und der Formel 1 anfangs der 1960er Jahre erfahren eine angemessene Würdigung. Als Bindeglied zwischen dem 356 und der Entwicklung des 911 schiebt Ludvigsen eine bisher fast unentdeckte Geschichte über die Planung eines „großen Porsche“ unter dem Kapiteltitel „Rise and Fall of the Big Porsche“ ein. Hier dürften selbst profunde Kenner der Porsche-Geschichte ins Staunen kommen. Gleiches gilt für die Beschreibung mehrerer Fremdaufträge für Porsche, die der Autor bis in den militärischen Bereich sehr detailliert aufgeklärt hat. Selbstverständlich nehmen die Entstehung und Entwicklung des 911 weiten Raum ein, ebenso wie die Konstruktion und Renngeschichte der Typen 904, 906, 910, 907 und 908. 

Im zweiten Buch wird die Entwicklung des 911 bis zum G-Modell unter ausführlicher Berücksichtigung des Turbo fortgeführt. Die parallele Entstehung der Transaxle-Baureihe mit 924 und 928 erhält ebenso breiten Raum wie der 914 in seinen verschiedenen Varianten am Anfang des Bandes. Weit gefächert ist die Dokumentation des Porsche Motorsports: 917 bis zum 917/30, 934/935/936 und der faszinierende Einstieg in die Gruppe C mit dem 956 und später 962 stehen für die ausnahmslos erfolgreichen Aktivitäten Porsches bei den Sportwagenrennen. Aber auch das erste Indy-Projekt wird von Ludvigsen in allen Facetten beleuchtet. 

Der dritte Band spiegelt die zunehmende Modellvielfalt bei Porsche wider. Da findet der Leser die Ausweitung der Transaxle-Modelle und ihr recht schnelles Ende, den grandiosen Technologieträger 959 sowie den für die 1990er Jahre neuen 911 namens 964 samt des nie in Serie gegangenen 965. Das Projekt des TAG-Formel-1-Motors für McLaren, die Einsätze bei der Dakar-Rallye, der mäßig erfolgreiche Einstieg in die amerikanische CART Series sowie das gründlich schief gegangene Formel-1-Engagement bei Footwork-Arrows zeigen das fast zu weite Betätigungsfeld Porsches im Motorsport dieser Zeit. Sportlich und noch mehr wirtschaftlich war Porsche in eine Krise geraten, aus der der neue Chef Wendelin Wiedeking und die von ihm eingeleiteten Maßnahmen herausführten. Nach dem gelungenen Übergangsmodell 993 brachte eine neue Modellpalette mit der Abkehr von der Luftkühlung Porsche wieder in die Gewinnzone – Boxster, 996 und schließlich der Cayenne als SUV führten zu einer gewaltigen Steigerung der Produktionszahlen. Ludvigsen beschreibt diese für das Stuttgarter Unternehmen nicht einfache Zeit genau und mit viel Hintergrundwissen. Mehr als nur eine Erwähnung finden das Projekt des viertürigen Porsche und die Renneinsätze der 993-Varianten, der drei 911 GT1-Baustufen und des WSC-Prototypen. Dabei wird auch auf das lange geheim gehaltene Denkmodell eines Le-MansEinsatzes 2000 mit dem Typ 980 LM eingegangen.

Der abschließende vierte Teil führt die Geschichte Porsches bis in die Gegenwart zum Modelljahr 2020. Hoch interessant ist da eine lange Analyse des Geschehens im Zusammenhang mit der Übernahme Porsches durch den VW-Konzern und der Auseinandersetzung zwischen Wendelin Wiedeking und Wolfgang Porsche auf der einen und Ferdinand Piech auf der anderen Seite. Die Entwicklung des 911 wird über die Baureihen 997 und 991 bis zum 992 beschrieben wie auch der Ausbau der Palette mit allen Varianten und Modellstufen von Boxster, Cayman, Macan, Cayenne und Panamera. Die Schwerpunkte im Motorsport werden durch den RS Spyder, die unzähligen GTVarianten des 911 und natürlich den grandiosen 919 Hybrid mit seinen drei Siegen in Le Mans gesetzt. Die Hinwendung zur Elektro-Mobilität findet ihren Niederschlag aber nicht nur in der Darstellung der neueren Rennfahrzeuge von Porsche, sondern auch in sehr detaillierten Berichten über den 918 und vor allem über den brandaktuellen Taycan, der bis kurz vor die jüngst erfolgte Modellvorstellung begleitet wird. 


 Foto: Thomas Nehlert
Was macht nun dieses vierbändige Werk so besonders? Da ist zunächst einmal der bereits erwähnte schiere Umfang. Eine vergleichbar lückenlose und fundierte Porsche-Geschichte in Buchform gibt es nicht. Noch entscheidender aber ist die überragende Fachkompetenz des Autors, der schon zahlreiche Bücher über Porsche publiziert hat, insbesondere auch über die Entwicklungen Ferdinand Porsches vor seiner Zeit als Unternehmer. Ludvigsen hat in einem Maße bis in die Tiefe recherchiert, wie es selbst bei Fachbüchern nicht die Regel ist. Die Dokumentation erfolgt chronologisch, steht dabei aber auf drei Säulen: die Straßensportwagen und Serienfahrzeuge, die Rennwagen und ihre Entwicklung und Rennhistorie, die unternehmerische und wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens mit allen Höhen und auch Tiefen. Es werden die familiären Divergenzen genauso aufgezeigt, wie der Weg aus der existenzbedrohenden Krise Anfang der 1990er Jahre und der wechselseitige Übernahmekampf zwischen Porsche und VW, der schließlich zur Eingliederung Porsches in den VW-Konzern führte. Auch die unmittelbare Verbindung zwischen Serienautomobilen und den Wettbewerbsfahrzeugen arbeitet der Autor bestens heraus.

