Dieses schwergewichtige neue Buch über die Gulf Porsche 917 ist in zwei verschiedenen
Ausgaben erschienen. Die normale Edition besteht aus einem 496 Seiten dicken Band mit
460 Fotos, der von einem Schuber geschützt wird. In nur 200 nummerierten Exemplaren
gibt es – in einem noch voluminöseren Schuber – die zweibändige Publisher's Edition, auf
die hier näher eingegangen wird. Diese hat einen Umfang von 656 Seiten und enthält rund
620 Fotografien; sie besteht aus dem Band der regulären Ausgabe und einem
zusätzlichen Band mit weiteren 160 Seiten.
Es herrscht nun wahrhaft kein Mangel an Literatur über Porsches legendären 917. Das
Werk von Jay Gillotti konzentriert sich auf eine bis ins letzte Detail gehende
Dokumentation der im Gulf-Team von John Wyer Racing eingesetzten Fahrzeuge. Nach
einer Darstellung der frühen Porsche-Renngeschichte und der Rennschlachten zwischen
Porsche und anderen unter dem Gulf Label eingesetzten Rennsportwagen, wie z.B. dem
Ford GT40, beschreibt Gillotti sämtliche Porsche 917 des Gulf Teams nach ChassisNummern
geordnet. Diese auf erkennbar gründlicher Recherche beruhende Chronologie
erfasst sowohl alle technischen Einzelheiten als auch die jeweilige Rennhistorie der
betreffenden Fahrzeuge. Der Autor hat die vollständige Literatur zum Thema ausgewertet
und selbst detaillierte Nachforschungen bei Porsche und im Historischen Archiv in
Zuffenhausen angestellt. Im Kontext der einzelnen 917-Typen entsteht so eine Technikund
Renngeschichte, die in dieser Form ihresgleichen sucht.
Gillotti geht auf alle bis heute interessanten und teilweise ungeklärten Details ein. Er zitiert
korrekt aus den unzähligen Quellen, stellt Schilderungen gegenüber und ist in der
Bewertung von einer bemerkenswert angenehmen Zurückhaltung. Er hat wirklich die
komplette Literatur gesichtet, seien es frühe Publikationen zum 917 wie der Band von
Peter Hinsdale aus dem Jahr 1976, das Buch „The Racing Porsches“ von Paul Frère von
1975, die Standardwerke von Walter Näher, Thomas Födisch, Glen Smale, Peter Morgan
oder Karl Ludvigsen und ganz aktuelle Publikationen wie „Steve McQueen – In the
Rearview Mirror“, Ian Wagstaffs „Autobiography of 917-023“ oder Derek Bells „All my
Porsche Races“. Neben der technischen Literatur hat Gillotti auch zahlreiche RennfahrerBiografien
beigezogen sowie das Buch über den bekannten Rennmechaniker Ermanno
Cuoghi (der später übrigens für Niki Lauda bei Ferrari gearbeitet hat) und vor allem auch
die Lebenserinnerungen von John Wyer „The Certain Sound“. Die im Anhang von Band I
wiedergegebene Bibliografie umfasst nicht weniger als 47 Buch-Titel. Dazu kommen noch
etwa 40 ausgewertete Magazine, überwiegend Ausgaben der britischen „Motor Sport“.
Allein diese Auflistung verdeutlicht, mit welcher journalistischen Akribie und mit welchem
Einsatz Gillotti zu Werke gegangen ist.
Schon aus diesem Grunde empfiehlt sich die umfangreichere und eben auch deutlich
kostspieligere „Publisher's Edition“. Denn im zweiten Band dieser Ausgabe beschreibt der
Autor auch, wie er sich erstmals für das Thema „Porsche 917“ und für die Geschichte des
John-Wyer-Racing-Teams begeisterte. Der Leser erfährt, durch zahlreiche Fotos und
Dokumente belegt, wie er Kontakte zu den Protagonisten der Gulf-Renneinsätze und zum
Porsche-Werk knüpfte und auf immer wieder neue Quellen und mit diesen verbundene
Erkenntnisse stieß.
Hier hat der Leser wirklich die Gelegenheit, zahlreiche Hintergrundgeschichten zu
erfahren, die zwar jeweils einzeln zum Teil bereits in einigen anderen Bänden zu finden sind. Erstmals sind diese Insider-Storys hier aber konzentriert zusammengeführt worden,
seien es technische Entwicklungen, seien es zwischenmenschliche Konstellationen.
