Heidi Hetzer, wer oder was ist diese unglaubliche Frau? Eine Berliner Institution? Das ist
viel zu nüchtern. Ein Berliner Urgestein? Um Gottes Willen, dafür ist sie viel zu
junggeblieben. Sie gehört einfach zu Berlin so wie der Funkturm nahe der Avus.
Für ihr gerade erschienenes Buch "Ungebremst leben" bestand nun auch ein wahrhaft
beachtlicher Anlass! Mit 77 Jahren hatte sie sich mit einem deutlich älteren Auto, einem
Hudson Great Eight Coach des Baujahres 1930, auf den Weg gemacht, um einmal rund
um die Welt zu fahren. Am 27. Juli 2014 ging's los am Olympischen Platz in Berlin, und am
12. März 2017 war sie wieder zurück am Brandenburger Tor in Berlin. Dazwischen lagen
960 Tage und rund 85.000 km !
Ihre Erfahrungen auf dieser gigantischen Tour hat Heidi Hetzer nun verarbeitet, und der
Autor Marc Bielefeld, ansonsten unter anderem auch für "National Geographic" schreibend, hat ihre Erinnerungen protokolliert und vortrefflich in Buchform gebracht.
Wenn man anfängt zu lesen, legt man das Buch nicht so schnell wieder aus der Hand. Ich
habe es innerhalb von zwei Tagen durchgelesen. Man kann es kaum nachvollziehen, was
für eine Energie, was für eine Kraft und was für eine Begeisterung diese Frau antreiben.
Ihr uraltes Auto hatte schier endlose Macken und Pannen, gab die seltsamsten Geräusche
von sich, blieb immer wieder mal stehen – und wurde immer wieder repariert, fahrbar
gemacht. Für Heidi war das keine seelenlose Technik, sondern ein vertrauter und fast
sensibler Kamerad – ihr "Hudo"
Von Europa gen Osten nach Asien, über China bis runter nach Singapur, mit dem Schiff
nach Australien, weiter nach Neuseeland, von dort an die Westküste der USA, durch die
USA und Kanada wieder bis nach Florida, weiter nach Südamerika, dann in den Süden
Afrikas und schließlich über Südeuropa wieder zurück nach Deutschland und Berlin –
Heidis Erlebnisse sind an Abwechslungsreichtum und Abenteuerlichkeit kaum zu
überbieten. Über alle Sprachbarrieren hinweg hat sie sich mit den Menschen verständigt,
freundschaftliche Kontakte geknüpft, Probleme gelöst, ist sie im örtlichen Fernsehen
aufgetreten, war aufgrund ihres offenen und freundlichen Wesens stets beliebt und hat
fast immer Unterstützung erfahren, wenn dies notwendig war. Was sie in erster Linie von
ihrer Expedition mitnimmt und sowohl im Buch als auch bei ihrer Ankunft am
Brandenburger Tor den Menschen zu vermitteln versucht hat, das ist der Aufruf, eigene
Träume zu verwirklichen, auf Fremde zuzugehen, bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben.
Und Schwierigkeiten hat Heidi Hetzer reichlich gehabt – die Unpässlichkeiten ihres Hudo
waren eigentlich ein Klacks im Verhältnis zu der schweren Erkrankung, die bei ihr in
Amerika diagnostiziert wurde. Die meisten Menschen hätten das Projekt da sicher
abgebrochen – nicht Heidi. Ein Monat Unterbrechung in einem Krankenhaus in Essen und
dann wieder zurück nach Südamerika, und weiter ging's – zum Glück wieder gesund! Die
offene Art, mit der sie auch mit dieser Lebensphase umgeht, ist mehr als nur
bemerkenswert.
Sie hat den weitaus größten Teil der Reise allein gemeistert. Die zumeist männlichen
Begleiter blieben irgendwie über kurz oder lang auf der Strecke neben dieser Powerfrau.
Am besten stellte sich wohl noch der in China staatlicherseits beigeordnete Mister Wang
an.Der ausführliche Reisebericht ist nie langatmig, nie selbstgefällig, häufig voller
schmunzelnder Selbstironie. Er wird an drei Stellen auch noch aufgelockert. Einmal
schildert Heidi Hetzer ihren Lebensweg, ihre Kindheit und Jugend, ihre riesige
Begeisterung für Motorräder und Autos. Der Leser erfährt von dem väterlichen
Automobilgeschäft, das sie übernommen und als bedeutende Opel-Händlerin erfolgreich
fortgeführt hat, bis die Umstände um Opel und General Motors sie dazu brachten, das
Geschäft an einen anderen Unternehmer weiterzugeben. Außerdem gibt sie einen
Überblick ihrer motorsportlichen Laufbahn – von den Avusrennen bis zu den zahlreichen
Fernfahrten und Rallyes in Europa, Asien und Amerika. Ich selbst kann mich noch bestens
erinnern, wie sie mit einem mächtigen Opel Diplomat V8 Coupé durch die Nordkurve der
Avus donnerte - mit spektakulärem Funkenflug, weil der ziemlich weich abgestimmte
Wagen in der holprigen Steilkurve immer wieder aufsetzte.
Nicht minder interessant ist der Bericht über einen etwa einjährigen Aufenthalt in den USA
1961 im Rahmen eines Händleraustauschs. Da gewährt sie auch noch einen Blick in ihr
Privatleben und vermittelt voller Begeisterung das zur damaligen Zeit ungewöhnliche
Erlebnis einer Durchquerung der USA in einem VW Käfer. In diesem Zusammenhang
findet sich im Text ein kleiner sachlicher Fehler: denn ein Freund in Kalifornien konnte sie
1961 kaum mit einem Porsche 911, sondern „nur“ mit einem 356 (wie auch im
abgedruckten Foto dokumentiert) in Empfang genommen haben.
Heidi Hetzer ist wieder zu Hause – aber bestimmt nicht allzu lange. Denn sie plant noch
eine Afrika-Durchquerung, mitten durch die Wüste, diesmal aber mit einem etwas
moderneren und vierradgetriebenen Auto. Und von der Afrika-Tour wollen wir wieder einen
so tollen Bericht wie von der Weltreise.
Heidi Hetzer – Ungebremst leben
Autor: Marc Bielefeld, Heidi Hetzer
Verlag: Ludwig Verlag, München, 2018
Format, Umfang, Preis: Hardcover, 13,5 x 20,5 cm,
368 Textseiten plus 40 Bildseiten mit über 70 Abbildungen
Text: Deutsch
Preis: € 20,-
ISBN: 978-3-453-28113-4
Vertrieb: überall im Buchhandel
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