McKlein Publishing hat gerade zwei überragende Ferrari-Bücher herausgebracht. Aus
Anlass der Besprechung dieser Bände soll kurz auf das in Köln beheimatete Verlagshaus
eingegangen werden.
Ende der 1970er Jahre gründete Reinhard Klein seinen auf Publikationen über den RallyeSport spezialisierten Verlag. Heute gibt es kaum eine Rallye-Zeitschrift oder ein RallyeBuch, das nicht auf das fast unerschöpfliche Bildarchiv Kleins zugreift. McKlein Publishing
ist im Bereich der Illustration von Rallye-Veröffentlichungen klarer internationaler
Marktführer. Da aber Bücher und Kalender über diese faszinierende Sparte des
Motorsports allein keine sehr breite wirtschaftliche Grundlage bieten, wuchs das Sortiment
von McKlein erheblich. Ausgangspunkt waren mehrere Bände über Deutschlands
Motorsportlegende Walter Röhrl, die schließlich zu weiteren Rennfahrer-Biografien,
Bildbänden und insbesondere auch Büchern in der Edition Porsche Museum führten, die
weltweit Anerkennung fanden. Wer sich heute beim Kauf manchmal nicht ganz preiswerter
Autobücher gerne beraten lässt, ist bei McKlein bestens aufgehoben. Reinhard Klein,
seine Söhne Daniel und Sebastian sowie Mitgesellschafter Alexander Galitzki geben
erforderlichenfalls gerne sehr offen Auskunft zu den im Rally- und Racing-Webshop
angebotenen Büchern, so dass man nicht – wie bei großen und anonymen Webshops –
erst einmal ins Blaue hinein bestellen muss.
Der wegen der Front in Form einer Haifischmauls unter der Bezeichnung „Sharknose“
bekannte Formel-1-Ferrari 156 genießt gerade in Deutschland einen legendären Ruf, wäre
doch der unvergessene Wolfgang Graf Berghe von Trips beinahe auf diesem Rennwagen
erster deutscher Formel-1-Weltmeister geworden. Doch der tödliche Unfall beim Grand
Prix von Italien in Monza 1961 besiegelte auf tragische Weise sein Rennfahrerschicksal.
Das bereits durch mehrere Bücher zum Thema „Porsche“ bekannte Autorenduo JörgThomas Födisch und Rainer Roßbach hat nun die Geschichte des Sharknose-Ferrari und
seiner beiden Ableger bei den Sport-Prototypen in dem Band „Sharknose V6 – Ferrari
156, Ferrari 246SP & Ferrari 196SP“ in beispielhafter Weise aufgearbeitet.
Födisch und Roßbach gehen dabei chronologisch vor und dokumentieren nach den
Vorworten von Mauro Forghieri und Helmut Zwickl zunächst auf etwa 280 Seiten die
Entwicklung des Formel-1-Rennwagens 156 von 1960 bis 1962. Am Anfang steht unter
dem Titel „Prologo“ eine geraffte Darstellung der gesamten 156-Historie, die der durch
seine Formel-1-Jahrbücher und seine Beiträge für die ehemalige „rallye racing“ bekannte
Achim Schlang verfasst hat. Es verdient besondere Hervorhebung, dass die Autoren
anschließend auch die Vorentwicklungsstufe des Formel-1-Wagens ausführlich
beschreiben, eines auf der Grundlage des früheren Ferrari-Formel-2-Motors entwickelten
Mittelmotor-Monoposto, der bereits 1960, also ein Jahr vor der 1,5-Liter-Formel-1, in vier
Rennen eingesetzt worden war. Bereits während dieser frühen Entwicklung legte Ferrari
den Grundstein für den durchschlagenden Erfolg des 156 im Jahre 1961, weil die Italiener
das Projekt eines 1,5-Liter Formel 1 nämlich unverzüglich in Angriff genommen hatten,
während die englischen Konstrukteure noch hofften, die ungeliebte 1,5-Liter-Formel würde
nicht Realität werden.
Den größten Raum des Buchs nehmen sodann die ausführlichen Berichte über alle 18
Rennen der Jahre 1961 und 1962 ein, an denen der Ferrari 156 teilgenommen hatte.
Diese stammen fast ausschließlich von Jörg-Thomas Födisch, während sich Rainer
Roßbach der Darstellung der Erprobung und der Technik der Wagen vor Beginn der
jeweiligen Rennsaison widmet.
