Rezension Thomas Nehlert: Twice Around the Clock – The Yanks at Le Mans - 1923-1979 Tim Considine, Toll Hall Sexton Books, 2018

Wenn man Roger Penske, den man wohl ohne Übertreibung als Motorsport-Tycoon der USA bezeichnen kann, fragt, welches Rennen er nach den unzähligen Erfolgen seiner Teams bei den Indycars, in der NASCAR Series, bei vielen großen Sportwagenrennen, der American Le Mans Series und sogar den Tourenwagen der australischen Supercars Series denn unbedingt noch gewinnen möchte, so lautet die Antwort stets: die 24 Stunden von Le Mans. Das bedeutendste Autorennen der Welt übt von jeher eine ganz besondere Anziehungskraft auf die Motorsportler in Amerika aus. 

Tim Considine hat sich nun mit einem geradezu überwältigenden Buch auf rund 1100 Seiten dieses faszinierenden Themas angenommen. Manch einem mag der Name Tim Considine bekannt vorkommen. In den 1950er und 1960er Jahren zählte er zu den bekannten Kinder- und Jugendlichen-Darstellern im amerikanischen Film und Fernsehen. So war er in Deutschland sicherlich durch die Rolle des ältesten Sohns Mike in der Familienserie "Meine drei Söhne" einem größeren Publikum bekannt. Nach seiner TV-Karriere betätigte er sich überaus vielseitig – als Rennfahrer, Buchautor und Fotograf. Er war für längere Zeit der Präsident der "Motor Press Guild", der größten Vereinigung von Motorjournalisten in den USA. Und er wurde bereits mit dem "Motor Press Guild Dean Batchelor Award" ausgezeichnet. 

Die größte Epoche amerikanischer Teams bei den 24 Stunden von Le Mans ist in der Erinnerung fast aller Motorsport-Enthusiasten natürlich die Zeit von 1964 bis 1969, als Ford mit einem unglaublichen Einsatz von technischem Knowhow, Menschen und Geld schlussendlich Ferrari bei dem Langstreckenrennen besiegen konnte. Aber die Geschichte der Amerikaner – der "Yanks" - in Le Mans ist eine viel längere und größere. 

Band 1 umfasst die Zeitspanne von 1923 bis 1959, und tatsächlich waren die USA von Anfang an bei dem 24-Stunden-Rennen präsent. Schon beim ersten Rennen belegte das französische Team von Charles Montier mit einem von einem Triebwerk des T-Modells von Ford versehenen Ford-Montier Special den 14. Platz im Gesamtklassement. 1928 waren nicht weniger als vier Chrysler 72 Six am Start. In der Vorkriegszeit traten auch noch Fahrzeuge von Ford, Stutz und Duesenberg an der Sarthe an, amerikanische Fahrer und Teams blieben allerdings eine Ausnahme. 

Das änderte sich 1949, als der aus Italien stammende in den USA lebende Generalimporteur für Ferrari, Luigi Chinetti, mit einem Ferrari 166 MM den ersten Sieg für Ferrari errang. Fortan spielten Fahrer, Teams und Marken von jenseits des Atlantiks stets eine bedeutende Rolle, wie zum Beispiel die von Briggs Cunningham eingesetzten Cadillac oder Cunningham-Chrysler. 1954 tauchte als Fahrer erstmals Carroll Shelby auf, der Anfang der 1960er mit seinen Shelby Cobra Daytona Coupés ins Renngeschehen eingreifen sollte. Phil Hill, Dan Gurney, Ed Hugus und Masten Gregory waren große amerikanische Fahrer, die schon in den 1950er Jahren in Le Mans starteten. 

Im zweiten Band dokumentiert Considine die Jahre 1960 bis 1969. Das war die große Zeit der Amerikaner in Le Mans. Schon zum Anfang dieses Jahrzehnts beeindruckten die mächtigen Chevrolet Corvette von Briggs Cunningham und die Maserati "Birdcage" des Camoradi Teams sowie natürlich die zahlreichen Ferrari GT des North American Racing Teams (NART) von Luigi Chinetti. 1963 waren erstmals ein Shelby Cobra und ein AC Cobra Ford unter den Teilnehmern. Henry Ford II. war nach dem Platzen des Deals mit Enzo Ferrari überaus verärgert und wollte nichts unversucht lassen, die siegreichen Italiener in Le Mans zu schlagen. Mit einem bis dahin nicht gekannten Aufwand stellte Ford ein Programm auf die Beine, das ab 1966 geradezu zwangsläufig zum Erfolg führte – vom GT 40 über den Mk.II bis zum Mk.IV. Ziemlich alle amerikanischen Fahrer von Rang und Namen fanden sich an der Sarthe ein, sowohl in den Teams von Ford als auch in anderen Mannschaften: Dan Gurney, Mario Andretti, Phil Hill, A.J. Foyt, Richie Ginther, Masten Gregory, Mark Donohue und Bob Bondurant. War die FordWerksmannschaft 1966 und 1967 siegreich gewesen, so führten die GT 40 des John Wyer Teams die Siegesserie auch nach dem Rückzug des Werks noch 1968 und 1969 fort. 