Ein heikles Thema war zum Beispiel der Umstand, dass Porsche, nachdem der Vertrag
mit dem John Wyer Team abgeschlossen war und John Wyer davon ausgehen konnte,
dass allein sein Team die offizielle Werksmannschaft war, beim ersten Rennen der Saison
1970 in Daytona auf einmal mit einer ziemlich gleichrangigen Mannschaft von Porsche
Salzburg zusätzlich auftrat. John Wyer hat dieses Verhalten in seinem Buch „The Certain
Sound“ nachvollziehbar kritisch betrachtet. Gillotti arbeitet diese Problemlage sorgfältig
auf, unterlässt es aber, einen Vorwurf in irgendeine Richtung zu erheben. Und so überlässt
er es auch dem Leser, welche Rückschlüsse aus dem Ausfall der Gulf-Porsche beim 24-
Stunden-Rennen von Le Mans 1970 zu ziehen sind, bei dem – wie auch 1971 unter der
Bewerbung von Martini Racing – ein 917 des Teams von Porsche-Salzburg siegreich
blieb. Das teaminterne Duell der Fahrer Rodriguez und Siffert wird ebenso ausgeleuchtet,
wobei zahlreiche Stellungnahmen von Fahrern und Mechanikern einfließen.
Hochinteressant sind auch die technischen Erklärungen für den Einsatz der so genannten
Langheckfahrzeuge und für die Verwendung der kleinen Finnen im oberen Heckbereich
einiger 917. Gillotti beschreibt auch die tragischen Unfälle der beiden Spitzenpiloten Pedro
Rodriguez und Jo Siffert, die beide 1971 in ganz anderen Rennwagen zu Tode kamen.
Überhaupt räumt er den Fahrern und den maßgeblichen Team-Verantwortlichen in
eingeschobenen Porträts einen angemessenen Raum ein.
Natürlich erfährt auch der legendäre Film "Le Mans" von und mit Steve McQueen eine
separate Würdigung mit der Beschreibung der in diesem Film verwendeten Porsche 917.
Nicht zuletzt war es dieses Leinwand-Epos, das den Autor mit dem Porsche 917 in
Berührung brachte.
Und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Gillotti auch zahlreiche Porsche 917 beschreibt,
die nicht im unmittelbaren Renneinsatz von Gulf Racing standen. Dazu kommt bei allen
Gulf 917 eine detaillierte Darstellung ihres Werdeganges nach den Rennen von 1970/71
bis zum heutigen Tage. Es ist erstaunlich, wie viele der 917 noch heute bei
Veranstaltungen des historischen Motorsports zu sehen und vor allem zu hören sind.
Ausführliches statistisches Material, das auch die ebenfalls von Gulf eingesetzten Porsche
908/03 umfasst, sowie zahlreiche Datenblätter runden den Inhalt des ersten Bandes ab.
Der zweite Band, der der hier besprochenen Publisher's Edition vorbehalten ist, enthält
sehr viele zusätzliche Datenblätter und vor allem weiteres Bildmaterial. Zudem wird auch
auf die Konkurrenzfahrzeuge, insbesondere die Ferrari 512 S und M sowie den 312 PB,
eingegangen. Ein Kapitel lässt den Leser – wie bereits beschrieben – hinter die Kulissen
der Entstehung dieses gewichtigen Buchs blicken. Die Reproduktion des Prospekts vom
917 verdient ebenso Beachtung wie die der Presse-Mitteilung des Porsche-Werks vom 30.
September 1969 über die bevorstehende Zusammenarbeit mit John Wyer. Außerdem sind
die 200 Exemplare dieser Ausgabe von Derek Bell, Brian Redman, John Horsman und
dem Autor handsigniert und dürften sich schon aus diesem Grund schnell zu wertvollen
Sammlerstücken entwickeln..
Beide Bände sind großartig illustriert. Detailaufnahmen von der Technik, spannende
Rennaction und Porträts der Fahrer und Teamverantwortlichen wechseln einander ab.
Überwiegend werden zeitgenössische Bilder von den großen Langstreckenrennen
1970/71 in bemerkenswert guter Qualität gezeigt, außerdem auch Ablichtungen aus dem Porsche-Werk vom Herstellungsprozess der 917. Schließlich hat der Autor im zweiten
Band auch eigene hervorragende Aufnahmen von aktuelleren Porsche-Veranstaltungen
wie der Porsche Rennsport Reunion in Laguna Seca hinzugefügt. Das Schmökern in
diesem opulenten 917-Wälzer wird nie langweilig, hier ist tatsächlich ein neues
Grundlagen-Werk zum Porsche 917 entstanden – für jeden Fan der großen
Sportwagenrennen und des Porsche-Motorsports eine ganz klare Empfehlung!
Gulf 917 – Publisher's Edition
Autor: Jay Gillotti
Verlag: Dalton Watson Fine Books, Deerfield Illinois, USA, 2018
Format, Umfang : 2 Bände im Schuber, Hardcover, 23 x 28 cm,
656 Seiten, 620 Fotos,
200 nummerierte und von Derek Bell, Brian Redman, John Horsman und
Jay Gillotti handsignierte Exemplare
Text: Englisch
Preis: € 339,-
ISBN: 978-1-85443-302-2
Vertrieb: www.RacingWebShop.com
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