Obwohl die gewaltigen 5-Liter-12-Zylinder-Sportwagen vom Schlage eines
Porsche 917 oder eines Ferrari 512S im Jahre 1972 den 3-Liter-Prototypen das
Feld bei den großen Sportwagenrennen überlassen mussten, war die
Internationale Markenmeisterschaft in diesem Jahr dennoch ein großer Erfolg.
Die Ferrari 312 PB dominierten die Saison mit zehn Siegen bei zehn Starts; nur
die 24 Stunden von Le Mans 1972, bei denen Ferrari nicht antrat, gingen an
Matra-Simca. Riesige Starterfelder begeisterten die Zuschauer. Bei sechs
Rennen der Meisterschaft fuhr in der GT-Klasse ein außergewöhnlicher Porsche
911 S mit, nämlich der 2,5 Liter des Tod-Hall-Teams von Michael Keyser.
Keyser ist ein amerikanischer Motorsport-Journalist und Buch-Autor, der sich in
den 1970er Jahren auch als Rennfahrer und Rennstallbesitzer betätigte. Er fuhr
den 911 ST 2.5 - eines von insgesamt nur 24 Exemplaren dieses Typs -
mehrfach zusammen mit Jürgen Barth und konnte im Jahr 1972 durchaus
beachtliche Erfolge vorweisen: Bei der Targa Florio platzierte er sich zusammen
mit Barth auf dem zehnten Gesamtrang, bei dem 1000-km-Rennen auf dem
Nürburgring belegte diese Mannschaft ebenso wie in Le Mans den 13. Rang und
gewann in Le Mans sogar die GT-Wertung, und in Watkins Glen gelang es
Keyser zusammen mit Bob Beasley, auf Rang sieben zu fahren. Im Folgejahr
belegte dieser 911 in Daytona den achten Platz und wurde - wie auch bereits
1972 - dann noch in den USA in der IMSA Series eingesetzt. Der 911 ST 2.5
war die letzte Leistungsstufe des sogenannten "Ur-Elfers", bevor die mächtigen
Carrera RS und RSR zum Einsatz kamen.
Allein dies wäre noch nicht Anlass genug, diesem Porsche ein ganzes Buch zu
widmen. Doch Keyser nutzte seinen Elfer nicht nur als Rennwagen, sondern
auch als Kamerafahrzeug für seinen wundervollen Dokumentarfilm "The Speed
Merchants", der 1973 auf den Markt kam. Dieses 90minütige Meisterwerk gilt
unter den Motorsportfans als Benchmark, wenn es um die filmische Darstellung
der Sportwagenrennen der 1970er Jahre in Form einer realistischen
Dokumentation geht. Es ist deshalb ein Glücksfall, dass der Delius Klasing
Verlag dem Buch über den Porsche 911 ST 2.5 eine DVD mit diesem Film
beigefügt hat. Der Betrachter wird nicht nur in das Renngeschehen 1972 von
Daytona bis Watkins Glen versetzt, ihm werden durch die von Mario Andretti
und Vic Elford gesprochenen Kommentare höchst authentische Eindrücke vom
damaligen Rennsport vermittelt. Man bekommt unmittelbare Einblicke in die
Rennabteilungen von Ferrari, Alfa Romeo und Matra und darf sogar am
familiären Umfeld von Derek Bell, Jacky Ickx und Vic Elford teilhaben.Nicht
umsonst zählt der Film "The Speed Merchants" für sich allein schon zu den
gesuchtesten Motorsport-Dokumentationen, hier bekommt man ihn einfach als
sehr willkommene Zugabe. Bemerkenswert in dem Film ist auch, dass der
gelbe 911 ST 2.5 als Kamerafahrzeug nur einmal ganz kurz beim Start des
1000-km-Rennens auf dem Nürburgring mit Jürgen Barth am Steuer zu sehen
ist. Übrigens hat Michael Keyser auch ein Buch mit dem Titel "The Speed
Merchants" über die Sportwagenrennen jener Zeit herausgebracht und einen
großartigen Band "A French Kiss with Death" über den legendären Spielfilm "Le
Mans" mit Steve McQueen verfasst.
Thomas Imhof, namhafter Motorjournalist und früher Redakteur bei der
unvergessenen "rallye racing" und der „Auto Zeitung“, hat hier in mühevoller
Kleinarbeit und mit tiefgehender Recherche die Historie des Porsche 911 mit
der Chassisnummer 911 230 0538 nachgezeichnet. In acht Kapiteln bleibt kein
dieses Fahrzeug berührender Aspekt unberücksichtigt. Nach der Darstellung
der motorsportlichen Entwicklung vom Porsche 911 S 2.0 bis zum 911 ST 2.5
wird die Rennausführung des 2,5-Liter-Porsche beschrieben, bevor die
motorsportliche Historie des 911 230 0538 bis ins Detail gewürdigt wird. Dabei
beschreibt Imhof nicht nur die Rennen der Saison 1972 ausführlich, sondern
befasst sich auch mit dem Film "The Speed Merchants" und porträtiert Michael
Keyser und Jürgen Barth, die im übrigen auch an diesem Buch mitgewirkt
haben und dem Autor regelmäßig für Auskünfte zur Verfügung standen. Von
Jürgen Barth stammt auch das Vorwort.
Nach der Saison 1972 bestritt der 911 ST 2.5 - wie bereits ausgeführt -
weitere Rennen in der amerikanischen IMSA Series, bevor er für mehrere
Jahrzehnte in der Versenkung verschwand. 2013 tauchte er - wie durch ein
Wunder - in der Nähe von San Francisco wieder auf, allerdings in einem
ziemlich schrottreifen Zustand. Mit dem Rücktransport nach Zuffenhausen und
dem einfach atemberaubenden Wiederaufbau dieses klassischen Porsche 911
befassen sich die letzten drei Kapitel des Buchs. Diese Restaurierung wird in
Text und Bild dokumentiert, und auch der Leiter der Werksrestaurierung
Porsche Classic, Uwe Makrutzki, kommt zu Wort. Eine dreiseitige Rennstatistik
des legendären gelben 911 ST 2.5 beschließt das Buch.
Der Text ist mit hervorragender Kompetenz und erkennbarer Begeisterung
verfasst, insbesondere die Geschichte der Wiederentdeckung und des
Wiederaufbaus von 911 230 0538 liest sich unglaublich spannend. Die
Illustration ist mit rund 200 Fotografien reichhaltig und sowohl in der
Motivauswahl als auch in der Qualität der Wiedergabe ausgezeichnet. Einen
zusätzlichen Reiz bezieht die Illustration durch die Reproduktion zahlreicher
Originaldokumente.
Dieses Buch zusammen mit der DVD "The Speed Merchants" stellt in der
wahrhaft reichhaltigen Porsche-Literatur ein echtes Highlight dar.
Porsche 911 ST 2.5
Kamerawagen – Le Mans-Sieger – Porsche-Legende
Autor: Thomas Imhof, Michael Keyser, Jürgen Barth
Verlag: Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2017
Format und Umfang: Hardcover, 24 x 27 cm, 304 Seiten, über 200 Abbildungen;
eine DVD mit dem Film „Speed Merchants“
Text: Deutsch
Preis: € 49,90
ISBN: 978-3-667-11062-6
Überall im Buchhandel erhältlich
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