Durch die in die Tiefe gehenden, in Englisch und Deutsch verfassten Texte, die auch
unzählige Hintergrundinformationen enthalten, wird nicht nur deutlich, wie es zu der
triumphalen Saison 1961 mit dem Titelgewinn durch Phil Hill gekommen war, sondern
auch, aus welchen Gründen Ferrari bereits 1962 der erstarkten und modernen Konkurrenz
aus England ziemlich hoffnungslos hinterherfuhr. Natürlich wird auch dem tragischen
italienischen Grand Prix 1961 und einer Analyse des Unfalls von Graf Berghe von Trips
angemessener Raum gegeben. Jörg-Thomas Födisch, der sich auch als Biograf des
großen deutschen Rennfahrers durch mehrere Bücher einen Namen gemacht hat, ist
gerade für diese Passagen prädestiniert.
Wenn auch Ferrari das einzige Werk ist, das seit Beginn der Formel 1 1950 bis heute
ununterbrochen an der Weltmeisterschaft teilgenommen hat, so schlug doch Enzo Ferraris
Herz in besonderer Weise für die großen Sportwagenrennen und die bei diesen
anzutreffenden GT-Wagen und Prototypen. So war es kein Wunder, dass der V6-Motor
nicht nur als 1,5 Liter den Formel-1-Wagen antrieb, sondern mit Hubräumen von zwei und
2,4 Litern auch die bildschönen Prototypen 196SP und 246SP, die das Frontdesign in
Form des Haifischmauls fortführten. Die Entwicklung und Rennhistorie dieser Boliden
beschreibt Rainer Roßbach detailreich und würdigt dabei nicht nur die großen
Langstreckenrennen der Sportwagen, sondern auch die Einsätze in der EuropaBergmeisterschaft, die Lodovico Scarfiotti 1962 auf einem 196SP für sich entscheiden
konnte. Der Teil des Buchs über die ersten Mittelmotor-Prototypen Ferraris bei den
Sportwagenrennen ist rund 70 Seiten lang und nicht etwa nur ein Annex der Formel-1-
Dokumentation, sondern vielmehr ein ganz wesentlicher Bestandteil des gewichtigen
Bandes.
Rainer Roßbach ist es auch, der die in dieser Epoche bedeutsamen Ingenieure,
Teamchefs und Rennleiter bei Ferrari in separaten Lebensläufen beschreibt. So erfährt der
Leser anhand dieser Biografien zahlreiche Einzelheiten über das teaminterne Geschehen
bei Ferrari. Der Bogen der Namen spannt sich von Dino Ferrari, Vittorio Jano, Carlo Chiti
über Medardo Fantuzzi und Mauro Forghieri bis zu Romolo Tavoni und Eugenio Dragoni.
Nicht weniger als 12 Rennfahrerbiografien – aufgezeichnet vom durch zahlreiche Formel1-Publikationen und seine Beiträge in „Motorsport Aktuell“ bekannten Hartmut Lehbrink –
bereichern das Buch zusätzlich: beispielhaft seien hier Graf Berghe von Trips, Phil Hill,
Richie Ginther, die Gebrüder Rodriguez, Olivier Gendebien, Lorenzo Bandini und Lodovico
Scarfiotti aufgeführt.
Nach einem Anhang mit den technischen Daten und Rennergebnissen der dokumentierten
Rennwagen bilden zwei Berichte vom Wiederaufbau des für die belgische Ecurie
Francorchamps ungewöhnlich in Gelb lackierten 156 mit der Chassis-Nr.002 und von der
Herstellung zweier Repliken der Fahrzeuge von Phil Hill und Ricardo Rodriguez aus dem
Jahr 1961 den Abschluss des Buchs.
Überzeugt „Sharknose V6“ schon durch seinen abwechslungsreich verfassten und penibel
recherchierten Text ohne jede Einschränkung, so wird dieser Band durch seine
atemberaubende Illustration quasi „gekrönt“. Was hier in mehr als 450 Fotografien
zusammengetragen wurde, ist fast unglaublich. Zahlreiche namhafte Bild-Archive sind mit
Fotos vertreten, wie zum Beispiel Sutton Images, Jesse Alexander, das Historische Archiv
Porsche, Klemantaski Collection, Peter Nygaard, Dr.Benno Müller und Rainer
Schlegelmilch. Einen größeren Anteil der Ablichtungen stellen McKlein, die Trips-Stiftung,
der Autor Jörg-Thomas Födisch und die Collection Alexis Callier. Hinzu kommen noch
Fotos aus mehreren Privatsammlungen. Der entscheidende und überwältigende Anteil der
Illustration stammt aber aus dem weltberühmten Cahier-Archiv. Paul-Henri Cahier hat
dieses Archiv für das Buch weit geöffnet und aus dem riesigen Fundus seines 2008
verstorbenen Vaters Bernard Cahier nicht weniger als rund 210 Aufnahmen zur Verfügung
gestellt, so dass es mehr als gerechtfertigt erscheint, Bernard Cahier als Fotografen auf
dem Einband festzuhalten.