Die folgende Ära von 1970 an, die Gegenstand des dritten Bandes ist, wurde durch die Siege von Porsche und Matra geprägt. Dennoch blieb die Präsenz amerikanischer Teilnehmer bemerkenswert. Insbesondere die zahlreichen Einsätze des North American Racing Teams - zunächst mit den bildschönen Ferrari 512S und 512M, später den kaum weniger eindrucksvollen Ferrari 365 GTB/4 Daytona - müssen hier hervorgehoben werden. Ein Highlight war zweifellos der von Roger Penske 1971 in der attraktiven blaugelben Sunoco-Lackierung an den Start gebrachte Ferrari 512M mit den Fahrern Mark Donohue und David Hobbs. Dazu kamen aus amerikanischer Sicht immer wieder einzelne privat eingesetzte Chevrolet Corvette. 

Der Autor beschreibt die Renneinsätze der amerikanischen Teams, Fahrzeuge und Fahrer in chronologischer Reihenfolge. Er schildert die Rennstrategien, die teaminternen Vorgänge und gibt auch zahlreiche Hintergrundgeschichten wieder. Dabei kommen nicht nur Considines bis ins Detail gehende Wissen und seine hervorragende Fachkompetenz zum Tragen, sondern ebenfalls in ganz ungewöhnlich ausführlichem Umfang Originaläußerungen der unmittelbar an den Rennen beteiligten Personen. Hier wird deutlich, welch jahrelange und in die Tiefe gehende Recherche Eingang in dieses Werk gefunden hat. Viele der zitierten Protagonisten sind inzwischen verstorben; das ändert nichts an der Authentizität ihrer den Leser fesselnden Darstellungen. Jeder der Rennberichte endet mit einem ausführlichen Rennergebnis, in dem natürlich alle Teilnehmer und nicht nur die aus den USA stammenden aufgelistet sind. 

Jeder der drei Bände endet mit mehreren Anhängen: von einem sehr ausführlichen Quellenverzeichnis zu den vom Autor wiedergegebenen Zitaten über eine chronologisch geordnete Teilnehmerliste bis zu einer Erfolgsstatistik der amerikanischen Rennfahrer. Eine Auflistung der Ergebnisse der Fahrzeuge und ein nach Fahrzeugen, Personen und Teams gegliederter Index runden diesen Teil der Bücher ab. So bleibt wirklich keine Frage zum Thema unbeantwortet. 

Das Vorwort stammt von Dan Gurney, dem großen amerikanischen Rennfahrer, der 2018 verstorben ist und den man ohne Übertreibung als eine Lichtgestalt des Motorsports bezeichnen kann. Den Ausführungen Gurneys ist nicht nur sein sehr persönlicher Bezug zu den 24 Stunden von Le Mans zu entnehmen, sondern auch die Tatsache, dass bis heute insgesamt über 300 Rennfahrer aus den USA an dem französischen Langstreckenrennen teilgenommen haben.

Die begeisternde Illustration des Buchs mit rund 900 Fotografien steht dem hervorragenden Text in nichts nach. Dabei muss man – wie bei jedem Band über die Geschichte des Autosports – berücksichtigen, dass die Fotos aus Zeiten stammen, in denen man von den heutigen Möglichkeiten der Sportfotografie noch weit entfernt war. Aber gerade auch die alten Abbildungen, teilweise schwarzweiß, lösen Freude aus und vermitteln dem Leser einen hervorragenden Eindruck vom Motorsport weit zurückliegender Epochen. Die Bilder sind zum beachtlichen Teil im großen bis doppelseitigen Format gehalten und versetzen den Betrachter mit ihrer brillanten Motivauswahl quasi ins Geschehen auf und an der französischen Rennstrecke. Ein besonderes Verdienst der Herausgeber liegt darin, dass sie Bildmaterial sehr unterschiedlicher Archive genutzt haben. Neben den großen Fotosammlungen sind auch zahlreiche kleinere Kollektionen vertreten, so dass die gesamte Illustration überaus interessant und abwechslungsreich ist. 

Die drei Bände werden durch einen stabilen Schuber geschützt und sind erstklassig verarbeitet. Der Einband in einer etwas gummiartigen Laminierung ist ungewöhnlich, dürfte aber sehr pflegeleicht sein. Die Qualität des Papiers und der Reproduktion von Text und Fotos bietet ebenfalls keinen Anlass zu Kritik. 

Zweifellos sind rund 400,- € für ein Motorsportbuch ein stattlicher Preis; dieser erscheint aber angesichts des Gebotenen in jeder Hinsicht als angemessen. Da bleibt eigentlich nur eine Frage: Warum endet diese Chronologie 1979? Nun, nach gegenwärtigen Erkenntnissen sind weitere vier Bände über die Zeit von 1980 bis jetzt geplant – hoffentlich müssen wir nicht allzu lange auf ihr Erscheinen warten. 

Thomas Nehlert

Twice Around the Clock – The Yanks at Le Mans - 1923-1979 
Autor: Tim Considine 
Verlag: Toll Hall Sexton Books, Tennessee, USA, 2018 
Format:Umfang: 3 Bände Hardcover im Schuber, 24,5 x 29,5 cm, 1096 Seiten, 900 Fotos 
Text: Englisch Preis: € 399,- 
ISBN: 978-0-9993953-0-1 
Vertrieb: RacingWebShop.com

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