Kaum jemand wird die über 2800 Seiten hintereinander weglesen; aber jeder findet zu jedem Porsche-Themenkreis die vollständige und vertiefte Sachdarstellung. Ludvigsen formuliert klar und macht auch technisch komplizierte Beschreibungen verständlich und nachvollziehbar. Das liest sich – vorausgesetzt man ist der englischen Sprache kundig – flüssig und abwechslungsreich. Eine Bereicherung ist auch, dass der Autor zahlreiche Quellen zitiert. Seien es Äußerungen von Ingenieuren, Rennfahrern und Teammanager, seien es Auszüge aus unterschiedlichen Publikationen wie Zeitschriften aus den USA, England und Deutschland, in denen unterschiedliche Testwerte und Messdaten gegenübergestellt werden. 

Mit über 2900 Abbildungen ist die Illustration der vier Bände mehr als reichhaltig. Die Fotos stammen überwiegend aus dem gewaltigen Archiv des Autors (Ludvigsen Library) und dem Historischen Archiv von Porsche. Mit der Auswahl der Motive wird das gesamte Spektrum der Thematik abgedeckt – technische Details, Fahrzeugaufnahmen, Rennfotografien, Porträts aller wesentlichen Beteiligten von der Porsche-Familie über Manager, Ingenieure, Rennfahrer und Rennleiter. Die Aufnahmen und technischen Zeichnungen sind zum Teil auch in größerem Format gehalten, die Wiedergabequalität auf gutem Papier ist in keiner Weise zu beanstanden. Aber eines ist klar: das ist kein Bildband. Die vielfältige und ansprechende Illustration ist eine wesentliche Ergänzung des überragenden Texts. Man kann diese Bände nicht einmal schnell durchblättern und sich auf die Betrachtung der zweifellos interessanten und reizvollen Fotos beschränken; man muss sich Zeit nehmen und wirklich in die Materie eindringen, will man den Wert dieses Werks erfassen. 

Gibt es keine Kritik? Doch, die gibt es – nicht an den Autor gerichtet, sondern an den Verlag. Die drei Bände der Vorauflage waren in Leinen gebunden, mit einer Fadenbindung versehen und durch einen Schutzumschlag und einen Leinenschuber geschützt. Die aktuellen vier Bände haben eine – wenn auch sehr solide – Klebebindung und jeweils ein Hardcover aus verstärkter Pappe. Wenn man sich mit einem inhaltlich so großartigen Werk in der 500-Dollar-Liga auf den Markt begibt, sollte es nicht auf ein paar Dollar mehr ankommen, um dieses Werk in einem qualitativ angemessenen Leineneinband und mit Fadenbindung zu präsentieren. 

Vielleicht bietet sich auch noch als fünfter Band ein ergänzendes „Data Book“ an, in dem die Daten aller Porsche-Fahrzeuge in tabellarischer Übersicht erfasst werden. Wenn auch Karl Ludvigsen in seinem Text und in den Modell-Zeitlinien sämtliche wesentlichen technischen Daten liefert, so wäre eine Zusammenfassung in Datenblöcken sicherlich interessant. Und dann hätte man vielleicht auch wieder Raum für einen – wie in der Vorauflage vorhanden – umfangreichen Gesamtindex, der bei einem so umfangreichen Werk sehr hilfreich wäre.

 Aber dies ändert nicht daran, dass es sich bei „Porsche: Excellence Was Expected“ um ein einzigartiges und in hohem Maße empfehlenswertes Werk handelt. 

Wer sich einen eigenen Eindruck von Karl Ludvigsen und seinem gründlichen Umgang mit technischen Themen machen will, dem sei u. a. sein rund 100minütiger Vortrag über Reid Railton vor den „Brooklands Trust Members“ aus dem Jahr 2018 (abrufbar auf YouTube) empfohlen, den er aus Anlass der Vorstellung seines zweibändigen Werks über diesen großen Konstrukteur gehalten hat. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass Ludvigsen nicht nur rund 100 Automobilbücher und unendlich viele technische Berichte verfasst hat, sondern auch viele Jahre in der Automobilindustrie bei Fiat, Ford und General Motors in leitender Funktion tätig war. 

Thomas Nehlert

Porsche: Excellence Was Expected Autor: Karl Ludvigsen 
Verlag: Bentley Publishers, USA, 2019 Format, 
Umfang: 4 Bände, Hardcover, 23,5 x 27,5 cm, 2836 Seiten, 2912 Abbildungen 
Text: Englisch Preis: $ 524,95 plus Versandkosten ISBN: 978-0-8376-1769-5 
Vertrieb: http://www.bentleypublishers.com/ oder andere Internetportale

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