Man weiß als Betrachter zuweilen gar nicht, was am meisten begeistert: die großartigen
und zum Teil großformatigen und erstmals veröffentlichten Szenen aus den Rennen und
vom Rande der Strecken, die ganzseitigen Porträtaufnahmen der Rennfahrer und
Ingenieure oder die Ablichtungen der technischen Details der Fahrzeuge. Insbesondere
die teilweise doppelseitigen Rennaufnahmen scheinen den Leser direkt an die Pisten der
1960er Jahre zurückzuversetzen, so plastisch und lebendig wirken sie. Das ist umso
bemerkenswerter, als die technischen Möglichkeiten der Fotografie zu dieser Zeit nicht mit
den Gegebenheiten der heutigen Digitaltechnik vergleichbar waren. Vielleicht gerade
deshalb stechen einem die künstlerische Qualität und die atmosphärische Intensität der
Fotografien besonders ins Auge, die durch eine fast durchgehende exzellente
Reproduktion ins rechte Licht gesetzt werden. Auch soll nicht unbemerkt bleiben, dass es
gelungen ist, erstaunlich viele farbige Aufnahmen aus einer Zeit zu publizieren, zu der die
Schwarzweißfotografie dominierte. Ein besonderer Leckerbissen sind auch die insgesamt
fünf Gemäldewiedergaben von Michael und Graham Turner.
Der im großen quadratischen Format präsentierte Band ist bestens verarbeitet, in einem
überaus attraktiven Layout gestaltet und wird durch einen festen Schuber geschützt.
Als wäre ein ohne jede Einschränkungen zu empfehlendes Ferrari-Buch noch nicht genug,
legt McKlein Publishing zeitgleich noch eine weitere Publikation zur Geschichte des
italienischen Werks vor: „312 P – Ferraris vielleicht schönster Rennwagen“.
1967 hatte Ferrari nach einer überaus spannenden Saison mit dem 330P4 die
Internationale Meisterschaft der Sport-Prototypen hauchdünn für sich entscheiden können.
Aufgrund einer Reglementsänderung blieben die Italiener dieser Meisterschaft 1968 fern
und überließen das Feld den überlegenen Porsche und Ford GT40. Dies änderte sich
1969, als Ferrari mit dem bildschönen 312P zu den Sportwagen-Rennen zurückkehrte.
Bisher gab es über dieses Fahrzeug, das werksseitig nur in sechs Rennen im Jahre 1969
eingesetzt worden war, kaum Literatur. Das ändert sich nun mit diesem Buch, das wirklich
eine Lücke schließt.
Gianni Agnesa, der in Cagliari auf Sardinien lebende Ingenieur und Ferrari-Fan, ist tief in
die Geschichte des 312P eingestiegen. In acht Kapiteln beschreibt er die Entwicklung und
Rennhistorie sowohl der vom Ferrari-Werk gebauten Prototypen als auch des in den
Folgejahren vom amerikanischen Team NART zum Teil umgebauten und fortentwickelten
Wagens.
Am Anfang des dreisprachig in Italienisch, Englisch und Deutsch verfassten Buches
stehen zwei Interviews. Giacomo Caliri, ein aus Sizilien stammender Ingenieur, der in den
1960er Jahren für die Entwicklung zahlreicher Sport-Prototypen bei Ferrari zuständig war,
erteilt Auskunft über die Überlegungen und die technischen Elemente, welche die
Entstehung des 312P bestimmten. Dr.Peter Schetty, der mehrere Jahre lang bei Ferrari
unterschiedliche Funktionen ausübte – vom Rennfahrer bis zum Rennleiter – und 1969 die
Europa-Bergmeisterschaft auf dem Ferrari 212E gewinnen konnte, gibt seine
Erinnerungen an die Testfahrten und Renneinsätze mit dem 312P wieder.
Nach Kapiteln über die Entwicklung des Wagens auf der Grundlage des CanAm Spyders
612 und die Präsentation sowie die ersten nicht problemfreien Testfahrten in Modena und
Monza folgt auf rund 90 Seiten eine ausführliche Dokumentation der Saison 1969 mit allen
Testfahrten und Renneinsätzen. Der Ferrari 312P traf auf das gewaltige Werksteam von
Porsche, das mehrere 908 an den Start brachte. War der italienische Rennwagen auch
von der Geschwindigkeit her ein mehr als ernst zu nehmender Konkurrent, so warfen ihn
doch technische Defekte oder Fahrfehler immer wieder zurück. Trotz beeindruckender
Leistungen blieb ihm ein Sieg versagt. Daran änderte auch die bildschöne geschlossene
Coupé-Variante nichts, die aus dem offenen Barchetta entwickelt worden war und von der
zwei Exemplare an den 24 Stunden von Le Mans teilnahmen.
