Rezension: Auto-Legenden: Klassiker in Stil und Design


Vor mir liegt das Traumbuch für Liebhaber schöner, hoch erotischer Autos. Bevor ich über dieses Buch berichte, möchte ich an eine Kurzreise erinnern, die ich Mitte der 1980er Jahre gemeinsam mit meinem Mann und zwei Freunden irgendwann im Mai nach Südengland unternahm, keineswegs um mich, wie ansonsten üblich, in Museen aufzuhalten, sondern "nur" zu dem Zwecke, mich an schönen alten englischen Autos zu ergötzen.

Ich lernte in London "Coys of Kensington", das Mekka für Liebhaber exklusiven britischen Automobilbaus, kennen und rund um Arundel viele kleine Garagen, in denen alte Kostbarkeiten abgedeckt auf neue Liebhaber warteten. Wir alle wollten keine Autos kaufen, sondern sie nur bewundern. Dabei strich ich verzückt über die Kotflügel alter Bentleys, ein sinnliches Erlebnis der formvollendeten Kurven wegen und betrachtete mir lange die dicken Schichten Lack bei einem alten Rolls- Royce, der einst der Industriellenfamilie Dupont in den USA gehörte. Fasziniert war ich vom Geruch des betagten Leders, das nach so vielen Jahrzehnten noch immer zum bequemen Sitzen einlud. Dass ich auf der Rückreise in Arundel in einem Himmelbett schlief, will ich auch erwähnen und dass ich dort die ganze Nacht von einem Auto träumte, welches ich heute im Buch erneut bewundern durfte. Es ist der "Bentley Typ R Continental" aus dem Jahre 1952, von dem insgesamt nur 208 Stück hergestellt wurden und bis auf 15 Exemplare alle mit einer Mulliner-Karosserie versehen sind.


Das Buch der britischen Autolegenden enthält eine Fülle von Bildern eines der weltbesten Automobil- Fotografen- Michel Zumbrunn und überaus informative Texte von Richard Heseltine.


In der 19 Seiten umfassenden Einführung erfährt man u.a. historisch Wissenswertes zur Geschichte der britischen Automobilindustrie, auch dass sie ihre Entstehung dem Deutschen Gottlieb Daimler verdankt, der dem ersten Autohersteller Britanniens seinen Namen gab. Im Jahre 1900 wurde der "Automobil Club of Great Britain" gegründet, doch mit Ausnahme auch unternehmerisch veranlagter Ingenieure, wie Herbert Austin, hatten die meisten britischen Hersteller keine wirkliche Chance, da sie nicht verstanden, wie Wirtschaft funktioniert.


In der Folge liest man, wie die britischen Hersteller die Anfangszeit überstanden und sich neu zu positionieren begannen. Alsdann wird der unaufhaltsame Aufstieg der britischen Automobil-Industrie geschildert und auch von den Zeiten, als sich Fortuna verabschiedete. Rolls-Roys und Bentley haben mittlerweile einen deutschen Eigentümer. Wie Heseltine konstatiert, konnten die beiden Marken zwar unter ihren neuen Eigentümern prosperieren, allerdings mangelt es den Fahrzeugen heute an dem speziell "Britischen",(vgl: S. 26).


Im Buch werden britische Autolegenden von 1907 bis 1998 vorgestellt. Die Fahrzeuge werden in unterschiedlichen Perspektiven gezeigt. Man erblickt mitunter Großaufnahmen des Innenraums, des Motors, weiterer Designteile. Im Rahmen der Texte wird alles Wesentliche zum jeweiligen Auto erläutert.


Da ich ein Bentley-Fan bin, gefällt mir natürlich der 1926 entstandene "Bentley Sechseinhalb Liter Speed Six" auf Anhieb. Er galt einst als ultimativer britischer Sportwagen und war unglaublich schnell. Der massive Reihensechszylinder mit oben liegender Nockenwelle war mit vier Ventilen und zwei Zündkerzen pro Zylinder damals recht fortschrittlich.


Wunderschön auch ist der "HRG 1500" aus dem Jahre 1935, der gute Fahreigenschaften zeigte, die er in Rennen unter Beweis stellte. Aber noch viel schöner ist der "Jaguar SS 100" aus dem Jahre 1935, den man heute zu den schönsten Sportwagen der Vorkriegszeit zählt. Mit aufgestellter Windschutzscheibe und geschlossenem Verdeck ist das Auto freilich nicht so elegant, wie offen.


Es ist unmöglich all die Modelle zu fokussieren. Der "Aston Martin DB2" aus dem Jahre 1950 hat ein typisch britisches Aussehen. Hochinteressant sind die technischen Infos zum "Jaguar Typ C" aus dem Jahre 1951, der auf Anhieb im gleichen Jahr die 24 Stunden von Le Mans gewann. Das Innenleben des Fahrzeugs wird im Buch gezeigt. Der klassische XK- Reihensechszylinder sieht umwerfend schön aus.


Eine Augenweide auch ist der "MG TF Midget" aus dem Jahre 1953 und der "Jaguar MKII" aus dem Jahre 1959. Ob der "Jaguar Typ E" von 1961 wirklich schön war, möchte ich aus heutiger Sicht bezweifeln, aber es ist das bedeutendste Auto aller Zeiten. Mit anderen Kritikern bin ich der Meinung, dass die relativ steile Windschutzscheibe die Linienführung stört.


Es folgen noch einer Reihe anderer Autos, unter denen mir der "Rolls Royce Corniche" aus dem Jahre 1971 am besten gefällt. Das luxuriöse Oben-ohne-Modell erreichte die 100 km /h aus dem Stand übrigens im 9, 6 Sekunden.


Auf den letzten Seiten kann man Wissenwertes über von Herbert Austin, Walter Owen Bentley, Sir David Brown, Colin Chapman, Cecil Kimber, Sir William Lyons, Lionel Martin, Charles Stewart Rolls, Sir Henry Royce und Malcolm Sayer lesen und sich in die Begriffe und Stile im Automobilwesen vertiefen. Ein Verzeichnis der Museen und Sammlungen schließt dieses absolut empfehlenswerte Buch ab.


Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Frau und dem "Bentley TYP R Continental" würde ich ganz klar den Bentley wählen. Grins.





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