Am Rande geht der Autor auch auf das vom 312P abgeleitete Design-Derivat 512 Special
und auf die Entstehung des den 312P als Werkswagen 1970 ablösenden 512S ein.
Sehr detailliert werden auch auf die Jahre 1970 bis 1974 beschrieben. Zunächst setzte
das NART-Team 1970 und 1971 einen 312P in beiden Jahren in Daytona und Sebring und
1970 in Le Mans ein. Wenn auch gegen die 5-Liter-Werkswagen von Porsche und Ferrari
chancenlos, befand sich der 312P doch regelmäßig unter den ersten zehn Fahrzeugen im
Gesamtklassement. 1972 und 1974 reaktivierte Luigi Chinetti seinen dann modifizierten
312P nochmals, um ihn in Daytona 72 und Le Mans 74 einzusetzen. Ausgerechnet bei
seinem letzten Rennen erzielten Andruet/Zeccoli mit dem 312P dessen bestes Ergebnis in
Le Mans und kamen auf dem neunten Rang ins Ziel.
Das achte Kapitel befasst sich mit dem für den Historischen Motorsport perfekt
wiederaufgebauten Ferrari 312P, Chassisnummer 0872. Dieses restaurierte Fahrzeug
verfügt über ein Echtheitszertifikat des Werkes und war bereits bei einigen
Veranstaltungen zu bewundern. Das Buch schließt mit den technischen Daten des 312P
und einer Rennstatistik sowie einer Übersicht der verfügbaren Modellautos und einer sehr
informativen Bibliografie.
In die Texte sind zahlreiche Kurzbiografien eingeschoben, so der beiden Ingenieure Caliri
und Rocchi, des Pressesprechers und Ferrari-Vertrauten Franco Gozzi und von nicht
weniger als 17 Rennfahrern wie Chris Amon, Clay Regazzoni, Derek Bell, Mario Andretti
und Pedro Rodriguez, um nur einige dieser Piloten zu benennen.
Gianni Agnesa hat seine Texte mit großer Akribie und erkennbarer Begeisterung für das
Thema verfasst. Es wird deutlich, dass es ihm gelungen ist, bei seinem Vorhaben
zahlreiche Informationen unmittelbar am Projekt Beteiligter einzuholen und auch die
mediale Unterstützung des Werks zu erlangen. So liest sich der Band nicht nur spannend,
informativ und abwechslungsreich, sondern zeugt auch von hoher Authentizität.
Mit über 250 Fotografien ist das Buch bestens illustriert. Die Aufnahmen stammen u.a. aus
den bekannten Archiven von McKlein Publishing, Motorsport Images, Actualphoto, Pete
Lyons und Grand Prix Library. Auch Gianni Agnesa selbst hat einige Ablichtungen
beigesteuert. Die teilweise großformatigen Bilder belegen eine gekonnte Motivauswahl
und überzeugen auch durch eine einwandfreie Wiedergabequalität. Auch Liebhaber der
technischen Details des 312P kommen voll auf ihre Kosten, insbesondere im Kapitel über
die Restaurierung des Exemplars mit der Chassis-Nr. 0872.
Das Buch ist bestens verarbeitet, verfügt über ein gutes Layout und wird durch einen
Papp-Schuber geschützt.
Thomas Nehlert
Thomas Nehlert
"Sharknose V6" und "312P“ - das sind zwei repräsentative Bände, die in die Bibliothek
jedes Ferrari-Enthusiasten gehören.
Sharknose V6 – Ferrari 156, Ferrari 246SP & Ferrari 196SP
Verlag: McKlein Publishing
Autoren: Jörg-Thomas Födisch & Rainer Rossbach
Vorwort: Mauro Forghieri
Fotos: Bernard Cahier
Format: 29 x 29 cm, Hardcover im Schuber
Seiten: 432
Fotos: über 450 Fotos
Sprachen: Deutsch und Englisch
Preis: € 124,90
Vertrieb: RacingWebShop.com
ISBN: 978-3-947156-24-5
312P – Ferraris vielleicht schönster Rennwagen
Verlag: McKlein Publishing
Autor: Gianni Agnesa
Format: 29,5 x 27 cm, Hardcover im Schuber
Seiten: 264
Fotos: über 250 Fotos
Sprachen: Deutsch, Englisch und Italienisch
Preis: € 89,90
Vertrieb: RacingWebShop.
com
ISBN: 978-3-947156-19-1
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